Amprion sieht deutsches Stromnetz am Limit

"In diesem Winter haben wir alle gezittert" - Grenzbelastung noch weitere fünf bis sieben Jahre

Amprion sieht deutsches Stromnetz am Limit

ge Berlin – Im vergangenen Winter hatte das deutsche Stromnetz seine Belastungsgrenze erreicht. “Wir waren am Limit”, blickt Klaus Kleinekorte zurück, der technische Geschäftsführer des Übertragungsnetzbetreibers Amprion. Zugleich betonte er, dass diese Grenzerfahrung nicht nur für die ehemalige RWE-Tochter galt, sondern für das gesamte deutsche Hochspannungsnetz von Nord- bis Süddeutschland. “In diesem Winter haben wir alle gezittert.” Das Netz müsse massiv ausgebaut werden, soll ein flächendeckender Blackout in Zukunft vermieden werden.Zwar sei der vergangenen Winter durch drei “schwarze Schwäne” gekennzeichnet gewesen. Doch auch ohne diese seltenen Sondereffekte hat Geschäftsführerkollege Hans-Jürgen Brick die Sorge, dass sich die Netzengpässe mit dem anstehenden sukzessiven Abschalten von Atomkraftwerken wiederholen könnten. Während mit dem Atom-Aus immer mehr sichere Grundlast vom Netz geht, hinke der Ausbau der wichtigen Stromautobahnen von Nord- nach Süddeutschland um Jahre hinterher. Zeitlich werde diese chronische Grenzbelastung “uns sicherlich die nächsten fünf bis sieben Jahre begleiten”, warnte Kleinekorte bei der Präsentation der 2016er Zahlen. “Mit dem Wegfall der Kernkraftwerke im Süden Deutschlands wird der hohe Transportbedarf zur Regel werden.”Verschärft hatten die ohnehin angespannte Lage nicht nur der Ausfall einiger AKWs in Frankreich und Belgien, sondern zudem die extrem niedrigen Füllstände von Speicherseen in den Alpen, weswegen große Strommengen gen Westen und Süden abflossen. Da zudem hierzulande zeitweise “Dunkelflaute” herrschte, also wegen des bedeckten Himmels weder Solarmodule Strom lieferten noch sich Windräder drehten, kam das System an seine Grenzen. In den drei Monaten Dezember bis Ende Februar gab es im Amprion-Netz im Wesentlich nur während der Feiertage zwischen Weihnachten und dem 6. Januar sowie Anfang Februar keine extrem hohen Belastungen im Netz, zeigt eine Darstellung des Unternehmens. Redispatch explodiertDie Engpässe zwangen Amprion in der Folge, im Norden erneuerbare Energien (gegen Entschädigung) abzureglen und im Süden teure Ersatzleistung hinzuzukaufen. Die Kosten für dieses sogenannte Redispatch schnellten von letztjährigen 1,5 Mill. Euro auf gut 20 Mill. hoch, listete Brick weiter auf.Für dieses Jahr erwartet der kaufmännische Geschäftsführer einen erneut leicht geringeren Gewinn von etwa 150 Mill. Euro. Umgekehrt sollen die Investitionen weiter auf etwa 660 Mill. Euro hochgeschraubt werden, um Netzengpässe zu beseitigen. Bis Ende 2026 sind zusätzliche Investitionen von rund 5 Mrd. Euro geplant. Durch das Amprion-Netz fließt zwischen Niedersachsen und der österreichischen Grenze knapp ein Drittel des in Deutschland erzeugten Stroms. Rating-Abstufung drohtEin Ärgernis erster Güte ist für die Dortmunder der von der Bundesnetzagentur deutlich herabgesetzte Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen. Wie fast alle anderen Netzbetreiber auch hat Amprion dagegen Beschwerde eingelegt. Langfristig befürchtet Brick durch die geringere Verzinsung eine Abstufung des momentanen Ratings von “A3” durch Moody’s und “A-” durch Fitch mit stabilem Ausblick. Sollte die Netzagentur ihren scharfen Kurs beibehalten, geht der kaufmännische Geschäftsführer davon aus, dass dies als Aufforderung an Finanzinvestoren verstanden werden könnte, “sich über ihr weiteres Engagement bei Netzbetreibern Gedanken zu machen”.