IM INTERVIEW: SAKI STIMONIARIS

"Anders wird es nicht gehen"

Der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats von Traton und MAN nennt Bedingungen für einen Abbau von Arbeitsplätzen

"Anders wird es nicht gehen"

Eine schwache Nachfrage wie in der gesamten Lkw-Branche, ein Verlust im ersten Quartal, Unruhe wegen eines geplanten Stellenabbaus und die Coronakrise: Die Mitarbeiter von MAN sind besorgt. Vor zwei Wochen überraschte dann auch noch die Nachricht vom Führungswechsel an der Spitze von MAN und der Holding Traton. Herr Stimoniaris, die Umsatzrendite von MAN ist deutlich niedriger als die von Scania. Im ersten Quartal war sie sogar negativ. Was muss MAN tun?Beide Marken gegenüberzustellen, ist, als würde man Äpfel und Birnen vergleichen. Mit der schweren Lkw-Reihe lässt sich am meisten verdienen. Scania hat nur die schwere Lkw-Reihe und Bus im Angebot, bei MAN haben wir die leichte, mittlere und schwere sowie den Bus im Portfolio. Das ist auch gut so. Wäre es nicht besser, MAN würde das Geschäft auch konzentrieren?Nein. Wir können es schaffen, mit dem gesamten Produktangebot wirtschaftlich gut dazustehen. Außerdem muss man in erster Linie die Arbeitsplätze sehen und nicht nur den Profit. Trotzdem muss MAN ja Geld verdienen, um sich Investitionen in die Zukunft leisten zu können.Klar, wir müssen uns jeden Tag verbessern. Das tun wir, auch wenn es mit Corona noch schwieriger geworden ist. Trotzdem gelingt die Veränderung nur mit den Arbeitnehmern und nicht ohne uns. Wenn man es richtig macht, kann man in allen Segmenten Geld verdienen. Was müsste sich also ändern?Der bisher einzige Vorschlag des Vorstands ist der Abbau von Arbeitsplätzen. Mehr ist noch nicht gekommen. Und mit Verhandlungen haben wir noch gar nicht angefangen, weil wir erst klären wollen, dass drei wichtige Rahmenbedingungen stimmen. Welche?Erstens: Die Standort- und Beschäftigungsgarantie muss auch in schlechten Zeiten gültig bleiben. Damit sind bis Ende 2030 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Gleichzeitig sind erhebliche Investitionen vereinbart worden, das muss gelten. Zweitens haben wir gesagt, dass wir für die Umstrukturierung zusätzliches Geld brauchen, beispielsweise um die Altersteilzeit ausweiten zu können – ohne dass dies zulasten der Investitionen geht. Und drittens?Wir brauchen Traton als Holding, die uns eint, und nicht als eine, die Marken aufgibt. Das erwarten wir von Traton. Wenn diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, wären Sie nicht mehr gegen einen Stellenabbau?Betriebsbedingte Kündigungen müssen ausgeschlossen sein. Es spricht nichts dagegen, dass Kolleginnen und Kollegen in Altersteilzeit gehen können und wir so einen sozialverträglichen Weg gehen. Die Arbeitnehmer dürfen aber nicht den Preis für einen höheren Profit zahlen. Sie pochen auf eine doppelte Freiwilligkeit – des Arbeitgebers und des Beschäftigten?Genau. Dann kann man darüber reden. Und es muss eine Vision geben: Wo steht die Belegschaft 2030, wo die Marke MAN und mit welchen Produkten. Angeblich plante oder plant der Vorstand 6 000 der 37 000 Stammarbeitsplätze zu streichen.Die Zahl stimmt. Laut Unternehmen sollen all diese Arbeitsplätze in Deutschland und Österreich wegfallen. Das wäre mit Altersteilzeit allein nicht möglich. Oder?Für einen sozialverträglichen Abbau gibt es noch andere Instrumente. Welche?Dazu will ich noch nichts sagen. Wir haben mit den Verhandlungen noch nicht begonnen und warten erst einmal auf konkrete Vorschläge der Arbeitgeberseite. Entscheidend ist letztlich die Laufzeit des Umstrukturierungsprogramms. Das müssen mehrere Jahre sein. Anders wird es nicht gehen, um betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Wie könnte MAN auch auf andere Weise die Kosten senken?Aus meiner Sicht brauchen wir nicht für jedes Thema eine Beraterfirma. Wir haben das Wissen doch im Unternehmen. Damit ließen sich Millionen einsparen. Und wir müssen alle Strukturen hinterfragen. Was meinen Sie damit?Ich meine die Struktur vom Vorstand. Über das Management hinweg muss alles hinterfragt werden. MAN Truck & Bus hat sieben Vorstände. Als Aufsichtsrat haben Sie dafür gestimmt.Ja, aber die Zeiten ändern sich. Ich habe es schon gesagt: Es braucht eine Vision. Die Vorstände müssen mutige Schritte machen. Und das mit und nicht ohne uns. Zurück zu den Synergien von MAN und Scania. Der bisherige Vorstandsvorsitzende von Traton, Andreas Renschler, hätte gern mehr Synergien gehoben.Die gibt es doch, zum Beispiel im Einkauf, beim Motor, Getriebe und den Achsen. Schon vor der Gründung von Traton gab es da Veränderungen. Dabei spielten die Arbeitnehmer eine tragende Rolle. Zumindest am Anfang lief das nur schleppend, wie zu hören war. MAN und Scania haben stolze Mitarbeiter.Stolze Arbeitnehmer zu haben ist doch etwas Wertvolles. Und es spricht nichts dagegen, mehr Synergien zu heben. Aber so, dass die Arbeitsplätze erhalten werden. Nochmals: Das geht nur mit und nicht ohne die Menschen. Das ist VW. Sicher, VW möchte Geld verdienen, weiß aber, dass man das nicht gegen die Menschen machen kann. Gunnar Kilian steht dazu, auch Matthias Gründler. Herr Kilian, der Personalvorstand von VW, ist jetzt für Traton verantwortlich. Im Gegensatz zu Andreas Renschler ist Herr Gründler nur Vorstandschef von Traton und nicht Mitglied im Konzernvorstand von Volkswagen. Heißt das, VW zieht das Lkw-Geschäft enger an sich?Ich finde es toll, dass VW sich mit Gunnar Kilian mehr um Traton kümmert. Matthias Gründler kann sich so ganz auf das Nutzfahrzeuggeschäft konzentrieren und ist immer in München oder bei Scania in Södertälje, wo er gebraucht wird. Das Interview führte Joachim Herr.