DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: JULIAN ZU PUTLITZ

Auslandsgeschäft dominiert künftig Sixt deutlich

Anstieg des Umsatzanteils der Aktivitäten außerhalb des Heimatmarktes auf 70 Prozent erwartet - Tourismusboom bringt Autovermieter auf Rekordkurs

Auslandsgeschäft dominiert künftig Sixt deutlich

– Herr zu Putlitz, Sixt befindet sich in Bezug auf das Vorsteuerergebnis 2017 auf Rekordkurs. Analysten rechnen damit, dass sich dieser Trend 2018 fortsetzt. Was halten Sie davon?In den ersten neun Monaten dieses Jahres haben wir bereits mehr vor Steuern verdient als im gesamten Vorjahr. 2017 wird für Sixt ein neues Rekordjahr werden. Wir sind zuversichtlich, dass wir auch in den kommenden Jahren die gute Entwicklung fortschreiben können.- Was treibt Sixt an?Uns werden auch künftig folgende Themen im Kerngeschäft Autovermietung vorantreiben: zum einen die generell steigende Nachfrage nach Mobilität, zum anderen die Internationalisierung unseres Geschäfts, vor allem im westeuropäischen Ausland und in Nordamerika. Das wird Sixt auch in den kommenden Jahren prägen.- Was bedeutet das für die Dividende für 2017?Sixt verfolgt grundsätzlich eine aktionärsfreundliche Dividendenpolitik. Das haben wir bereits in den vergangenen Jahren gezeigt, als die Ausschüttungsquote in der Regel zwischen 50 und 60 % lag. Denn wir wollen die Aktionäre an der positiven Entwicklung des Unternehmens teilhaben lassen. Allerdings müssen wir auch den Investitionsbedarf für die Expansion berücksichtigen, denn das Wachstum im operativen Geschäft hat prinzipiell Vorrang. Der Spielraum für Gewinnausschüttungen bemisst sich daher nach den Investitionsanforderungen und dem vorhandenen Eigenkapital. Bekanntlich ist Sixt sehr profitabel und verfügt über eine Eigenkapitalquote weit über dem Durchschnitt unserer Branche. Wir haben deshalb gute Voraussetzungen, um auch weiterhin attraktive Dividenden zahlen zu können.- Sixt schüttete zuletzt mit 78 Mill. Euro 50 % des Jahresüberschusses an die Aktionäre aus. Welche Ausschüttungsquote ist für Sie ein Richtwert?Wir haben keine festgeschriebene Dividendenpolitik mit einer bestimmten Ausschüttungsquote. Der Verfügungsspielraum für den Jahresgewinn wird vom operativen Geschäft, von Wachstumsmaßnahmen und der Eigenkapitalausstattung, die wir für unsere Expansion benötigen, bestimmt. Wachstum verlängert unsere Bilanz, vor allem durch die Aufnahme zusätzlicher Autos in unsere Vermietflotte. Das Eigenkapital sollte in etwa im gleichen Maße mitwachsen, was heißt, dass wir in einer Wachstumsphase immer auch einen Teil der Gewinne thesaurieren müssen.- Die Aktie befindet sich im Höhenflug. Mit über 3,1 Mrd. Euro beträgt die Marktkapitalisierung das Dreifache des bilanziellen Konzern-Eigenkapitals. Ist Sixt mittlerweile überbewertet?Der Kapitalmarkt honoriert die erfolgreiche Entwicklung von Sixt. Die Marktkapitalisierung reflektiert dabei im Wesentlichen zwei Werthebel: erstens das Wachstum, zweitens die Rentabilität. Bei beiden Punkten sind wir sehr gut unterwegs. Wir erzielen zweistellige Wachstumsraten beim Umsatz und beim Ergebnis, die weit über denen unserer Wettbewerber liegen. Aus Perspektive der Investoren sind beide Aspekte die treibenden Faktoren für den Marktwert von Sixt und erzeugen bei den Investoren zudem ein gewisses Maß an Kursfantasie.- Was meinen Sie damit konkret?Mobilität ist generell ein Thema, das von vielen Megatrends beeinflusst wird wie zum Beispiel Carsharing, neue Antriebsformen wie Elektromotoren, vernetzte Mobilität und autonomes Fahren. Hinzu kommt: Das, was wir an den Kapitalmarkt kommuniziert haben, halten wir auch ein oder übertreffen es. Das hat sich in der Bewertung der Sixt-Aktie niedergeschlagen. Sechs von acht Analysten, die uns covern, empfehlen die Aktie zum Kauf. Offensichtlich sehen diese weiterhin Potenzial für unsere Aktien.- Mit dem seit 2015 börsennotierten Wettbewerber Europcar hat Sixt erstmals ein vergleichbares europäisches Unternehmen mit einem Marktwert von 2 Mrd. Euro in einer Peergroup. Wie bewerten Sie das?Wir begrüßen, dass wir neben den US-Konzernen Hertz und Avis Budget nun auch einen europäischen Spieler haben, mit dem wir direkt vergleichbar sind. Das schafft Transparenz und gibt einen tieferen Einblick, wie unterschiedlich die Qualität und Solidität der Geschäftsmodelle und der Bilanzen sind. Das kommt in den Zahlen sehr klar zum Ausdruck. Unsere Eigenkapitalquote liegt bei stattlichen 27 %. Unsere Wettbewerber operieren in einer Bandbreite zwischen 1 % und 14 %.- Was heißt das?Das zeigt, dass unsere Konkurrenten ganz andere Ansätze verfolgen als wir. Wenn man sich zudem die Aktivseite der Bilanzen mancher Wettbewerber anschaut, erkennt man erhebliche potenzielle Werthaltigkeitsrisiken. Die immateriellen Vermögenswerte, zum Beispiel für die Bewertung von Marken oder für Goodwill, machen dort 10 % bis 26 % der Bilanzsumme aus und liegen damit deutlich über den jeweiligen Werten des bilanziellen Eigenkapitals. Bei Sixt entsprechen die immateriellen Vermögenswerte gerade einmal 1 % der Bilanzsumme und sind um ein Vielfaches durch das Eigenkapital gedeckt.- Die Eigenkapitalquote von Sixt liegt weit über Ihrem Mindestzielwert von über 20 %. Besteht Potenzial für weitere Aktienrückkäufe?Wir haben bei der Eigenkapitalquote ein sehr komfortables Polster in Bezug auf unseren Mindestzielwert. Wir verfügen über Vorratsbeschlüsse der Hauptversammlung, auf deren Basis wir weitere Aktienrückkäufe vornehmen könnten. In den vergangenen Jahren haben wir insgesamt drei Aktienrückkaufprogramme durchgeführt mit einem Gesamtvolumen von 90 Mill. Euro. Das zeigt, dass wir dieses Instrument verantwortungsbewusst einsetzen. Es zeigt aber auch, dass wir keine fundamentale Veränderung unserer Finanzierungsstruktur herbeiführen wollen. Wir setzen Aktienrückkäufe ein, um bestimmte Erfolgskennzahlen wie den Gewinn je Aktie gezielt zu optimieren, was im Sinne der Aktionäre ist. Im Moment haben wir keine konkreten Pläne, neue Aktienrückkaufprogramme aufzulegen.- Das Kerngeschäft boomt und treibt die Profitabilität. Erwägen Sie, das langfristige Renditeziel für den Konzern zu erhöhen?Wir peilen nach wie vor eine Rendite vor Steuern in der Autovermietung von 10 % und im Leasinggeschäft von 6 % an – jeweils im Verhältnis zum operativen Umsatz, also ohne den Verkauf von Fahrzeugen. Diese Ziele wollen wir langfristig und nachhaltig erreichen, das heißt auch über einen Konjunkturzyklus hinweg. Renditevorgaben stehen zudem immer in einem gewissen Spannungsverhältnis zu Wachstumszielen, denn das Erschließen neuer Märkte verursacht naturgemäß Anlaufverluste, wie unsere Expansion in den USA gezeigt hat. Insofern fühlen wir uns mit dem erreichten Renditeniveau und den Renditenzielen wohl.- Die seit Mai 2015 börsennotierte Konzerntochter Sixt Leasing wird von Sixt voll konsolidiert. Soll das immer so bleiben?Die Art der Konsolidierung von Sixt Leasing richtet sich nach den Vorschriften von IFRS 10. Konkret sind die Höhe der Beteiligung, die Abhängigkeit bei der Finanzierung sowie die Besetzung der Gremien maßgeblich, die in der Gesamtschau zu bewerten sind. Wir halten zwar nur 42 % an Sixt Leasing. Jedoch verfügt Sixt über die Stimmenmehrheit im Aufsichtsrat der Gesellschaft. Und die Finanzierungsstruktur stellt derzeit noch auf die bestehende Fremdkapitalfinanzierung durch Sixt ab, die aktuell 190 Mill. Euro beträgt. Wenn diese im kommenden Jahr zurückgeführt worden ist, werden wir die Voraussetzungen für einen Wechsel zu einer anderen Art der Konsolidierung sicher neu prüfen.- Um DriveNow wird gerungen. Ihr Kooperationspartner BMW plant eine engere Zusammenarbeit mit Daimler auf diesem Gebiet. Ist Ihr Carsharing-Joint-Venture aus bilanzieller Sicht ein unverzichtbarer Bestandteil für Sixt?Im Gegensatz zu Sixt Leasing wird DriveNow im Konzern als at Equity bewertete Beteiligung bilanziert. Diese Position macht gerade einmal 1 % der Bilanzsumme aus. Hieraus wird ersichtlich, dass der strategische Wert, der diesem Geschäft beizumessen ist, sicherlich ein Vielfaches höher ist als der bilanzielle Wert. Zu den Marktspekulationen geben wir keinen Kommentar ab.- Wie bewerten Sie den Wandel in der Autoindustrie unter Risiko- und Chancengesichtspunkten für Sixt?Die Mobilität unterliegt heute vielfältigen, für uns alle noch gar nicht absehbaren Veränderungen. Insofern ist es schwer, in die Zukunft zu extrapolieren, welche Auswirkungen die Trends haben werden. Wenn man es aber auf die wesentlichen Erkenntnisse reduziert, die man aus den verschiedenen Entwicklungen beobachten kann, überwiegen unserer Ansicht nach die Chancen die Risiken.- Was macht Sie so sicher?Die Verhaltensmuster in Bezug auf die Mobilitätsnutzung entwickeln sich für Sixt positiv. Zum Beispiel tritt der Eigentumsgedanke in den Hintergrund. Infolgedessen bekommen Carsharing und Autovermietung eine höhere Bedeutung. Immer mehr Menschen halten nicht notwendigerweise ein Auto für die eigenen Mobilitätsbedürfnisse vor, sondern fragen bei einem konkreten Bedarf nach Marktangeboten. Das heißt nichts anderes, als dass man in irgendeiner Form ein Fahrzeug mietet.- Großbritannien ist ein wichtiger Markt für Sie. Birgt der Brexit für den Konzern operative und bilanzielle Risiken?Großbritannien ist für uns der viertgrößte Auslandsmarkt. Unser Geschäft findet lokal statt, zeichnet sich also nicht durch komplexe internationale Wertschöpfungsketten aus. Wir kaufen Autos in England in britischen Pfund für den englischen Markt ein, und wir vermieten sie an unsere Kunden zu britischen Pfund. Wir haben also keine transaktionalen Währungsrisiken. Wir haben lediglich in der Bilanz ein Translationsrisiko, wenn wir das Ergebnis der britischen Tochtergesellschaft in Euro umrechnen.- Was passiert bei einem wirtschaftlichen Abschwung auf der Insel?Wenn es jedoch zu einem wirtschaftlichen Abschwung in Großbritannien infolge des Brexit käme, dann würden wir uns sehr wahrscheinlich dem nicht entziehen können, denn das Autovermietgeschäft ist naturgemäß konjunkturabhängig. In einer schlechten Konjunktur können wir allerdings die Fuhrparkkapazitäten der sinkenden Nachfrage rasch angleichen und damit die Kosten reduzieren. Im Finanzkrisenjahr 2009 hatten wir unsere Flottenkapazitäten binnen sechs Monaten an die veränderten Marktbedingungen angepasst.- Ihr Carsharing-Partner BMW verzeichnet in Großbritannien rückläufige Verkaufzahlen. Wie läuft das Geschäft für Sixt auf der Insel?Unser Geschäft in Großbritannien wächst mit zweistelligen Raten. Wir expandieren auf der Insel vor allem im Retailbereich und gewinnen dort Marktanteile. Das Privatkundengeschäft ist dabei unser wesentlicher Wachstumstreiber.- Der Wettbewerb in Ihrer Branche ist intensiv. Dämpft der Preisdruck die Margendynamik von Sixt?Der Wettbewerb in der Branche war und ist schon immer intensiv. Das hat aber der erfolgreichen Entwicklung von Sixt keinen Abbruch getan. Wir positionieren uns nicht als ein Vermieter, der den gesamten Markt oder speziell das Low-Cost-Segment adressieren will, sondern als Premiumanbieter. Damit haben wir überdurchschnittliche Renditen erzielt und sind Marktführer in Deutschland geworden.- Befürchten Sie, dass Wettbewerber versuchen, mit Kampfpreisen Marktanteile zu gewinnen?Wir erwarten, dass sich unsere Wettbewerber rational verhalten. Denn viele von ihnen befinden sich bilanziell in einer so schwachen Lage – niedrige Rentabilität, hohe Verschuldung -, dass sie kein Interesse daran haben können, sich mit Kampfpreisen, die zulasten ihrer eigenen Rendite gingen, Marktanteile zu erkaufen und dabei hohe Verluste einzufahren. Eine solche Strategie wäre nicht nachhaltig durchsetzbar.- Der freie Cash-flow des Konzerns bleibt 2017 voraussichtlich negativ. Warum?Der freie Cash-flow ist die Summe des Cash-flows aus betrieblicher Geschäftstätigkeit und des Cash-flows aus Investitionstätigkeit. Immer wenn wir – wie derzeit – wachsen, müssen wir vorab hohe Investitionen in den Aufbau unserer Fahrzeugflotte tätigen, um anschließend mit den erworbenen Fahrzeugen im operativen Geschäft Geld verdienen zu können. Daher ist der freie Cash-flow zwangsläufig negativ. Der negative freie Cash-flow ist somit in unserem Geschäftsmodell ein Zeichen von Wachstumsstärke.- Wie bewerten Sie das Zinsänderungsrisiko für Sixt, wenn die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik normalisieren sollte, also schrittweise die Leitzinsen erhöht?Einen Großteil des operativen Geschäfts refinanzieren wir mit langfristigen Finanzierungsinstrumenten mit fester Verzinsung. Dabei handelt es sich um Anleihen und Schuldscheindarlehen mit relativ günstigen Konditionen. Das bedeutet, dass wir in hohem Maße gegen Zinssteigerungen abgesichert sind. Deshalb würden uns angehobene Leitzinsen nicht unmittelbar treffen. Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit, Zinssteigerungen in unsere Angebotskalkulationen mit einfließen zu lassen.- Die längste Schuldverschreibung über Anleiheemissionen läuft 2022 aus. Das heißt, bis dahin wären Sie auf der sicheren Seite. Haben Sie Bedarf nach weiteren Emissionen?Wir sind derzeit noch in der Planung für das kommende Jahr. Wir loten aus, welche Finanzierungen wir für opportun halten und welchen Finanzierungsmix. Wir refinanzieren uns nicht nur langfristig am Kapitalmarkt, sondern haben auch ein Commercial-Paper-Programm von 300 Mill. Euro und 1,2 Mrd. Euro an bilateralen Kreditlinien. Daher verfügt Sixt über ein breit diversifiziertes Portfolio an Finanzierungsinstrumenten. Das verleiht uns Unabhängigkeit und Flexibilität auch in Krisenzeiten. Das hat die Finanzmarktkrise gezeigt.- Die Finanzverbindlichkeiten von Sixt stiegen per Ende 2016 auf 2,1 Mrd. Euro. Wie geht es weiter?Die Ausweitung der Finanzverbindlichkeiten ist hauptsächlich auf die Bilanzverlängerung im Zusammenhang mit der vergrößerten Vermiet- und Leasingflotte zurückzuführen. Sie wird sich in dem Maße fortsetzen, in dem wir weiterhin derart rapide wachsen.- Gibt es für die Verschuldung bei Sixt eine Obergrenze?Dafür gibt es keinen absoluten Wert. Entscheidend ist das Kreditprofil. Sixt verfügt über kein externes Rating der drei großen Ratingagenturen. Implizit haben wir aber ein Investment-Grade-Rating. In diesem Bereich wollen wir weiter angesiedelt sein. Das bedeutet, dass wir weiterhin auf eine starke Eigenkapitalquote setzen.- Das Geschäft in Deutschland läuft gut. Dank des Booms in Frankreich und in Spanien sowie der Expansion in den USA stieg der Auslandsanteil im Kernsegment 2016 auf 53 %. Mit welcher Quote rechnen Sie auf lange Sicht?In den großen Auslandsmärkten wachsen wir mit zweistelligen Raten, in Deutschland naturgemäß mit geringeren, da wir in unserem Heimatmarkt bereits einen relativ hohen Marktanteil von mehr als 30 % erreicht haben. Zwangsläufig wird deshalb der Anteil des Auslands an unseren Erlösen weiter kontinuierlich steigen. Wir erwarten, dass unser Umsatzanteil aus dem Ausland mittelfristig auf 60 % und langfristig auf 70 % wächst oder sogar darüber hinaus.—-Das Interview führte Stefan Kroneck.