Auf Rekorde am IPO-Markt folgt Durchhängerjahr
Von Walther Becker, FrankfurtWährend Softbank ungeachtet der geopolitischen Verwerfungen mit ihrer Telekomsparte mit 23,5 Mrd. Dollar Japans bisher größtes IPO aufs Parkett legte und sich in den USA die Fahrdienste Uber und Lyft ein Wettrennen um einen Mega-Börsengang liefern, sind die Aussichten für den deutschen Aktienprimärmarkt mau. Nach dem starken Volumen von Börsengängen im alten Jahr in Frankfurt steht der Markt in Deutschland 2019 zumindest vor einem Durchhänger. “Vor allem aufgrund der aktuell gesunkenen Bewertungen” könnte das erste Halbjahr zäh verlaufen, erwartet Georg Hansel, Leiter Equity Capital Markets der Bank of America Merrill Lynch in Frankfurt.Während einige Investmentbanker lediglich ein “anspruchsvolles Umfeld” einräumen, auf eine “gut gefüllte Pipeline” verweisen oder mit Wendungen wie “konstruktiv-positiv” den Markt schönreden, spricht Rainer Langel, der Deutschland-Chef von Macquarie, Klartext: “Hinter vielen geplanten Börsengängen stehen Fragezeichen.” Denn der Markt ist zuletzt deutlich unter die Räder gekommen. Für die Perspektiven sei jetzt entscheidend, ob die Bodenbildung an den Börsen zeitnah gefunden werde. “Dann dürften wir sicherlich auch wieder große IPOs in Deutschland sehen, da die Vorbereitungen für einige interessante Transaktionen laufen. Gerade der Trend zu Abspaltungen von Unternehmensteilen über die Börse wird anhalten”, sagt Hansel. Er geht nicht davon aus, dass der Dax nach einem Verlust von 25 % zum Jahreshoch unter 10 000 Punkte abschmiert, und setzt darauf, dass die Bewertungen 2019 anziehen, wobei die ersten beiden Monate durchaus schwierig sein dürften. Schwieriger KalenderZu allem Überfluss kommt dem IPO-Markt der Kalender in die Quere: Das Fenster ist bis Mitte Mai offen, um noch mit dem testierten Jahresabschluss 2018 Investoren anzusprechen. Allerdings liegt dazwischen Ostern, so dass der Startschuss für den vierwöchigen Prozess Mitte April gegeben werden müsste. Insofern fehlt 2019 eine Saison.Den IPO-Markt belasten Faktoren, die auch die Bewertungen 2018 gedrückt haben: Vor allem der Zoll- und Handelsstreit, den die USA gegen China losgetreten haben. Das Ende der Anleiherückrufe ist nach Hansels Einschätzung beherrschbar, zumal die Zinsen in Europa niedrig bleiben sollten und die US-Notenbank mit der Zinswende zurückrudert. Auch der Brexit dürfte im zweiten Halbjahr die Gemüter weniger beunruhigen. Unbeherrschbar bleibt der US-Präsident Donald Trump. Die zuletzt gestiegenen Volatilität bewege sich aber noch immer auf einem nicht übermäßig hohen Niveau.Investmentbanker rechnen neben Konzernabspaltungen insbesondere mit Börsengängen aus Private Equity. Es gebe zwar interessante Kandidaten, doch könne angesichts der Marktbedingungen niemand dazu raten, jetzt Vollgas zu geben, berichtet Hansel. “,Private Equity dürfte das erste Halbjahr nutzen, Unternehmen zu verkaufen”, sagt Langel – bevor es zu spät ist. Auch für Börsengänge gelte, dass es zyklische Assets schwer haben. “Jeder will noch aus der Tür kommen, bevor sie zufällt”, sagt ein anderer Insider.Thomas Thurner, Leiter des deutschen Equity-Capital-Markets-Geschäfts von Morgan Stanley, rechnet für 2019 mit bis zu fünf milliardenschweren IPOs sowie einer Hand voll kleinerer Deals. Ein großes Thema bleiben Konzernabspaltungen. Hier kennen Analysten und Investoren Bilanz und Geschäftsmodell, was die Bewertung erleichtere. Möglich ist, dass die “Subsidiary”-Börsengänge Traton und Conti Powertrain als IPO kommen, als Abspaltungen an die eigenen Aktionäre über Spin-offs verteilt werden oder dass es 2019 keine Transaktion gibt, wenn die Märkte weiter zurückgehen. Traton, die Lkw-Sparte von Volkswagen mit MAN und Scania, soll jetzt kapitalmarktfähig sein. Im Falle eines öffentlichen Angebots wurde über einen Erlös von rund 6 Mrd. Euro spekuliert. Daimler dürfte im Zuge des Konzernumbaus kaum schon im neuen Jahr Börsenpfeile im Köcher haben. Conti will Powertrain Mitte 2019 IPO-fähig haben.”Wenn das Marktumfeld in der zweiten Hälfte nächsten Jahres aus unserer Sicht nicht attraktiv genug sein sollte, würden wir einen Börsengang verschieben”, betonte Conti-Finanzvorstand Wolfgang Schäfer jüngst im Interview der Börsen-Zeitung. Bei Thyssenkrupp soll die Hauptversammlung 2020 über den Spin-off des Industriegeschäfts von Materials (inklusive Stahl), der Rechtsnachfolgerin der jetzigen AG, abstimmen. Und das Familienunternehmen Freudenberg will entscheiden, ob es Vibracoustic (Schwingungstechnik) für ein IPO separiert. Private Equity regeAus den Portfolios von Finanzinvestoren könnte Flixbus den Kapitalmarkt ansteuern. Einer der Gesellschafter ist General Atlantic. Aus einer anderen Ecke von Private Equity läuft sich Signa Sports für die Börse warm. Die Holding des österreichischen Karstadt-und Kaufhof-Eigners und Immobilieninvestors René Benko treibt die Vorbereitungen schon länger voran. Als Bewertung wurden rund 1 Mrd. Euro aufgerufen. Und der Baustoffkonzern Xella erwägt einen neuen Anlauf: Lone Star hatte das für Ytong-Porenbeton bekannte Unternehmen erst 2017 für 2,2 Mrd. Euro inklusive Schulden erworben. Gemessen an den Bewertungen von Rivalen könnte Xella auf 2 Mrd. Euro Börsenwert kommen. Zudem gelten schon länger der Textildiscounter Takko (Apax) und der TV-Shoppingsender HSE 24 (Providence) als Kandidaten.Carlyle treibt indes den Börsengang der Berliner Atotech in New York voran. Der amerikanische Finanzinvestor hatte das Spezialchemieunternehmen erst Ende 2016 für 3,2 Mrd. Dollar dem französischen Ölmulti Total abgekauft und soll eine Bewertung von 5 Mrd. Dollar anstreben. Auch den Smartphone-Displayhersteller Via Optronics aus Nürnberg zieht es an den US-Markt.