DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: ALEXANDER DEXNE

"Alstria kann sich die Dividende leisten"

Der Finanzchef des Bürovermieters über die Folgen der Coronakrise für die Büronachfrage, über Expansionsziele und die Liquidität vor der Hauptversammlung

"Alstria kann sich die Dividende leisten"

Herr Dexne, wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Bürolandschaft aus?Diese Frage bewegt die Arbeitswelt derzeit stark. In Gesprächen mit unseren Anlegern, die überwiegend aus dem angelsächsischen Raum kommen, wird deutlich, dass die Lage in London und in New York, was die Büronutzung angeht, aktuell noch deutlich angespannter ist als in den großen deutschen Bürozentren. Woran liegt das?Die Strukturen dort sind andere. Es befinden sich viel mehr Büros in Hochhäusern, aus zahlreichen Pendlerzügen drängen viele Beschäftigte zu bestimmten Zeiten in die Fahrstühle, um zu ihren Büros zu gelangen. Das geht derzeit nicht wie vor der Pandemie. Allein dieser Umstand führt zu einer anderen Wahrnehmung der Krise und zu einer anderen Erwartung an das künftige Arbeitsumfeld als bei uns. Sind Sie froh, dass sich Alstria nur auf den deutschen Markt ausrichtet?In vielen klassischen Bürogebäuden hierzulande kann man noch zu Fuß in die oberen Stockwerke gelangen, weil es häufig nur fünf oder sechs Etagen gibt. Wenn man von den Frankfurter Bürotürmen absieht, kann man die meisten Büros in Deutschland vergleichsweise leicht erreichen. Wie ist Alstria mit den coronabedingten Einschränkungen umgegangen?Alle rund 180 Mitarbeiter in der Hamburger Zentrale und an den Standorten in Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und Berlin sind in der Lockdown-Phase ins Homeoffice gegangen. Der Schwenk war relativ unproblematisch, da wir vor der Pandemie bereits einen hohen Digitalisierungsgrad erreicht hatten. Wie sieht es derzeit aus?Wir befinden uns derzeit in einer Übergangsphase, in der wir uns neu organisieren. Anfang Oktober wollen wir zu einem Normalmodus übergehen, der allerdings etwas anders aussieht als vor der Pandemie. Unsere Mitarbeiter verfügen künftig über Homeoffice-Kontingente von 60 Tagen im Jahr, die sie je nach Bedarf nutzen können. Corona ist eindeutig ein Fortschrittsbeschleuniger, was den Wandel hin zu mehr “work from home” angeht. Auch in anderen Bereichen wie im stationären Einzelhandel oder bei Geschäftsreisen forciert diese Krise den Strukturwandel. Sie halten als Bürovermieter die stärkere Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice für eine gute Entwicklung?Das Homeoffice stärker in das Arbeitsleben einzubinden, ist, was unsere Gesellschaft angeht, zu begrüßen. Mitarbeiter von Unternehmen oder Behörden entscheiden eigenständiger über ihren Tagesablauf, sie verbringen weniger Zeit in Staus oder in vollen Bussen und Bahnen, der Verkehr wird entlastet. Viele Herausforderungen, mit denen Großstädte zu kämpfen haben, werden mit einer zumindest teilweisen Verlagerung des Arbeitsplatzes in die eigene Wohnung oder in das eigene Haus adressiert. Wenn nun viele Unternehmen ankündigen, künftig stärker auf Homeoffice zu setzen und dadurch Teile der Bürofläche nicht mehr zu benötigen: Ist das eine Momentaufnahme oder wird sich die Büronachfrage nachhaltig verändern?Die Frage lässt derzeit schwer beantworten. Wozu führt die Pandemie? Sie erzeugt ein erhöhtes Hygienebewusstsein, sie sorgt für eine Abneigung gegen die Nutzung von Pendlerzügen und Aufzügen in Gebäuden, aber auch gegen eine hohe Belegung von Büros. Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern einen eigenen Schreibtisch zugestehen, Mitarbeiter aber teilweise drei Tage pro Woche zuhause bleiben, sparen diese Unternehmen noch keine Büroflächen ein. Um Flächen zu reduzieren, ist Desk-Sharing notwendig. Dies ist aber in der aktuellen Situation nicht vermittelbar, und es ist anzunehmen, dass nach den Pandemie-Erfahrungen die Arbeit im heimischen Büro langfristig für viele Institutionen eine attraktive Option ist. Der Trend zum Homeoffice wird ceteris paribus eine negative Auswirkung auf die Büronachfrage haben. Es gibt aber auch überlagernde Effekte. Welche sind das?Wenn beispielsweise für drei Tage Wochenbürozeit Flächen benötigt werden, die erhöhte Anforderungen an die Anmutung und an die Nutzerqualität erfüllen, dann ist nicht gesagt, dass der Flächenbedarf deutlich sinken wird. Das Innenstadtbüro wird im Saldo ein Gewinner der Pandemiezeit sein verglichen mit dem Vorstadtbüro. Inwieweit werden sich infolge der Pandemie die Anforderungen an Büros ändern?Der schon vor Corona sichtbare Trend hin zu mehr Kommunikations- und Austauschflächen, zu Besprechungsräumen wird sich fortsetzen. Das Büro ist ein Ort der Zusammenkunft. Wenn man den Input von Kollegen gebrauchen kann, wenn man Prozesse aus unterschiedlichen Perspektiven überdenken muss, wenn man gemeinsam an Problemlösungen arbeiten muss, dann muss man im Büro zusammenkommen. Faktisch basierte Sachbearbeitung lässt sich hingegen gut von zuhause erledigen. Hinzu kommt, dass ein Bedarf zur Veränderung von traditionellen Bürowelten zu modernen Strukturen besteht. Für uns als Anbieter liegt hier eine große Chance, immer wieder ein gutes Produkt anzubieten, das zukunftsfähig ist und von den Mietern nachgefragt wird. Neben dem coronabedingten Schwenk zum Homeoffice liegen Risiken für Büroanbieter auch im konjunkturellen Einbruch. Was wiegt für Sie schwerer?Ein konjunktureller Einbruch kann schon kurzfristig zu einem rapiden Rückgang der Büronachfrage führen. Insofern betrachte ich die aktuellen Wirtschaftsdaten mit einiger Sorge. In den kommenden 18 bis 24 Monaten könnten wir es in Deutschland mit einem kräftigen konjunkturellen Einbruch zu tun bekommen. Das würde Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen und damit auch in der Büronachfrage. Momentan lässt sich das schwer abschätzen.Ja, die Visibilität ist, was Konjunktur und Arbeitsmarkt angeht, gering. Von einem konjunkturellen Einbruch muss man aber in einer zyklischen Branche wie dem Bürosektor auch alle sieben bis zehn Jahre ausgehen und sich darauf einstellen. Alstria ist in guter Verfassung. Wir haben eine starke Bilanz, die Leerstandsquote in unserem Immobilienportfolio ist historisch niedrig. Nochmals gefragt: Die Rezession ist für Alstria gefährlicher als der Trend zum Homeoffice?Der Trend zum Homeoffice ist aus meiner Sicht für die Bürobranche nicht disruptiv. Im Bürobestand gehen in Deutschland jedes Jahr 2 bis 3 % aus dem Markt, diese Büros müssen renoviert werden. Investoren müssen insofern ohnehin ständig hinterfragen, ob die Nutzung der Büros noch adäquat ist oder ob nicht der Weg in Richtung Wohnen, gemischte Nutzung, studentisches Wohnen, Co-Working oder Co-Living besser wäre. Unter dem Strich gehen von einem konjunkturellen Einbruch, der schnell und heftig kommt, für die Bürobranche größere Risiken aus als vom gegenwärtigen Trend zum Homeoffice. Nun ist auch mit Blick auf 2021 eine größere Welle an Unternehmensinsolvenzen nicht auszuschließen. Stellen Sie sich auf höhere Mietausfälle in den kommenden Quartalen ein?Wir sind bislang relativ glimpflich durch die Coronakrise gekommen. Das liegt auch daran, dass der Einzelhandels- und Hotelanteil in unserem Immobilienportfolio mit zusammen weniger als 5 % sehr niedrig ist. Einem Teil unser Einzelhandelsmieter haben wir in den Lockdown-Monaten die Miete erlassen. Mittlerweile kehrt das Leben aber in die Innenstädte zurück. Wir sind wieder bei über 99 % der Mieteinnahmen angelangt, die wir realisieren können. Wenn einer unserer Mieter Insolvenz beantragen müsste und die Miete nicht mehr zahlen könnte, dann müssen wir damit umgehen. Darauf können wir uns insofern einstellen, als wir unsere Liquidität beisammenhalten. Wie hoch ist diese?Alstria verfügt derzeit über 400 Mill. Euro an überschüssiger Liquidität. Diese Liquidität werden wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Wie passt diese Aussage damit zusammen, dass Sie Ihren Aktionären zur Hauptversammlung am 29. September wie ursprünglich vorgesehen eine Dividende von 0,52 Euro je Aktie plus 1 Cent für grüne Projekte vorschlagen, nachdem der Vorschlag zwischenzeitlich zurückgenommen wurde?Als wir den Dividendenvorschlag zurückgezogen haben, standen wir am Anfang der Pandemie. Es erschien uns damals vernünftig, den Vorschlag zurückzunehmen, um die Liquidität zu schonen und zunächst abzuwarten, inwieweit wir von den Folgen der Pandemie betroffen sein werden. Inzwischen wissen wir, dass uns die Pandemie nur in geringem Ausmaß beeinträchtigt hat. Das heißt, Alstria kann sich die Dividende leisten und guten Gewissens an die Aktionäre ausschütten. Erstmals schlagen Sie einen Teil der Dividende für grüne Projekte vor. Warum?Viele unsere Anleger wollen wissen, welche Rolle Nachhaltigkeit bei uns spielt und welchen Beitrag wir leisten, um die Klimaziele zu erreichen. Wir wiederum würden gerne erfahren, auf welchen Teil der Rendite die Anleger in diesem Zusammenhang zu verzichten bereit wären. Darüber treten wir in den Dialog ein und geben die Frage an unsere Anleger weiter. Wir haben Projekte identifiziert, die wir umsetzen könnten, aber nicht müssen. Wenn die Anleger wollen, dass wir diese grünen Projekte umsetzen, dann lassen sie den vorgeschlagenen 1 Cent je Aktie im Unternehmen. Wenn die Anleger das ablehnen, erhalten sie diesen 1 Cent als Dividende ausgezahlt. Haben Sie eine Erwartung, wie die Anleger abstimmen werden?Nein, aber ich bin sehr gespannt. Die Anleger sehen Alstria im Zuge der Coronakrise skeptisch: Die Aktie hat im bisherigen Jahresverlauf rund ein Viertel an Wert verloren. Die Unsicherheit mit Blick auf den Konjunkturverlauf wiegt schwerer als die bislang gezeigte Resilienz Ihres Unternehmens?Ja. Die Frage, wie sich mittelfristig die Konjunktur und die Nachfrage nach Büroflächen entwickeln, geht gegenwärtig mit erheblicher Unsicherheit einher. Das bewegt auch die Anleger und schlägt sich im Aktienkurs nieder. Wie sieht die Branchendiversifizierung in Ihrem Immobilienportfolio aktuell aus?Gut ein Drittel der Mieter repräsentiert die öffentliche Hand, der Rest setzt sich aus verschiedenen Branchen zusammen. Wir haben keine großen Klumpenrisiken in unserem Immobilienportfolio. Anpassungsbedarf besteht nicht. Müssen Sie davon ausgehen, dass es infolge der Coronakrise auf breiter Ebene Veränderungen in der Gestaltung von Mietverträgen kommen wird, dass es zu mehr Flexibilität in den Mietvereinbarungen kommen wird?Das ist eigentlich das, was man jetzt erwarten würde. Damit rechne ich aber schon seit zehn Jahren. Produktlebenszyklen werden kürzer, Technologien werden schneller obsolet. Man weiß heute nicht, wie viel Büros übermorgen benötigt werden. Insofern braucht man Flexibilität. Tatsache ist aber auch: Wann immer wir flexible Mietverträge angeboten haben, wo man flexibel ab- und zumieten konnte, wurde das nie von den Mietern wahrgenommen. Natürlich wollen wir diese Flexibilität in den Verträgen auch preislich berücksichtigt wissen. Wenn man eine zusätzliche Option hat, muss sich das auch im Mietzins oder in der Struktur des Mietvertrages reflektieren. Wie groß der Anteil kurz- und langfristiger Mietverträge und wie könnte sich das verändern?Aktuell liegt die durchschnittliche Mietlaufzeit im Portfolio bei etwas über sechs Jahren. Der Standardmietvertrag im gewerblichen Bereich läuft in Deutschland üblicherweise fünf Jahre, hinzu kommt eine Option auf Verlängerung um weitere fünf Jahre. Ich würde erwarten, dass es dabei bleibt. Wie weit ist die in den vergangenen Jahren betriebene Portfoliooptimierung durch Verkauf von Nichtkernbeständen?Der Prozess ist relativ weit vorangeschritten. Bei einer aktuellen Portfoliogröße von 4,4 Mrd. Euro zum Bewertungsstichtag am 30. Juni kommen wir auf Immobilien mit einem Wert von rund 200 Mill. Euro, die wir nicht zum Kernportfolio zählen und bei denen wir eine Optimierung anstreben. Wir haben uns vor allem von Standorten getrennt, die außerhalb unserer Kernregionen lagen. Wir haben zudem Assetklassen ohne Bezug zum Bürosektor aufgegeben, etwa Gebäude mit einem Hotelfokus. Mit der Übernahme der Deutschen Office im Jahr 2015 bekamen wir drei Pflegeheime in unser Portfolio, von denen wir uns sukzessive getrennt haben. Ihr langfristiges Ziel sieht vor, den Portfoliowert in den Kernmärkten auf 6 Mrd. Euro zu steigern. Inwiefern tangiert die Coronakrise diese Vorgabe?Die Transaktionspreise deuten darauf hin, dass die Preise in unseren Kernmärkten stabil geblieben, wenn nicht sogar gestiegen sind. Das ist, wenn man sich die wirtschaftlichen Rahmendaten vergegenwärtigt, skurril. Die Konjunktur schrumpft in diesem Jahr um 6 %, zugleich steigen die Preise für Büroimmobilien in guten Lagen und bei guten Mietverträgen. Das liegt zum Teil an der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken. Es gibt kaum Anlagealternativen mit nennenswerten positiven Renditen, sodass die großen Kapitalsammelstellen in Immobilien investieren. Das heißt für uns, dass wir im direkten Immobilienmarkt nicht wirklich zum Zuge kommen. Wir halten das Preisniveau für zu hoch. Wenn Sie signifikant wachsen wollen, müssen Sie also wieder im M&A-Bereich tätig werden.Ja. Das, was wir im Direktmarkt hinzukaufen oder verkaufen können, steht unter dem Stichwort Arrondierung oder Portfoliooptimierung. Ein signifikantes Wachstum wird man letztlich nur über M&A-Transaktionen realisieren. Um hier erfolgreich zu sein, braucht es Bewertungsdifferenzen zwischen unterschiedlichen börsennotierten Marktteilnehmern. So lässt sich eine Arbitrage aus diesen Bewertungsdifferenzen realisieren. Die letzte M&A-Transaktion war die Übernahme der Deutschen Office 2015.Ja. Im Direktmarkt haben wir in den vergangenen Jahren Immobilien zwischen 50 und 100 Mill. Euro pro Jahr dazugekauft. In dieser Größenordnung sind wir mit unserer Liquidität immer in der Lage, Objekte im Markt zu finden. Bis wann wollen Sie das 6-Mrd.-Euro-Ziel erreicht haben?Ein Ziel im Sinne einer zeitlichen Linie haben wir uns nicht gesetzt. Sie setzen im gegenwärtigen konjunkturellen Umfeld auf eine geringe Fremdfinanzierung und eine starke Bilanz. Die Nettoverschuldungsquote lag Ende vergangenen Jahres mit 27,1 % auf dem bislang niedrigsten Niveau. Wo liegen denn die Grenzen bei einer M&A-Transaktion?Das langfristige Ziel lautet, dass wir über den Zyklus hinweg bei der Verschuldungsquote unter 35 % bleiben wollen. Derzeit könnten wir den Verschuldungsgrad ein Stück weit erhöhen, sollten es die Opportunitäten erfordern. Unsere Bilanz hat Spielraum. Aber gerade wenn es konjunkturell unsicher ist, sollte man in der Bilanz Spielräume und Zugang zu zusätzlicher Liquidität haben. Im Juni haben Sie eine sechsjährige Anleihe über 350 Mill. Euro begeben. Darauf gründet Ihre aktuelle Liquidität?Ja, das ist die wesentliche Quelle unserer Akquisitionskasse von rund 400 Mill. Euro, hinzu kommt der in diesem Jahr generierte Cash-flow. Wir halten nach Akquisitionsobjekten Ausschau. Bis wann wollen Sie denn das Geld ausgeben?Wir haben uns einen Zeitrahmen von zwei Jahren gesetzt. Zunächst gilt es, die Preisentwicklung zu beobachten. Ob das in den vergangenen Monaten gestiegene Preisniveau haltbar ist und eine dauerhafte Richtung vorgibt, ist aus meiner Sicht fraglich. Wir wollen aber flexibel sein und die Liquidität an Bord haben, um passende Opportunitäten nutzen zu können. Wie beurteilen Sie den Geschäftsverlauf im dritten Quartal?Der Geschäftsverlauf im dritten Quartal ist planmäßig. Bei den Mieteinnahmen liegen wir wieder dicht an der 100-Prozent-Marke. Der Wert Ihres Immobilienportfolios ist im ersten Halbjahr um 88 Mill. Euro gesunken. Wie beurteilen Sie den Trend?Die Wertverluste, die wir gesehen haben, basieren in erster Linie auf den Anteilen des Hotel- und Einzelhandelsgewerbes im Immobilienportfolio. Mit Blick auf das Jahresende erwarte ich nach einer Stabilisierung der Werte aus heutiger Sicht nicht, dass es zu einer weiteren Abwärtsbewegung in der Bewertung kommen wird. Gibt es Anlass, die bisherigen Finanzziele für 2020 zu korrigieren?Nein. Das Interview führte Carsten Steevens.