Airbus fliegt Boeing davon

Europäischer Flugzeugbauer erhält mehr Aufträge in Le Bourget - Bestellungen auf der Messe haben Gesamt-Listenpreis von 50 Mrd. Dollar

Airbus fliegt Boeing davon

Im Vergleich zur Farnborough Airshow im vergangenen Jahr haben die beiden großen Flugzeugbauer weniger Bestellungen bekommen. Der Markt ist nach Angaben von Airbus-Verkaufschef Christian Scherer jedoch noch immer dynamisch. Er stellt neue Aufträge für den A350-Langstreckenjet in Aussicht.wü Le Bourget – Die Krise um den seit März mit einem weltweiten Flugverbot belegten Mittelstreckenjet 737 Max von Boeing, eine neue Langstreckenversion des A321 von Airbus, das künftige europäische Kampfjetsystem FCAS (Future Combat Air System) und Umweltschutzthemen haben die Fachbesuchertage der weltweit größten Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris bestimmt. Dort konnte der europäische Flugzeugbauer Airbus seinem US-Rivalen Boeing von den Aufträgen her davonfliegen. So verkündete Airbus bis Donnerstagmittag Bestellungen und Kaufabsichtserklärungen für insgesamt 363 Flugzeuge, während Boeing auf Aufträge und Vorverträge für 272 Jets kam. Obwohl die Bestellungen für die beiden großen Flugzeugbauer im Vergleich zur Farnborough Airshow im vergangenen Jahr deutlich niedriger ausfielen, wies Airbus-Verkaufschef Christian Scherer eine Frage zurück, ob derzeit eine Blase platze. Der Markt sei weiterhin sehr dynamisch, erklärte er.Für die größte Überraschung sorgte Boeing mit einer Kaufabsichtserklärung der International Airlines Group (British Airways, Iberia, Aer Lingus, Vueling, Level) für 200 Exemplare des seit Mitte März mit einem weltweiten Flugverbot belegten Mittelstreckenjets 737 Max im Wert von mehr als 24 Mrd. Dollar laut Listenpreis. Allerdings sind in der Branche kräftige Rabatte üblich und angesichts des Flugverbots dürfte der US-Konzern zusätzliche Preisnachlässe eingeräumt haben. Die Absichtserklärung von IAG ist ein wichtiger Vertrauensbeweis einer renommierten Fluggesellschaft, das dem ramponierten Image des Unglücksmodells helfen dürfte. IAG-Chef Willie Walsh ist selbst gelernter 737-Pilot.Nach Angaben von Boeing-Verkaufschef Ihssane Mounir spricht der US-Flugzeugbauer auch mit anderen Fluggesellschaften über mögliche Aufträge für die 737 Max. “Das war keine typische Luftfahrtmesse”, erklärte er. “Unsere Priorität ist die Rückkehr des Modells in den Betrieb in aller Sicherheit.” Dafür müssen Luftfahrtbehörden in den USA, Europa, China und anderen Ländern das von Boeing gelieferte Update für die Steuerungssoftware freigeben, die für den Absturz von zwei 737-Max-Jets von Lion Air und Ethiopian Airlines mitverantwortlich gewesen sein soll, bei denen insgesamt 346 Menschen ums Leben kamen.Bei der Max-Bestellung handele es sich bisher nur um eine Kaufabsichtserklärung, kommentierte Airbus-Chef Guillaume Faury. IAG sei ein wichtiger Kunde des europäischen Flugzeugbauers. “Wir werden zusehen, ein gutes Angebot zu machen.” Airbus konnte auf der Paris Air Show bisher 149 Festbestellungen einfliegen. Faury deutete an, dass weitere Bestellungen folgen könnten: “Die Messe ist noch nicht zu Ende.” Es könnten schon bald neue Aufträge für den A350-Langstreckenjet erfolgen, vermutlich aber nicht mehr auf der Sonntag endenden Messe, sagte Airbus-Verkaufschef Scherer an.Am stärksten punkten konnte Airbus in Le Bourget mit seinem dort lancierten kleinen Langstreckenjet A321XLR, für den bereits 226 Aufträge und Kaufabsichtserklärungen vorliegen. Dabei handelt es sich um 127 neue Bestellungen und bei 99 Exemplaren um eine Umwandlung bestehender Aufträge. Die bisher größten Kunden für das neue Airbus-Modell, das 2023 in Dienst gestellt werden soll, sind American Airlines und der US-Investmentfonds Indigo Partners mit Bestellungen für je 50 Exemplare. Für das im vergangenen Jahr von Bombardier übernommene, in A220 (vorher C-Series) umbenannte Regionaljet-Programm konnte Airbus 85 Bestellungen und Kauf-absichtserkärungen einfliegen, für den Mittelstreckenjet A320 127 und für den neumotorisierten Langstreckenjet A330neo 24.Der Turboprop-Flugzeugbauer ATR, ein Gemeinschaftsunternehmen von Airbus und Leonardo aus Italien, verbuchte Aufträge und Absichtserklärungen für 75 Maschinen im Wert von 1,7 Mrd. Dollar, darunter 35 Festbestellungen. Die niederländische Fluggesellschaft KLM wiederum will bis zu 95 E2-Jets von Embraer aus Brasilien kaufen. Sie will 15 Exemplare fest bestellen und sich die Kaufrechte für 20 weitere sichern. Diese Kaufabsichtserklärung hat nach Angaben von Embraer einen Wert von 2,48 Mrd. Dollar laut Listenpreis.Der deutsche Triebwerkshersteller MTU konnte in Le Bourget Aufträge im Wert über 1,3 Mrd. Dollar unterzeichnen. Davon entfallen 95 % auf Triebwerke der PW1000G-Familie für Mittelstreckenjets. Konkurrent CFM International wiederum, ein Joint Venture von Safran aus Frankreich und General Electric aus den USA, erhielt Bestellungen für mehr als 1150 Leap-Triebwerke. Die auf der Messe eingeflogenen Bestellungen und Service-Vereinbarungen haben laut Listenpreis einen Wert von rund 50,2 Mrd. Dollar.