IM BLICKFELD

Audi auf der Suche nach sich selbst

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 26.2.2019 Von der Vorzeigetochter zum Problemkind des Volkswagen-Konzerns: Der Absturz von Audi infolge der umfangreichen Dieselmanipulationen war radikal. Nach der Entmachtung des langjährigen...

Audi auf der Suche nach sich selbst

Von Stefan Kroneck, MünchenVon der Vorzeigetochter zum Problemkind des Volkswagen-Konzerns: Der Absturz von Audi infolge der umfangreichen Dieselmanipulationen war radikal. Nach der Entmachtung des langjährigen Vorstandschefs Rupert Stadler, der sich voraussichtlich wegen des Betrugs vor Gericht verantworten muss, gilt der neue CEO Bram Schot als Hoffnungsträger des Ingolstädter Herstellers hochpreisiger Automobile. Im September 2017 noch von der Wolfsburger Konzernmutter in die bayerische Stadt abkommandiert, um seinerzeit Stadler zu stützen, soll der 57-jährige Niederländer das geschwächte Unternehmen wieder auf die Spur bringen. Dabei knüpft der Vertriebsprofi an das an, was sein Amtsvorgänger in die Wege geleitet hatte: ein umfangreiches Sparprogramm. Konzern erlahmtDoch unter Stadler erlahmte zuletzt Audi. Die Umbaumaßnahmen kamen nicht voran. Der Konzern war wegen der Dieselkrise zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Ingolstädter verloren den Anschluss an die Wettbewerber BMW und Daimler in Bezug auf den Absatz und in Bezug auf die technologische Entwicklung. In kurzer Zeit gingen vier Entwicklungsvorstände. Das hatte Konsequenzen: Für die aufwendige Umstellung auf das strenge Abgas- und Verbrauchsprüfverfahren WLTP war Audi unter den deutschen Herstellern mit am schlechtesten vorbereitet.Schot versucht, wieder frischen Wind in das Unternehmen zu bringen, um so rasch wie möglich den Abstand zur Konkurrenz zu verkürzen. In der Aufholjagd peilt der neue Konzernchef aber nicht mehr wie einst Stadler an, die Autobauer aus Stuttgart und München zu überholen. Zur Vorlage der Bilanz am 14. März wird er Details seines Maßnahmenpakets vorstellen. Die Eckpunkte sind bekannt: Das Einsparvolumen wird um ein Drittel auf 15 Mrd. Euro erhöht, die Fertigung und die Konzernverwaltung werden entschlackt. Eine Führungsebene soll gestrichen werden. Das betrifft rund 200 Personen oder 10 % aller Audi-Führungskräfte.Dieses Paket soll dazu beitragen, die Profitabilität zu steigern, nachdem die Folgen der Dieselkrise das Unternehmen im Ergebnis deutlich zurückgeworfen hatten. Rückstellungen in Milliardenhöhe und hohe Geldbußen drückten auf die Marge. Quadratur des KreisesDie Konzernspitze steht unter Zeitdruck. Ungefähr bis zum Jahr 2022 soll der Umbau vollzogen sein. Mit dem nachgebesserten Sparprogramm versucht Schot die Quadratur des Kreises. Dabei steht der CEO vor mehreren Problemen. Erstens: Er verfügt über keine Hausmacht. Widerstand innerhalb des Unternehmens zeichnet sich ab, hat doch das Management Ende 2017 die Beschäftigungsgarantie für die rund 60 000 Mitarbeiter an den deutschen Konzernstandorten bis zum Jahr 2025 verlängert. Die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern werden zäh sein. Ohne Zugeständnisse an den Betriebsrat ist Schots Plan zum Scheitern verurteilt. Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Peter Mosch stellte bereits Forderungen.Zweitens: Zweifel bestehen weiterhin, ob der Vorstandschef die volle Rückendeckung von VW-CEO Herbert Diess, der zugleich Chefaufseher von Audi ist, und von den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch genießt. Erst nach langem Zögern wandelte Diess den Interimsstatus von Schot in einen Vertrag als uneingeschränkter Vorstandsvorsitzender um, liebäugelte er doch damit, den ehemaligen BMW-Einkaufsvorstand Markus Duesmann an die Spitze von Audi zu bringen. Machtkämpfe innerhalb des VW-Biotops würden den Audi-CEO schwächen.Drittens: Statt den Autoabsatz künftig stärker geografisch zu diversifizieren, kündigte Schot an, das Geschäft in China deutlich ausbauen zu wollen. Mit dieser Stoßrichtung macht sich das Unternehmen noch abhängiger von der Entwicklung in seinem größten Einzelmarkt. Das Geschäftsmodell hängt am Tropf der kommunistischen Machthaber in Peking. China trägt 37 % zum weltweiten Absatz von Audi bei. Schots Vergehen ist aber nachvollziehbar. Nach einem beigelegten Streit mit den chinesischen Autohändlern will der Konzern seine beiden großen deutschen Wettbewerber, die in der Volksrepublik deutlich aufgeholt haben, auf Distanz halten. BMW und Daimler machen Audi die Führungsposition in China streitig. Gefahr von ÜberkapazitätenViertens: Schots Vorstoß in die E-Mobilität birgt für Audi das Risiko, künftig Überkapazitäten aufzubauen. Denn die Produktion von Elektrofahrzeugen ist deutlich weniger aufwendig als die Fertigung herkömmlicher Autos mit Verbrennungsmotor. Das angekündigte Investitionsprogramm von 14 Mrd. Euro vor allem für E-Autos kann dazu führen, dass Audi künftig gezwungen sein wird, Stellen zu streichen.Zugleich richtet sich das Unternehmen mit E-Fahrzeugen an einem Segment aus, welches zunehmend von Preisdruck geprägt sein wird, da sich immer mehr Anbieter darin tummeln. So dürfte es für Schot schwierig werden, die Zielbandbreite von 8 bis 10 % für die operative Umsatzrendite dauerhaft zu erreichen.Doch damit haben auch die Wettbewerber zu kämpfen. Der Selbstfindungsprozess von Audi ist daher nicht nur ein Resultat der Belastungen infolge des Dieselbetrugs, sondern auch eine Folge des radikalen Wandels der Mobilitätskonzepte.