ArcelorMittal katapultiert Ilva nach vorn

Marodes italienisches Stahlwerk soll künftig jährlich mehr als 600 Mill. Dollar operativen Gewinn abwerfen

ArcelorMittal katapultiert Ilva nach vorn

cru Düsseldorf – ArcelorMittal will das marode italienische Stahlwerk Ilva in die Moderne katapultieren und künftig jährlich einen operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von mehr als 600 Mill. Dollar aus der Anlage ziehen. Diese war wegen eines Umweltskandals zwangsweise verstaatlicht und dann an den weltweit größten Stahlkonzern verkauft worden. Zum Vergleich: Das gesamte Ebitda des Konzerns lag zuletzt bei 10 Mrd. Dollar.”Welchen Wert ArcelorMittal aus Ilva zieht, hängt davon ab, ob und wann die geplante Produktionskapazität von jährlich 8 Mill. Tonnen erreicht wird”, berichtet Stijn Demeester, Brüsseler Analyst der Bank ING, nach einem Besuch des Stahlwerks in Tarent mit ArcelorMittal-Finanzvorstand Aditya Mittal, dem Sohn des Haupteigentümers und CEO Lakshmi Mittal. Die geplante Kapazität werde voraussichtlich erst 2023 erreicht, sobald die Investitionen in die Umweltverträglichkeit umgesetzt seien und der Hochofen Nummer 5 wieder in Betrieb gehe, schätzt Demeester.Da ein Teil der Sanierungsinvestitionen aber bereits vor dem Zeitplan umgesetzt werde, könne es auch schneller gehen. Unterstützend wirkten für ArcelorMittal zudem die Einfuhrbeschränkungen und Zölle der Europäischen Union auf Stahlimporte. Der Konzern spricht sich zusätzlich für eine europäische Grenzsteuer auf CO2 aus. Akquisitionsbedarf gedecktMit der Übernahme von Ilva in Italien für 1,8 Mrd. Euro und dem laufenden Kauf des überschuldeten indischen Stahlkonzerns Essar für 6 Mrd. Dollar hat ArcelorMittal zunächst den Bedarf an Akquisitionen gedeckt. Das Stahlwerk Ilva war um das Jahr 1979 für eine Kapazität von 10 Mill. Tonnen ausgelegt worden. Daran gemessen wäre es das größte Stahlwerk Europas, produziert derzeit aber nur die Hälfte der möglichen Menge.Seit 2009 kämpfte Ilva mit finanziellen Schwierigkeiten und machte seit 2013 wegen des Umweltskandals Verlust. Weil das Unternehmen chronisch zu wenig investierte, ging die Produktion zurück und die Qualität verschlechterte sich. Schließlich wurde das Stahlwerk von Italiens Regierung beschlagnahmt und anschließend im Rahmen eines Bieterprozesses wieder privatisiert.Den Kaufpreis von insgesamt 1,8 Mrd. Euro zahlt ArcelorMittal in jährlichen Raten von 180 Mill. Euro. Der Konzern hat sich außerdem vertraglich verpflichtet, rund 2,4 Mrd. Euro in die Modernisierung der Anlagen zu investieren. Dazu zählen unter anderem ein Tiefwasserhafen, fünf Hochöfen und zwei Kraftwerke sowie eine Flotte von fünf großen Kokskohle-Transporttankern.Vorrang haben derzeit die Investitionen in den Gesundheitsschutz, um die Betriebslizenz zurückzuerlangen. Allein dafür werden in den kommenden Jahren 1,1 Mrd. Euro ausgegeben. Hinzu kommt der Bau eines neuen Eisenerzlagers. In die Modernisierung der Anlagen jenseits der Umweltverträglichkeit investiert ArcelorMittal 1,25 Mrd. Euro. Dabei geht es zunächst primär um eine nachgeholte Instandhaltung der maroden Anlagen, die seit Jahren verrotten. Zentral ist dabei die Wiederaufnahme des Betriebs zweier Hochöfen, die derzeit stillstehen. 2019 profitabelDerzeit produziert Ilva nur 4,8 Mill. Tonnen Stahl im Jahr. Bis zum dritten Quartal des Jahres 2019 soll die Menge durch die Reparaturen aber schon wieder auf 6 Mill. Tonnen steigen. Bis zum Erreichen der vollen geplanten Kapazität von 8 Mill. Tonnen vergehen noch vier Jahre. Von 2019 an soll Ilva operativen Gewinn abwerfen. Von 2021 an soll auch nach Abzug der Investitionen ein positiver Mittelzufluss für ArcelorMittal bleiben. Spätestens von 2023 an könnte Ilva gemessen an den operativen Gewinnen je Tonne Stahl in den anderen ArcelorMittal-Werken mehr als 600 Mill. Dollar Ebitda abwerfen, schätzt ING. Die ArcelorMittal-Aktie reagierte am Montag zeitweise mit einem Plus von 3,9 % auf 18,75 Euro. Der Börsenwert des Konzerns hat sich damit binnen drei Jahren beinahe verdoppelt auf rund 20 Mrd. Euro.