Airbus hui, Boeing pfui

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 21.1.2020 Die Dauerrivalität zwischen Airbus und Boeing ist an einem entscheidenden Punkt angelangt. Nach sieben Jahren hat der europäische Flugzeughersteller die Amerikaner in Bezug auf die Zahl der...

Airbus hui, Boeing pfui

Von Stefan Kroneck, MünchenDie Dauerrivalität zwischen Airbus und Boeing ist an einem entscheidenden Punkt angelangt. Nach sieben Jahren hat der europäische Flugzeughersteller die Amerikaner in Bezug auf die Zahl der ausgelieferten Passagiermaschinen wieder überholt. Während der Konzern aus Toulouse 2019 mit 863 Stück einen firmeneigenen Rekord markierte und damit so viele Flugzeuge in einem Jahr an Airlines übergab wie nie zuvor in der Branche, fiel der Wettbewerber aus Chicago und Seattle mit einem Einbruch von mehr als der Hälfte auf 330 Einheiten auf das Niveau von 2002 zurück.Das Desaster mit dem Mittelstreckenmodell 737 Max schlägt bei Boeing ins Kontor. Nach zwei tragischen Flugzeugabstürzen mit diesem Typ aufgrund einer vermutlich fehlerhaften Steuerungssoftware befindet sich der Konzern im Krisenmodus: Die verhängten Flugverbote und Produktionskürzungen verursachen Kosten in Milliardenhöhe, hinzu kommen drohende Schadenersatzforderungen von Luftfahrtgesellschaften. Nach dem Rauswurf von CEO Dennis Muilenburg versucht dessen Nachfolger David Calhoun einen Neustart im Verbund mit Aufräumarbeiten. Neu aufgetauchte Softwareprobleme beim Krisenjet könnten das erschweren. Dauert die Misere bei Boeing an, wird 2020 der gegenläufige Trend im Absatz und im Neugeschäft anhalten.Für die Anleger steht bei diesem starken Kontrast fest: Airbus hui, Boeing pfui. Am Montag setzte die Airbus-Aktie ihren Höhenflug fort und markierte mit 138 Euro (+1 %) Euro ein Rekordhoch. Seit Anfang 2019 gewann das Papier über 60 % an Wert. Der Kurs von Boeing sackte seitdem um 6 % ab. Mit einer Marktkapitalisierung von 107 Mrd. Euro hat Airbus gegenüber dem Rivalen zwar deutlich aufgeholt, hinkt aber immer noch hinterher. Boeing bringt umgerechnet 165 Mrd. Euro auf die Waage.Die Frage, ob Airbus von der Krise des Konkurrenten profitiert, wird Konzernchef Guillaume Faury voraussichtlich zur Vorlage der Bilanz am 13. Februar beantworten.Wenden sich Airlines im Brot-und- Butter-Geschäft der Hersteller von Boeing ab und bestellen dauerhaft noch mehr bei Airbus? Die zahlreichen Stornierungen von 737-Maschinen im vergangenen Jahr (-183 Nettoaufträge) im Vergleich zu einem guten Neugeschäft von Airbus liefern dazu erste Indizien.Fakt ist, dass in jedem Wirtschaftszweig die Krise bedeutender Anbieter zu einem Stress in der gesamten betroffenen Branche führt. Die Luftfahrtindustrie unterscheidet sich dabei nicht von der Autobranche. Sollten also tatsächlich Großkunden Boeing den Rücken kehren und zum Wettbewerber wechseln, würde das zusätzlichen Druck auf die an ihre Kapazitätsgrenzen stoßende Airbus-Gruppe erzeugen. Nach einer holprigen Markteinführung wegen anfänglicher Probleme mit Triebwerken läuft das Geschäft mit dem modernisierten 737-Konkurrenzmodell A320neo wie geschnitten Brot. Airbus erhöht die Produktion, um mit der Nachfrage Schritt zu halten. Das Unternehmen ist für die nächsten acht Jahre voll ausgelastet. Wer neu bestellt, muss sich hinten anstellen.Zeitdruck ist die Kehrseite von Verkaufserfolgen in der Branche. Der Fall 737 Max zeigt, dass das zulasten der Qualität in der Software und in der Pilotenschulung gehen kann – mit verheerenden Folgen.Doch auch bei Airbus läuft nicht alles rund. Der Riesenjumbo A380 entpuppte sich wegen mangelnder Nachfrage als größte Fehlinvestition in der Firmengeschichte. Airbus stellt die Fertigung dieses Typs ein. Der Produktionsanlauf der Mittelstreckenlangversion A321neo ACF kämpft mit Verzögerungen. Die Zwischenbilanz des seit April 2019 amtierenden französischen Airbus-CEO fällt daher nicht ganz makellos aus. Baustellen gibt es bei den Europäern genug. Diese sind aber nicht so groß wie die von Boeing.——Während Boeing in einer Krise steckt, läuft das Geschäft von Airbus wie geschnitten Brot.——