Autokonzernen droht Milliardenbuße
Nach gut zweijähriger Ermittlung wirft die EU-Kommission BMW, Daimler und VW illegale Absprachen bei Abgasreinigungssystemen vor. Die Konzerne reagieren darauf unterschiedlich. Sollte die Behörde nach den Stellungnahmen an ihren Vorwürfen festhalten, kann es insbesondere BMW finanziell hart treffen.igo/sck Stuttgart/München – Im Oktober 2017 hatten BMW, Daimler, Volkswagen und ihre Tochter Audi Besuch von den Ermittlern der EU-Wettbewerbskommission erhalten. Es ging um den Verdacht, dass sich die Hersteller über Jahre hinweg illegal abgesprochen hatten. Ein Jahr später wurde ein formales Kartellverfahren eröffnet. Nun kam die Behörde von EU-Kommissarin Margrethe Vestager vorerst zu dem Schluss, dass die drei Hersteller die eingeschränkte Entwicklung und Einführung von Abgasreinigungstechnologien für neue Diesel- und Benzin-Pkw im Europäischen Wirtschaftsraum abgesprochen und damit gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen haben. Vorerst, weil sich die Konzerne gegenüber der Kommission noch zu den Vorwürfen äußern können.Daimler und VW hatten bereits Ende 2017 eingeräumt, sich bei der EU als Kronzeugen gemeldet zu haben. Beide Konzerne waren auch Teil des Lkw-Kartells, das die Behörde 2016 und 2017 mit einer Rekordbuße von insgesamt 3,8 Mrd. Euro geahndet hatte (vgl. BZ vom 20.7.2016). Bei Daimler war bei internen Untersuchungen in diesem Zusammenhang der Verdacht aufgekommen, dass auch die Inhalte von Treffen mit BMW und VW hinsichtlich neuer Abgastechnologien kartellrechtlich relevant sein könnten. Also wendeten sich die Stuttgarter an die Kartellbehörden und beantragten den Status als Kronzeuge und damit Bußgeldimmunität. Auch bei VW keimte der Verdacht durch Funde in internen Ermittlungen auf, wobei die Wolfsburger ihren Kronzeugenantrag Branchenkreisen zufolge nach Daimler einreichten. BMW hatte das Verhalten der Wettbewerber maßlos geärgert (vgl. BZ vom 26.10.2017).Grundsätzlich dürften sich Konzerne absprechen, um die Qualität ihrer Produkte zu verbessern, konstatiert die EU-Kommission. Bei den Pkw-Herstellern sei aber wohl genau das Gegenteil der Fall gewesen. Konkret geht es um Absprachen über die Größe und den Einführungszeitraum sogenannter SCR-Katalysatoren für Diesel-Pkw sowie die Entwicklung von Partikelfiltern für Benziner (siehe Kasten).Volkswagen will sich erst nach einer Prüfung der Vorwürfe detailliert dazu äußern. Der Konzern zeigte sich aber erleichtert, dass die Kommission keine Anhaltspunkte dafür sieht, “dass es eine Verbindung zwischen diesem Verfahren und den Vorwürfen hinsichtlich unzulässiger Abschalteinrichtungen gibt”. Auch Vestager wies darauf hin, dass ihre Ermittlungen getrennt von denen verschiedener Staatsanwaltschaften erfolgten. Daimler teilte mit, “frühzeitig und umfassend mit der Europäischen Kommission als Kronzeuge kooperiert” zu haben; der Autobauer rechne nicht mit einem Bußgeld. Schneller durch AbsprachenBMW wies indes sämtliche Verdachtspunkte, mit den Absprachen gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen zu haben, zurück. “Die BMW Group sieht in diesem Verfahren den Versuch, die zulässige Abstimmung von Industriepositionen zu regulatorischen Rahmenbedingungen mit unerlaubten Kartellabsprachen gleichzusetzen”, so der Konzern. Den beteiligten Ingenieuren sei es darum gegangen, die Abgasnachbehandlung zu verbessern. Die Gespräche zielten nicht darauf ab, Kunden und Lieferanten zu schädigen.Beim Thema SCR-Katalysatoren wies BMW darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit den Wettbewerbern “zur schnellen Serienreife” des Abgasreinigungssystems geführt habe. Hier sollen sich die Hersteller laut EU unter anderem über die Größe der Tanks für die Harnstofflösung Adblue abgesprochen und auf kleinere Ausführungen geeinigt haben. Dadurch wird der Wirkungsgrad der Abgasreinigung gesenkt. BMW habe in der Praxis größere Adblue-Tanks eingebaut, so die Münchner nun. Die Wirkung zu mindern sei für den Konzern “zu keiner Zeit eine Option” gewesen. Bei Abgasreinigungssystemen sei BMW “von Anfang an ihren eigenen Weg gegangen”. Partikelfilter für Benzinmotoren indes seien zum damaligen Zeitpunkt technisch noch nicht ausgereift gewesen, so BMW weiter. Die Autobauer hätten daher “technische Wahlfreiheit” propagiert. Ziel sei “gerade ein möglichst offener und intensiver Wettbewerb um die beste Lösung” gewesen.Sollte die EU-Kommission auch nach der Stellungnahme der Konzernen an ihren Vorwürfen festhalten, droht BMW eine hohe Geldbuße, während Daimler auf Bußgeldfreiheit und VW zumindest auf einen Rabatt wegen Kooperation hoffen können. Die Kommission kann bis zu 10 % des Jahresumsatzes als Strafe verhängen. BMW erlöste zuletzt 97,5 Mrd. Euro, während es bei VW 236 Mrd. Euro und bei Daimler 167 Mrd. Euro waren.Beim Lkw-Kartell hatte Scania ähnlich agiert wie nun BMW. Die VW-Tochter beteiligte sich nicht an dem Vergleich, den andere Hersteller wie Daimler oder Volvo mit der EU geschlossen hatten. Während die Wettbewerber aufgrund der Kooperation 10 % Straferlass erhalten hatten, musste Scania, wenn auch zeitverzögert, mit 880 Mill. Euro das volle Bußgeld bezahlen.