BRANCHEN IM KLIMAWANDEL

Auf gleicher Linie im E-Auto-Bau

Im Strukturwandel der Branche fertigen BMW und Daimler verschiedene Antriebsarten auf einem Band

Auf gleicher Linie im E-Auto-Bau

Von Stefan Kroneck, MünchenWelche Strategie in der Großserienproduktion von Elektroautos ist die kosteneffizienteste und risikoärmste, um den Wandel in der Antriebstechnik zu meistern? Volkswagen-Chef Herbert Diess meint, die Lösung dafür gefunden zu haben, indem der Wolfsburger Konzern neben der Produktionsplattform für Pkw mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren auf gesonderten Bändern batterieelektrische Fahrzeuge fertigt. Audi kopiert diesen Plan. Die VW-Tochter stellt die Produktion der verschiedenen Antriebsformen auf zwei getrennten Linien.Der Weg, den VW einschlägt, ist ein Spiegelbild seiner Elektrostrategie als Volumenhersteller: Diess setzt auf einen radikalen Wandel in den Antriebsformen: Je schneller, desto besser. So lautet das Credo des früheren BMW-Entwicklungsvorstands, der seit 2015 VW fährt.Statt einer Revolution setzen sein früherer Münchner Arbeitgeber und dessen Wettbewerber Daimler darauf, dass der Wandel in der Antriebstechnik evolutionär vorangeht. Das heißt, BMW und Mercedes-Benz Cars stellten sich auf einen schrittweisen Übergang ein: E-Autos gewinnen deutlich an Bedeutung, in der Zukunft besteht aber ein Nebeneinander mit Benzinern und Dieselfahrzeugen. Daher bevorzugen sie in der Serienproduktion von E-Autos ein integriertes Konzept: Beide Konzerne stellen ihre Produktion so auf, dass die Werke Autos mit allen Antriebsarten auf einer Linie bauen können, vom Verbrenner über Hybride bis zum reinen Stromer.Das ist aus ihrer Sicht wirtschaftlicher. Dieser Ansatz bringt ihnen die Flexibilität, um auf Nachfrageverschiebungen schnell zu regieren. Je nach Auftragslage können BMW und Daimler die Produktion von Autos mit einer Antriebsform ausweiten und die Fertigung weniger gefragter Motoren reduzieren. Das ist für sie eine Rückversicherung für den Fall, dass die E-Mobilität europaweit in den kommenden Jahren doch nicht den Durchbruch schafft.”Bei der immer komplexeren Technik in unserem Automobilen wird die Fähigkeit zur Systemintegration zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil”, sagt BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic. Ausweitung der WerkeDie E-Mobilität und das autonome Fahren zwingen die Hersteller dazu, ihre Fertigungsnetze umzubauen. Die Konzerne erweitern ihre Montagehallen und strukturieren Ablaufprozesse um. Das kostet Milliarden. Denn im Produktionsprozess sind die Arbeitsinhalte bei elektrifizierten und hochautomatisierten Fahrzeugen anders verteilt als bei konventionellen. Die Gründe: E-Autos benötigen weniger Antriebsaggregate als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Hinzu kommt, dass hochautomatisierte E-Autos neue Montageschritte nötig machen: Einbau von Hochvoltkabeln für die Batterien, Einbau von zusätzlichen Sensoren und von Hochleistungsrechnern. Das erfordert neue Prüfplätze am Band.Trotz der Aufbruchstimmung, die die deutschen Autohersteller nach außen in Bezug auf die Elektromobilität unter dem Druck des Erfolgs von Tesla verbreiten, fristen die Stromer nach wie vor ein Nischendasein. Beispiel BMW: nach elf Monaten 2019 steigerte der Konzern den Absatz elektrifizierter Fahrzeuge (vollelektrisch und Hybride) um 2,3 % auf 128 214 Stück. Das waren 5,6 % der gesamten Auslieferungen von BMW. Daimler veröffentlicht keine Zahlen. Der Marktforscher IHS Markit schätzt, dass die Stuttgarter zuletzt 3 % der Neuzulassungen von E-Autos in der EU ausmachten (erste zehn Monate 2019). Zum Vergleich: Tesla brachte es auf 19 %, gefolgt von BMW an zweiter Stelle mit 13 %. Das zeigt, dass die beiden Hersteller von Autos der Ober- und Luxusklasse noch erheblichen Nachholbedarf haben, wenn sie dem aufstrebenden Anbieter aus Kalifornien auf diesem Feld die Rücklichter zeigen wollen. BMW-Chef Oliver Zipse und Daimler-Lenker Ola Källenius haben viel Arbeit vor sich, um die Konzerne in das Zeitalter der Elektromobilität zu steuern. Anpassungsdruck von außenDas Tempo der Transformation bestimmen die Nachfrage, Kaufanreize, Ladeinfrastruktur und vor allem der Regulator. Mit strengeren Abgasnormen gibt die EU den Takt für den Wandel der Technik vor. Trotz guter Fortschritte sind BMW und Daimler nach derzeitigem Stand noch weit davon entfernt, das neue Limit zu erreichen. Bis 2021 dürfen alle neu zugelassenen Pkw in der EU im Schnitt nicht mehr als 95 g CO2 je Kilometer ausstoßen. Bislang galten 130 g. Bis zum Jahr 2030 soll die Kohlendioxid-Emissionen von Neuwagen um 37,5 % gegenüber 2021 sinken. Aufgrund des umgestellten Prüfzyklus und des Absatzrückgangs bei Dieselfahrzeugen stagnierte der Wert von BMW zuletzt bei 128 g, Daimler verschlechterte sich auf 132 (i.V. 125) g. Beide Konzerne arbeiten aber mit Hochdruck daran, die Vorgabe zu erreichen. Ansonsten drohen ihnen empfindliche Geldbußen. Ihre Zuversicht basiert auf dem erwarteten Schub bei E-Autos. Das verringere den CO2-Flottenwert “erheblich”, schreibt Daimler im Geschäftsbericht. “Wir wollen die Emissionsvorgaben der EU (…) erfüllen”, bekräftigte BMW in ihrem Nachhaltigkeitsbericht. Die Konzerne wollen bis 2030 jedes zweite Auto mit einem Elektromotor verkaufen. Das impliziert Stückzahlen in Millionenhöhe. Das ehrgeizige Ziel erhöht den Anpassungsdruck in der Produktion.