Aktionärsstruktur von Inbev wackelt

Barclays: Lock-up-Periode für den 10-Prozent-Anteil von Altria an der Brauereigruppe läuft im Oktober ab - Ausgleich für Juul-Desaster

Aktionärsstruktur von Inbev wackelt

Barclays weist in einer Studie darauf hin, dass die Lock-up-Periode für das Aktienpaket von Altria an der Brauereigruppe Anheuser-Busch Inbev am 10. Oktober abläuft. Zurzeit hat die knapp 10-prozentige Beteiligung einen Wert von etwa 10,7 Mrd. Euro. Der US-Tabakkonzern könnte nach den Milliardenabschreibungen auf den E-Zigaretten-Hersteller Juul eine Erfolgsmeldung gut gebrauchen. Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDer belgische Brauereiriese Anheuser-Busch Inbev (ABI) gehört zu 9,57 % Altria. Die Beteiligung des US-Tabakkonzerns geht auf verschlungene M&A-Transaktionen zurück (siehe Kasten). Die britische Großbank Barclays weist nun in einer Studie darauf hin, dass die Lock-up-Periode für das Aktienpaket am 10. Oktober dieses Jahres abläuft – das heißt, von diesem Zeitpunkt an könnte der Anbieter von “Marlboro” und anderen Zigarettenmarken seinen Anteil an ABI (u. a. Beck’s, Budweiser, Corona, Stella Artois sowie über 600 andere Biermarken) verkaufen. Bei einem Kurs von 55,60 Euro ergäbe sich rechnerisch ein Erlös von etwa 10,7 Mrd. Euro.Die Frage ist, ob Altria einen Verkauf oder Teilverkauf ihrer ABI-Anteile erwägen wird. Das dürfte maßgeblich vom Kursniveau der ABI-Aktie abhängen. Bis Mitte Oktober sind es allerdings noch zehn Monate – an der Börse eine Ewigkeit. Insofern kann die Betrachtung, ob der Zeitpunkt für einen Verkauf angesichts des Kurses günstig erscheint, nur eine Momentaufnahme sein. Die Aktie kostet derzeit rund 56 Euro. Im Laufe des Corona-Crashs im Februar und März vergangenen Jahres war der Kurs bis auf 31 Euro gefallen; seither ging es also um 81 % bergauf. Allerdings war dieses Tief der niedrigste Stand seit 2009. Von 2015 bis 2017 lag der Kurs dagegen fast immer oberhalb von 100 Euro; das Rekordhoch liegt seit Ende 2015 bei 123 Euro. Der beste Maßstab, wo der ABI-Kurs im historischen Vergleich anzusiedeln ist, findet sich vielleicht beim Blick auf den Aktienpreis, der vor der Coronakrise zu zahlen war: rund 70 Euro. Gemessen daran wäre der Zeitpunkt zur Veräußerung von ABI-Papieren eher ungünstig. Der Bierproduzent wird von den weltweit verordneten Lockdowns belastet, da der Mehrkonsum zu Hause den Ausfall der Umsätze in Restaurants, Kneipen, Bars usw. nicht kompensiert. Doch wie gesagt: Bis Oktober kann sich noch viel am Kursniveau ändern. Holding-Abschlag vermeidenDas knapp 10-prozentige Aktienpaket von Altria an ABI trug 2019 nach Berechnungen von Barclays-Analyst Gaurav Jain durch die Returns rund 9 % zum Gewinn je Aktie bei. Das ist beachtlich, erschwert aber die Vorhersehbarkeit des Altria-Überschusses und bringt zudem an der Börse den Nachteil eines Holding-Abschlages mit sich.Zudem läuft das Kerngeschäft Altrias – entgegen landläufiger Meinung – gut: Über die vergangenen fünf Jahre sei das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) des Tabakgeschäfts im Schnitt um 7 % gewachsen. Auf Basis von Jains Gewinnschätzung für 2021 ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 9 für Altria; das ist nach Daten von Bloomberg und Barclays nahe dem 20-Jahres-Tief von 7. Das Hoch seit dem Jahr 2000 lag bei 22. Das erwartete 2021er KGV von ABI liegt gemäß Barclays bei 23.Nach Jains Berechnungen liegt der Buchgewinn von Altria bei einem vollständigen Verkauf der ABI-Anteile und einem Erlös von 14,5 Mrd. Dollar – was einem Kurs von 58,70 Euro je Aktie entspricht – bei 11 Mrd. Dollar. Das wäre ein warmer Regen für den Tabakkonzern, der Ende 2018 mit seinem Einstieg beim E-Zigaretten-Hersteller Juul viel Geld verpulverte. Für 35 % an Juul hatte Altria 12,8 Mrd. Dollar gezahlt. Nach eigener Aussage war dies die größte Investition in der Konzerngeschichte. Insgesamt wurde Juul bei dem Deal mit 38 Mrd. Dollar bewertet. 11 Mrd. Dollar Buchgewinn Das Investment erwies sich als Desaster: Es kam zu enormen Abschreibungen; laut Barclays liegt der Verlust inzwischen bei 11 Mrd. Dollar – das entspräche dem Buchgewinn, den ein Verkauf der ABI-Beteiligung womöglich brächte. Altria könnte daher, so Jain, aus steuerlichen Gründen geneigt sein, ihr ABI-Paket zu verkaufen, da dann die Verluste bei Juul mit dem Gewinn bei ABI aufgerechnet werden könnten.Die überzogene Bewertung von Juul beim Kauf des Aktienpaketes, die Milliardenabschreibungen auf die Beteiligung sowie die – letztlich gescheiterten – Gespräche über eine Wiedervereinigung mit Philip Morris International, die aus Marktsicht im September 2019 zu einem ungünstigen Zeitpunkt geführt wurden, sorgten dafür, dass Altria in den beiden vergangenen Jahren die schwächste Wertentwicklung unter den Aktien der ohnehin gebeutelten großen Tabakkonzerne vorwies. Eine Erfolgsmeldung wie die eines Milliardenerlöses durch den Verkauf des ABI-Anteils käme da gerade recht.