Allianz Trade Schadensstatistik

Auf diesen Wegen schlagen Wirtschaftskriminelle zu

Fehlgeleitete Zahlungen, überzogene Bestellungen, vermeintliche Eilaufträge vom Chef: Die Bedrohung durch Wirtschaftskriminelle ist allgegenwärtig. Viele Täter kommen aus den eigenen Reihen.

Auf diesen Wegen schlagen Wirtschaftskriminelle zu

Auf diesen Wegen schlagen Wirtschaftskriminelle zu

Allianz Trade sieht Comeback des Fake President – Bedrohung durch KI – Täter kommen oft aus den eigenen Reihen

Fehlgeleitete Zahlungen, überzogene Bestellungen, vermeintliche Eilaufträge vom Chef: Die Bedrohung durch Wirtschaftskriminelle ist allgegenwärtig. Viele Täter kommen aus den Unternehmen selbst, zeigt die Schadensstatistik von Allianz Trade. Angreifer von außen setzen wieder häufiger auf Fake-President-Attacken.

sar Frankfurt

Wirtschaftskriminelle sind für Unternehmen eine permanente Bedrohung. Nach Daten des Bundeskriminalamts entstand 2022 durch Wirtschaftskriminalität ein Schaden von rund 2,1 Mrd. Euro. Dabei kommen die Täter nicht immer von außen: Der Schadensstatistik des Versicherers Allianz Trade zufolge wurden im vergangenen Jahr 57% der Taten von Innentätern aus den betroffenen Unternehmen verübt, in diesem Jahr werden es voraussichtlich 51% sein. Dabei stehen die Innentäter für den Großteil der Schäden: Im laufenden Jahr werden sie etwa 69% der Schadenshöhe zu verantworten haben (2022: 73%). Die höchsten Schäden richten laut der Statistik gut ausgebildete männliche Führungskräfte Mitte 40 an, die seit mindestens zehn Jahren im Unternehmen sind.

Doch was macht diese Mitarbeiter zu Straftätern? Der Rechtswissenschaftler und Kriminologe Hendrik Schneider unterscheidet vier Tätertypen, die er bei der Präsentation der Zahlen am Mittwoch vor Journalisten als „Spätzünder bei der kriminellen Karriere“ bezeichnet.

Laut Allianz-Trade-Schadensstatistik greifen die Täter oft zunächst nach eher kleineren Beträgen, später werden diese immer größer. Die Täter rutschten schrittweise in die Kriminalität, sagt Schneider. Um die Kontrolle zu behalten, seien sie oft auffällig engagiert: „Sie nehmen beispielsweise keinen Urlaub mehr, um nicht zu riskieren, dass eine Urlaubsvertretung ihnen auf die Schliche kommt.“


Die vier Tätertypen

Der Abhängige: Er ist in der Regel Handlanger eines dominanten Haupttäters, von dem er wirtschaftlich oder hierarchisch abhängig ist.
Der Ungebremste: Kriminologen sprechen von einem „Täter mit wirtschaftskriminologischem Belastungssyndrom“. Seine Devise lautet „earning and burning money“. Oft ereignen sich die Taten in einer Umbruchphase.
Der Unauffällige: Bei diesem Tätertyp ist die günstige Gelegenheit oft der einzige Auslöser für die Tat. Kommt sie ans Licht, überrascht dies sein gesamtes Umfeld.
Der Krisentäter: Er steht unter hohem wirtschaftlichen Druck. Die Straftat sieht er als einzigen Ausweg aus der finanziellen Krise an.


Zahlungsbetrug nimmt zu

Besonders häufig wagen Wirtschaftskriminelle sich an einen Bestellerbetrug. Jeder zweite Fall aus der Schadensstatistik von Allianz Trade geht darauf zurück. Es folgen Fälle von Zahlungsbetrug, die im vergangenen Jahr deutlich zugenommen haben. Fake-President-Vorfälle, bei denen Betrüger vermeintliche Eilaufträge aus der Führungsetage nachahmen, sind ebenfalls wieder auf dem Vormarsch.

Prominente Schadensfälle in Millionenhöhe bei Leoni und FACC hatten diese Betrugsform vor einigen Jahren ins Rampenlicht gerückt, in den vergangenen Jahren waren die Schäden laut Allianz Trade dann deutlich zurückgegangen. Doch das ändert sich seit dem vergangenen Jahr.

2022 standen Fake-President-Fälle zwar nur für 8% der gemeldeten Vorfälle, aber für 29% der Schäden. Die Schadenshöhe hat im vergangenen Jahr gegenüber 2021 um 38% zugenommen, für dieses Jahr rechnet der Versicherer mit einem weiteren Plus von 24%. Die Anzahl der Vorfälle dürfte im laufenden Jahr um 17% zulegen. Rüdiger Kirsch, Betrugsexperte bei Allianz Trade, rechnet mit einem weiteren Anstieg in den kommenden Jahren: Algorithmen auf Basis generativer künstlicher Intelligenz (KI), die mit Mitarbeiterrundschreiben oder Inhalten aus dem Intranet versorgt wurden, könnten auf dieser Basis stilistisch täuschend echte Nachrichten generieren. „Das hebt die Authentizität der Korrespondenz auf ein ganz neues Level.“

Rückfragen durch Beschäftigte sind ein Schutzmechanismus.

Rüdiger Kirsch, Allianz Trade

Einen wichtigen Hebel haben Führungskräfte selbst in der Hand: „Rückfragen durch Beschäftigte sind ein Schutzmechanismus“, betont Kirsch. Wer im Zweifel einfach beim Vorgesetzten nachfragt, ob er eine Anweisung wirklich getätigt hat, kann einen Fake-President-Versuch vereiteln. „Voraussetzung dafür sind flache Hierarchien und eine gute Kommunikationskultur.“

Kirsch rät Unternehmen, die Beschäftigten regelmäßig für die neuen Bedrohungsformen von außen zu sensibilisieren. Bei Schäden durch Innentäter aus den eigenen Reihen sollten sie klare Konsequenzen aufzeigen, um Nachahmer abzuschrecken.

Er erwartet, dass das im Juli in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz als deutsche Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie zu mehr Hinweisen auf Fehlverhalten führen dürfte. Dadurch könnten künftig mehr Verfehlungen von internen Tätern aufgedeckt werden.

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