Alibaba macht sich börsenfein

Umbau des chinesischen Internetriesen lässt auf IPO tippen - Rasanter Gewinntrend - Strategische Zukäufe

Alibaba macht sich börsenfein

Bei Alibaba beginnt eine neue Zeitrechnung. Chinas führende E-Commerce-Adresse lässt mit einem nun in Kraft tretenden Personalrevirement, zahlreichen Restrukturierungsschritten und dem Eintritt in neue Geschäftsfelder Vorbereitungen für einen Börsengang erkennen.Von Norbert Hellmann, SchanghaiMillionen einkaufslustiger Chinesen können sich ein Leben ohne Taobao und TMall, den Ebay und Amazon nachempfundenen Internetbasars des chinesischen Online-Plattformbetreibers Alibaba, nicht mehr vorstellen. Chinesische Investmentbanker leben von der Vorstellung, dass Alibaba sich nicht mehr allzu lange zieren wird, an die Börse zu gehen. Ein solcher Schritt könnte das wahrscheinlich größte Initial Public Offering (IPO) im Internetsektor nach Facebook abgeben.Ob Alibaba noch in diesem Jahr für ein Listing in Hongkong oder möglicherweise auch an der Nasdaq in Frage kommt, steht zwar in den Sternen. Eine Serie von Restrukturierungen und strategischen Positionierungsschritten in jüngster Zeit lassen Alibaba in den Augen der Marktteilnehmer jedoch börsenfeiner wirken und heizen die Fantasie an. Ma lässt sich zurückfallenAlles dreht sich um Jack Ma (48), den milliardenschweren Gründer, Mehrheitsbesitzer und bisherigen Konzernlenker von Alibaba, der sich gemäß einem im Januar angekündigten Rollenwechsel gerade aus der aktiven Geschäftsführung zurückgezogen hat und als Chairman “nur noch” die strategischen Fäden zu ziehen gedenkt.Nun tritt mit Jonathan Lu Zhaoxi, der zuvor das konzerneigene Bezahlsystem Alipay gemanagt hat, ein eigenständiger CEO auf die Bühne. Zum gleichen Datum ist mit Maggie Wu die Position des Finanzchefs neu besetzt worden. Auch dies wird als ein Zeichen gesehen, dass sich Alibaba börsengerechtere Strukturen verpasst, zumal Wu als frühere CFO von Alibaba.com Erfahrungen bei einer bis 2012 in Hongkong notierten Tochter gesammelt hat. Was den Alibaba-Konzern angeht, wird ein IPO zwar als angestrebtes Ziel hochgehalten, die Zeitmarke jedoch nur aufreizend vage mit “binnen der nächsten fünf Jahre” abgesteckt. Es gibt allerdings einige Faktoren, die dafür sprechen, dass Alibaba Interesse hat, den Börsenauftritt nicht auf die lange Bank zu schieben.Im vergangenen Jahr wurde eine Entflechtung vom US-Internetkonzern Yahoo angestrengt, der 2005 mit 1 Mrd. Dollar eine 40%-Beteiligung an Alibaba erworben hatte und als Großaktionär in einer stetigen Konfliktbeziehung mit Ma stand. Alibaba kaufte die Hälfte des Pakets ihrer Anteile im Sommer 2012 für gut 7 Mrd. Dollar zurück. Loslösung von YahooIm Rahmen der Vereinbarungen wurde ein Anreiz geschaffen, dass Alibaba vor einem Börsengang das Gros der noch bei Yahoo verbleibenden Anteile zurückerwerben kann – und zwar bis Ende 2015. Das allein reicht, um sich auszumalen, dass ein Alibaba-IPO binnen der nächsten zwei Jahre laufen dürfte. Gleichzeitig wurde mit der Transaktion schon einmal eine erste Hausnummer für eine Bewertung gesetzt, die auf Basis der Transaktion bei ungefähr 35 Mrd. Dollar liegt. Analysten meinen, dass das Alibaba-Management weiter ein Interesse daran hat, die rasch wachsende Gesellschaft stärker unter eigene Kontrolle zu bringen. Im Bemühen, die eigenen Geschicke stärker zu bestimmen, ließ Alibaba kurz nach der Yahoo-Transaktion ihre in Hongkong notierte Tochter Alibaba.com nach einem Rückkaufangebot über rund 2,4 Mrd. Dollar an die Minderheitsaktionäre erst einmal von der Börse nehmen. GewinnrauschVia Yahoo weiß man nun auch, dass Alibaba im vierten Quartal glänzend verdient hat. Im Rahmen von regulatorischen Berichten an die US-Wertpapieraufsicht gibt Yahoo als Paketbesitzer an Alibaba nämlich wesentlich zeitnäher Auskunft über die Ertragslage als das chinesische Unternehmen selbst.So ist im vierten Quartal Alibabas Gewinn nach Steuern um 171% auf 642 Mill. Dollar gesprungen, während die Umsätze um 85% auf 1,84 Mrd. Dollar angeschwollen sind. Für das gesamte abgelaufene Jahr dürften damit die Erlöse um rund 60% auf 7,5 Mrd. Dollar gestiegen und der Gewinn von 746 Mill. auf 2,2 Mrd. Dollar fast verdreifacht worden sein.Bei Fortschreibung des Wachstums- und Gewinntempos in einem ungebrochen schwunghaften chinesischen E-Commerce-Markt, in dem Alibaba mit ihren verschiedenen Handelsplattformen auf einen extrem hohen Marktanteil von knapp 80% kommt, wäre Alibaba als Börsenwert eine ganz große Nummer im Internetsektor.Analysten veranschlagen den potenziellen Marktwert einer in diesem Jahr an die Börse gehenden Alibaba auf über 60 Mrd. Dollar und können sich eine Mittelaufnahme via IPO von mindestens 4 Mrd. Dollar vorstellen. Zum Vergleich: Facebook kam als bislang größte IPO in der Branche zum überhitzten Börsendebüt auf 104 Mrd. Dollar Marktkapitalisierung, liegt aber gegenwärtig nur noch bei knapp 66 Mrd. Dollar und nahm 16 Mrd. Dollar an frische Mitteln auf. Ambitiöse VorhabenNeues Eigenkapital zur Alimentierung einer immer breiteren Aufstellung kann Alibaba gut gebrauchen. Im Januar wurde der Aufbau eines gigantischen chinesischen Logistiknetzwerkes zur Verbesserung des Warenzustellungsverkehrs mit einem Investitionsbedarf von 16Mrd. Dollar angekündigt. Gleichzeitig arbeitet manmit Hochdruck am Aufbau einer Finanzdienstleistungssparte, die sich als ernstzunehmende Konsumkredit- und Händlerfinanzierungsadresse etablieren soll.Mit Blick auf die immer stärkere Frequentierung der Handelsplattformen via mobilem Internet zeigt sich Alibaba zudem spendierfreudig, um auf neuen Ebenen der Internetkommunikation einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ende April erwarb Alibaba für knapp 600 Mill. Dollar eine Minderheitsbeteiligung von 18% am Internetportal Sina Corp. Deren mit Twitter vergleichbarer Microblog-Dienst Sina Weibo soll als ein führendes soziales Medium in China nun enger mit dem E-Commerce-Geschäft des Konzerns verzahnt werden.Am Freitag wurde dann der neueste Coup bekannt. Alibaba kauft sich für 300 Mill. Dollar mit 28% bei Autoavi ein, einem chinesischen Anbieter von digitalen Karten- und Navigationsdiensten. Dieser dient Smartphone-Nutzern als Wegweiser für Verkaufsstellen und bildet Interieurs von Einkaufszentren ab.