Aktionäre kritisieren VW-Führung für Umgang mit Abgaskrise

Erneut Forderung nach Rücktritt von Aufsichtsratschef - Geringer Dividendenabstand zwischen Vorzugs- und Stammaktie moniert

Aktionäre kritisieren VW-Führung für Umgang mit Abgaskrise

ste Berlin – Aktionäre und Anlegervertreter sind in der Hauptversammlung von Volkswagen in Berlin erneut mit der bisherigen Aufarbeitung des im September 2015 aufgeflogenen Dieselabgasskandals durch den Autobauer hart ins Gericht gegangen. Ingo Speich von der Sparkassenfondsgesellschaft Deka Investment erklärte, Volkswagen sei weiter getrieben durch die Justiz. Je mehr sich der “Dieselnebel” durch Prozesse lichte, desto dünner werde die Luft für die Verantwortlichen. Speich kritisierte die “enormen Interessenkonflikte”, denen Hans Dieter Pötsch, seit Oktober 2015 Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns und zuvor langjähriger Finanzvorstand, unterliege, und forderte ihn zum Rücktritt auf. Pötsch könne die Aufklärung der Dieselabgaskrise nicht glaubwürdig vorantreiben. Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS warf dem Vorstand Organversagen seit 2006 vor. Über den Abgasbetrug nichts gewusst zu haben, wiege gleich schwer, wie nichts dagegen unternommen zu haben.Ulrich Hocker, Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), erneuerte wegen des Vorwurfs der Intransparenz die Forderung nach einer Sonderprüfung, ebenso der Corporate-Governance-Experte und Privataktionär Christian Strenger. Vorstand und Aufsichtsrat hätten auch 2018 keine angemessenen und wirksamen Maßnahmen getroffen, um den Dieselskandal überzeugend und transparent aufzuklären. Stattdessen seien nach weiteren Kosten von 3 Mrd. Euro im vergangenen Geschäftsjahr im ersten Quartal 2019 erneut 1 Mrd. Euro zulasten der Aktionäre verbucht worden. “Jetzt sind wir bei dem Faß ohne Boden bei einer neuen Höchstmarke von 30 Mrd. Euro angekommen.”Aufsichtsratschef Pötsch erklärte, mit den akzeptierten Bußgeldern von VW, Audi und Porsche zur Beendigung von Ordnungswidrigkeitenverfahren in Deutschland sei Rechtssicherheit erzielt worden. Die Belastungen seien schmerzhaft, mit der Akzeptanz der Geldbußen bekenne sich der Konzern zudem zu seiner Verantwortung im Zusammenhang mit der Dieselabgasaffäre.Aktionärsvertreter und Anleger bemängelten in der Hauptversammlung ferner mangelnde Unabhängigkeit bei Vertretern der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat. Michael Viehs vom Investmentberater Hermes sprach zudem mit Blick auf den Umstieg des Autobauers auf die Elektromobilität und auf das wichtige China-Geschäft von erheblichen Erfahrungs- und Kompetenzlücken und kritisierte die vorgeschlagene Wiederwahl der Aufsichtsratsmitglieder Hans Michel Piëch, Ferdinand Oliver Porsche und Hessa Sultan Al Jaber. Die regelmäßige Altersgrenze von 75 Jahren werde im Fall der Wahl von Piëch, wie Porsche Vertreter der beiden dominierenden Eigentümerfamilien, einfach umgangen, monierte DWS-Corporate Governance-Analyst Schmidt.Als zu gering bezeichneten mehrere Redner in der Hauptversammlung auch den Dividendenabstand zwischen Vorzugs- und Stammaktien. Die Verwaltung hatte 4,86 Euro je stimmrechtsloser Vorzugs- und 4,80 Euro je Stammaktie mit Stimmrecht vorgeschlagen. DSW-Präsident Hocker forderte 7 Euro je Vorzugsaktie und eine Ausschüttungsquote von 30 %. Dieses Ziel hat sich Volkswagen für das Geschäftsjahr 2022 vorgenommen, wie Finanzvorstand Frank Witter bekräftigte. Für das vergangene Geschäftsjahr ergab sich eine Quote von 20,4 %.Mit Blick auf den Umstieg auf die E-Mobilität kritisierten Anlegervertreter die späte Fokussierung auf alternative Antriebsformen. Ingo Speich von Deka Investment bezeichnete die CO2-Bilanz der VW-Neuwagenflotte als “eine einzige Katastrophe”, nachdem Konzernchef Herbert Diess das stark wachsende SUV-Segment als “Motor unseres Erfolgs” hervorgehoben hatte. Bei einer Präsenz von rund 55,9 % aller Stamm- und Vorzugsaktien kritisierten viele Redner zum Teil heftig die im Verlauf der Hauptversammlung verkürzte Redezeit.