Allianz ohne Klammer
Der Verwaltungsrat von Nissan hat die Allianz mit Renault bekräftigt. Carlos Ghosn wurde nach zehn Jahren einstimmig als Chairman abgesetzt und damit die personelle Klammer für den Konzernverbund entfernt. Unerwartet verzichtete das Gremium darauf, einen Übergangsvorsitzenden zu ernennen.mf Yokohama – Der Machtkampf in der französisch-japanischen Autoallianz geht in die nächste Runde. Der Verwaltungsrat von Nissan hat einerseits das Bündnis mit Renault bekräftigt. Die Allianz bestehe “unverändert” und man wolle den Einfluss der Krise “auf das Tagesgeschäft minimieren”. Andererseits wurde Carlos Ghosn wie erwartet wegen “bestätigter schwerwiegender Vergehen” nach zehn Jahren als Vorsitzender abgesetzt. Damit wurde die personelle Klammer für den Konzernverbund entfernt.Entgegen den Erwartungen fiel die Entscheidung des Verwaltungsrates nach vierstündiger Beratung einstimmig. Die zwei französischen Direktoren – ehemalige Renault-Manager, die per Video zugeschaltet wurden – unterstützten den Beschluss. Allerdings behält Ghosn seinen Verwaltungsratssitz so lange, bis die Aktionäre über seine Entlassung entscheiden.Der Automanager sitzt seit Montag wegen angeblicher Verstöße gegen Finanzmarktregeln in Tokio in Untersuchungshaft. Nissan wirft ihm die Veruntreuung von Firmenvermögen vor.Ebenso unerwartet verzichtete das Gremium darauf, einen Übergangsvorsitzenden zu ernennen. Stattdessen bilden die drei unabhängigen Direktoren einen Ausschuss, der den neuen Chairman bestimmen soll. Vor der Sitzung hatten japanische Medien berichtet, Nissan-CEO Hiroto Saikawa werde der Interimsnachfolger von Ghosn. Doch erstens ist dies nicht notwendig, weil Saikawa ohnehin der einzige verbleibende von drei geschäftsführenden Direktoren im Gremium ist. Auch Greg Kelly als angeblicher Helfershelfer von Ghosn wurde nämlich aus diesem Amt entfernt. Zweitens wollte Nissan womöglich vermeiden, den Gerüchten einer Palastrebellion gegen Ghosn Nahrung zu geben. Die französische Zeitung “Les Echos” hatte Saikawa einen “Brutus” genannt, der König Ghosn ermordet habe.Der 65-jährige Manager, ein Wirtschaftsabsolvent der elitären Universität Tokio, ist ein langjähriger Wegbegleiter des Franzosen – zunächst auf dem schwierigen Posten des Einkaufschefs in der Sanierungsphase ab 2001 und als Leiter der Nordamerika-Operation ab 2007. Im April 2013 wurde Saikawa zum Chief Competitive Officer befördert und verantwortete die Autoproduktion. Im Oktober 2016 stieg er durch den Zukauf von Mitsubishi Motors zum Co-CEO neben Ghosn auf. Ab April 2017 war er alleiniger Chef. Daher galt Saikawa eigentlich als Ghosn-Loyalist.Jedoch liegt ihm auch Nissan am Herzen. Als Mitglied des Renault-Verwaltungsrats flog Saikawa im Jahr 2015 fast jeden Monat nach Paris und kämpfte im Renault-Verwaltungsrat gegen den damaligen Plan der französischen Regierung, ihre Stimmrechte zu verdoppeln. Damals drohte er damit, den Nissan-Anteil von 15 % an Renault zu vergrößern. Letztlich gab der damalige Wirtschaftsminister und heutige Präsident Emmanuel Macron nach.Auch eine Fusion lehnt Saikawa ab. Als Ghosn im Frühjahr gegenüber der Zeitung “Nikkei” keine Option im künftigen Verhältnis von Nissan und Renault ausschloss, machte Saikawa deutlich, dass er die Eigenständigkeit von Nissan in der Allianz erhalten wolle. Das hätte die Glaubwürdigkeit von Nissan unterminiert, wurde Saikawa darauf nach Informationen von Bloomberg von Ghosn heftig kritisiert.