Trotz robuster Ergebnisse

Anleger fürchten Abwärtsspirale bei Uber und Lyft

Der Fahrdienst Uber ist nach dem US-Rechnungslegungsstandard GAAP erstmals profitabel, Konkurrent Lyft dämmt die Verluste ein. Doch während Analysten über längere Gewinnserien der Unternehmen spekulieren, fürchten Anleger negative Effekte eines neuerlichen Preiskampfs im Segment.

Anleger fürchten Abwärtsspirale bei Uber und Lyft

Strategieschwenk der US-Fahrdienste

Analysten erwarten rationaleren Wettbewerb zwischen Uber und Lyft – Anleger zweifeln an stetiger Profitabilität der Anbieter

xaw New York

Der Wettbewerb am Fahrdienstmarkt hat sich in den vergangenen Monaten einschneidend gewandelt. Die Zeiten, in denen die US-Branchenführer Uber und Lyft um jeden Preis und mithilfe großvolumiger Finanzspritzen von Venture-Investoren nach Marktanteilen trachteten, neigen sich laut Analysten dem Ende zu. Stattdessen herrsche inzwischen ein rationalerer Wettbewerb, der Möglichkeiten zu einem profitablen Wachstum eröffne.

Diese These untermauern auch die jüngsten Quartalszahlen: Uber vermeldete für den Zeitraum zwischen April und Juni in der vergangenen Woche den ersten operativen Gewinn nach dem US-Rechnungslegungsstandard GAAP seit dem Börsengang im Mai 2019, der freie Cashflow knackte erstmals in der Firmengeschichte die Marke von 1 Mrd. Dollar. Den ersten bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen erzielte das Unternehmen bereits im dritten Jahresviertel 2021. Auch ein positives Nettoergebnis konnte Uber im Schlussquartal 2022 schon vorweisen, dieses kam allerdings durch nicht realisierte Gewinne aus Aktieninvestments zustande.

Lyft strebt Profitabilität an

Lyft macht auf dem Weg in Richtung Profitabilität ebenfalls Fortschritte: Im zweiten Quartal dämmte die Nummer zwei im US-Fahrdienstmarkt den Nettoverlust gemäß Veröffentlichung vom Dienstag auf 114,3 Mill. Dollar ein, nachdem im Vorjahr noch ein Fehlbetrag von 377,2 Mill. Dollar zu Buche gestanden hatte. Auch das bereinigte Ebitda sowie der Umsatz- und Gewinnausblick für das laufende Quartal fielen besser aus als an der Wall Street erwartet. Bis Ende des Jahres will Lyft profitabel werden.

Unter Analysten laufen nun die Debatten darüber heiß, wie stetig die Fahrdienste wirklich GAAP-Gewinne erreichen können. Der Vermögensverwalter Alliance Bernstein rechnet damit, dass zumindest Uber schon im kommenden Jahr mehrere profitable Quartale aneinanderreihen könne. An den Finanzmärkten findet dies Beachtung, weil eine Gewinnserie von vier Vierteljahren Voraussetzung für eine Aufnahme in den marktbreiten S&P 500 ist – und sich die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der US-Aktienbenchmark üblicherweise extrem positiv auf den Aktienkurs auswirkt. Doch noch zweifeln die Anleger in der Breite offenbar daran, dass der Wettbewerb zwischen den Anbietern dauerhaft von rationalen Kostenkalkulationen und strenger Profitorientierung geprägt sein wird.

Sorge vor Preiskampf

Dass die Aktien sowohl von Uber als auch von Lyft unmittelbar nach den jüngsten Zahlenvorlagen scharf zurücksetzten, führen Beobachter auf die Furcht vor einem harten Preiskampf zurück. Lyft-CEO David Risher, der den Vorstandsvorsitz im April von Unternehmens-Mitgründer Logan Green übernahm, hat seither hunderte Stellen gestrichen und die eingesparten Mittel vor allem genutzt, um die Preise zu senken. Zuvor war der zweitgrößte US-Fahrdienst teurer geworden als Uber, weil er nach dem Ende der Corona-Lockdowns in den Vereinigten Staaten langsamer auf eine geringere Zahl an verfügbaren Fahrern reagiert hatte.

Nach den Preisreduktionen im laufenden Jahr räumte aber auch Uber-CEO Dara Khosrowshahi im Rahmen eines Investorencalls zuletzt ein, dass Lyft wieder “effektiver” mit dem Branchenprimus konkurriere. Auch die Analysten der Investmentbank BTIG sprechen von einer “verbesserten Wettbewerbsposition”. Und laut dem Marktforscher Yipitdata hat Lyft infolge der Preissenkungen zuletzt Marktanteile von Uber zurückgewonnen.

Wachstum schwächelt

Doch schlägt sich Rishers aggressivere Strategie negativ im Umsatz nieder. Der Erlös pro Fahrgast sank im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 4,8% auf 47,51 Dollar und blieb damit hinter den an der Wall Street herumgereichten Prognosen zurück. Der Gesamtumsatz stieg infolge der höheren Zahl an Fahrgästen zwar um 3% und lag im Rahmen der Erwartungen. Dennoch bedeutete dies das schwächste Wachstum seit zwei Jahren.

Anleger befürchten nach jüngsten Äußerungen Rishers indes, dass Lyft den Preiskampf noch weiterführt – und somit in eine Erlös-Abwärtsspirale gerät, in die auch Uber hineingezogen werden könnte. Allerdings betont der Investmentberater DA Davidson, dass der Branchenprimus aufgrund seiner größeren Basis an Fahrern und Kunden sowie der höheren Liquidität seines Marktplatzes für eine erneute Wettbewerbsverschärfung gerüstet sei. Entsprechend empfehlen die Analysten die Uber-Aktie auch zum Kauf, während sie Lyft lediglich mit “Neutral” einstufen.

Strategische Unterschiede

Nicht nur in Bezug auf die Skalierung im Fahrdienst-Kerngeschäft, sondern auch hinsichtlich der Diversifikation unterschieden sich die Unternehmen indes scharf. Während Lyft sich auf die USA und Kanada fokussiert, profitierte Uber über Jahre von der breiteren globalen Aufstellung – in Europa, dem Nahen Osten und Afrika sowie in der Region Asien-Pazifik wächst der Umsatz um ein Vielfaches stärker als in Nordamerika. Zudem wurde eine Präsenz im Transport- und Essensliefermarkt in der Hochphase der Corona-Pandemie zur wichtigen Stütze. Lyft ist den Segmenten bisher ferngeblieben. Vielmehr arbeitet CEO Risher daran, die Nummer zwei in den USA noch stärker auf das Kerngeschäft zu fokussieren.

So machten im Juli Berichte die Runde, gemäß denen Lyft strategische Alternativen für seine Fahrradverleih-Division prüft. Zur Diskussion stehe eine Partnerschaft mit einem Investor, der neue Liquidität in die Sparte pumpen könne. Aber auch ein Verkauf des Geschäftsbereichs, in dem Lyft 2018 durch eine Übernahme des Anbieters Motivate für 250 Mill. Dollar aktiv wurde, sei möglich. Zwar ist das Bike-Angebot in Großstädten durchaus beliebt, im Juni buchten Kunden in New York durchschnittlich 114.000 Fahrten pro Tag. Doch die Instandhaltung der Flotte, die Lyft in Kooperation mit dem Hauptsponsor Citigroup betreibt, ist teuer und logistisch aufwendig.

Auch bei Uber ist das Geschäft abseits der Fahrdienstleistungen zuletzt zum Stimmungshemmer geworden. Der Erlös im Warentransport sackte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 30% ab. Der Umsatz aus Lieferdiensten stieg zwar um 14% auf 3,06 Mrd. Dollar, aber schwächer als von Analysten erwartet. Bei dem Branchenprimus stehen nun neben Kosteneinsparungen und einem Stellenabbau analog zum schärfsten US-Konkurrenten vor allem Möglichkeiten im Fokus, die Erlöse durch Werbeeinnahmen aus der hauseigenen App anzukurbeln.

Finanzchef geht

Künftig muss Uber seine Finanzziele aber ohne CFO Nelson Chai erreichen, der seinen Posten im Januar räumen wird. Die Suche nach einem Nachfolger für den ehemaligen Merrill-Lynch-Banker, der 2018 zu dem Fahrdienst stieß und neben dem Börsengang auch große Deals wie die Übernahme des Lieferdienstes Postmates begleitete, läuft auch Hochtouren. Ähnlich wie die auf Führungsebene ebenfalls personell durchgeschüttelte Lyft haben Uber und ihr neuer Finanzchef wohl noch viel Arbeit zu erledigen, um das Image am Kapitalmarkt zu verbessern. Neben der Aufnahme der Aktie in den S&P 500 strebt der Marktführer auch ein Investment-Grade-Rating für seine Anleihen an.

Auch CEO Khosrowshahi betonte im Zuge der Bekanntgabe des Chai-Abgangs, Uber stünde noch vor “zahlreichen Herausforderungen”. Zugleich ließ der 54-Jährige Investoren mit der Aussage aufhorchen, Profitabilität sei “ein Mittel und kein Selbstzweck”.

Uber erzielt den ersten operativen Gewinn der Firmengeschichte, Lyft dämmt Verluste ein: Unter Analysten laufen nun die Debatten darüber heiß, ob die US-Fahrdienste zu nachhaltiger Profitabilität finden können. Die Anleger zweifeln noch daran – vor allem, weil sie einen neuerlichen harten Preiskampf fürchten.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.