Atlas Copco schluckt Isra Vision

Schwedischer Industriekonzern plant Milliardenofferte für deutschen Spezialmaschinenbauer - Baustein für Roboterfabrik der Zukunft

Atlas Copco schluckt Isra Vision

Der schwedische Industrieausrüster Atlas Copco bietet 1,1 Mrd. Euro für den deutschen Spezialmaschinenbauer Isra Vision. Das ist das 33-Fache des operativen Gewinns. Die Geräte der Darmstädter zur Oberflächenprüfung gelten als Schlüsseltechnik für die digitale Transformation hin zur Roboterfabrik der Zukunft.cru Frankfurt – Selten ist ein Milliardendeal so glatt unter Applaus von Aufsichtsrat, Analysten, Haupteigentümern und Vorstand durchgegangen: Der schwedische Industrieausrüster Atlas Copco schluckt die deutsche Isra Vision. Der Stockholmer Konzern legt sich damit einen weiteren technologischen Baustein für die Roboterfabrik der Zukunft zu.Atlas Copco will im Rahmen eines freiwilligen öffentlichen Angebots den Aktionären des Darmstädter Spezialisten für industrielle Bildbearbeitung 50 Euro je Aktie in bar bieten, wie der im SDax enthaltene Spezialmaschinenbauer am Montag mitteilte. Damit ist Atlas Copco bereit, insgesamt 1,1 Mrd. Euro für den Technikspezialisten zu zahlen – das 33-Fache des Gewinns vor Zinsen und Steuern.Der Kurs des deutschen Unternehmens schoss nach einer kurzfristigen Aussetzung vom Handel um zeitweise 45,8 % auf 50,90 Euro nach oben – so schnell wie nie zuvor – und lag damit auf einem Eineinhalbjahreshoch knapp über dem Angebotspreis. Die Offerte entspricht einer Prämie von 29 % auf den volumengewichteten Durchschnittskurs der letzten drei Monate vor der Ankündigung und einer Prämie von 43 % auf den Schlusskurs vom 7. Februar 2020.Atlas-Papiere notierten in Stockholm am Montag kaum verändert. Die Schweden sind mit rund 40000 Beschäftigten, rund 10 Mrd. Euro Umsatz (rund 100 Mrd. skr) und rund 300 Mrd. skr Börsenwert deutlich größer als Isra mit weniger als 1000 Beschäftigten, 154 Mill. Euro Umsatz und 1 Mrd. Euro Börsenwert. Haupteigentümer von Atlas Copco ist mit 23 % Investor AB, das Anlagevehikel der Wallenberg-Familie. Spezielle OberflächenprüfungIsra Vision stellt unter anderem Geräte zur Oberflächenprüfung und Präzisionsmesstechnik für die Industrie her und verwendet dabei die Technik des maschinellen Sehens. “Machine Vision” gilt als wichtiger Bestandteil von automatisierten Produktionsstraßen und wird von Atlas als Schlüsseltechnik für die digitale Transformation angesehen: “Isra-Produkte machen die Atlas-Produkte intelligenter”, fasst Isra-Chef Enis Ersü das Kalkül im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zusammen. Zudem könne Isra ihre Produkte über das Vertriebsnetz von Atals künftig besser verkaufen.Das Atlas-Angebot sei attraktiv, kommentiert Pareto-Securities-Analyst Zafer Rüzgar. Eine Mindestannahmequote, die zu einem längeren Übernahmeprozess hätte führen können, sei nicht beantragt worden. Rüzgar sieht zudem seitens der Wettbewerbsbehörden keine Hindernisse für die Transaktion und empfiehlt, das Angebot anzunehmen. Den gleichen Rat gibt die Privatbank Hauck & Aufhäuser.Wie der langjährige Isra-Vorstandschef, Gründer und Haupteigentümer Ersü und Atlas-Industrietechnikchef Henrik Elmin in einer gemeinsamen Telefonkonferenz ankündigten, sind “keine strukturellen Maßnahmen” geplant – also keine Kostensenkungen. Atlas strebe zwar ein Delisting von Isra an, wolle aber vorerst keinen Beherrschungsvertrag herbeiführen.Isra Vision wird den Planungen zufolge weiter unter derselben Marke firmieren, der Unternehmenssitz bleibt Darmstadt. Das Unternehmen wird künftig eine neue Division innerhalb des Konzernbereichs Industrietechnik von Atlas Copco bilden. Der Wissenschaftler Ersü, der Isra Vision 1985 als Spin-off der TU Darmstadt gegründet und es in 35 Jahren zu einem führenden Unternehmen in der Technik des maschinellen Sehens gemacht hat, werde vorerst CEO bleiben, um die Integration zu erleichtern, und Ersü will mit dem Deal zugleich nach eigenem Bekunden seine Nachfolge sichern.Atlas hat bereits durch unwiderrufliche Andienungsvereinbarungen 35 % der Aktien eingesammelt. Rund 25 % der Anteile stammen von Ersü, der bereits 67 Jahre alt ist. Weitere jeweils 5 % kommen von zwei Fonds. “Atlas Copco ist der engagierte langfristige Eigentümer, den ich gesucht habe. Damit schaffen wir für Isra Vision eine Plattform für weiteres Wachstum”, sagte Ersü. Es seien noch drei weitere potenzielle Käufer angesprochen worden. Atlas Copco habe sich aber als die beste Option erwiesen. Atlas war bereits Kunde von Isra und kaufte die Technik der Darmstädter als Bestandteil für Schraubersysteme, die in den Produktionsstraßen der Autoindustrie zum Einsatz kommen. Kein BieterprozessEs gab laut Ersü keinen strukturierten Bieterprozess im Sinne einer Auktion. Dennoch machen auch die Berater ein gutes Geschäft mit dem Deal: Atlas Copco hat BNP Paribas engagiert sowie die Anwälte von Gibson Dunn. Für Isra Vision sind Parkview Partners tätig sowie als Kanzlei Allen & Overy unter Federführung von Partner Hartmut Krause und Counsel Alexander Wüpper (beide M&A, Frankfurt). – Wertberichtigt Seite 6