Serie IAA Mobility (4)Automobilindustrie

Autozulieferer ringen um höhere Preise

Die Verhandlungen mit den Autoherstellern über die Weitergabe höherer Preise und Kosten sind entscheidend für die Profitabilität der Zulieferer. Auch stabile Lieferketten sind besonders im Blick.

Autozulieferer ringen um höhere Preise

SERIE: IAA MOBILITY (4)

Zulieferer ringen um höhere Preise

Verhandlungen mit Autoherstellern entscheiden über Profitabilität – Stabile Lieferketten im Blick

Von Joachim Herr, München

Zwei Themen stehen auf der Prioritätenliste der Autozulieferer ganz weit oben: die Weitergabe der gestiegenen Preise für Rohstoffe, Material und höherer Löhne an die Kunden sowie die Sicherung einer zuverlässigen Versorgung mit Bauteilen. Beides ist wesentlich für auskömmliche Gewinne, um nötige Investitionen zu stemmen.

Vitesco Technologies hat eine spezielle Task Force für das Thema Lieferanten eingerichtet. Die Arbeitsgruppe des Regensburger Herstellers von Antriebstechnik beschäftigt sich mit den Unternehmen, die Vitesco mit Material und Komponenten versorgen. "Sie kümmert sich darum, ob Lieferanten finanziell kollabieren könnten", berichtet der Vorstandsvorsitzende Andreas Wolf und betont: "Nur in Einzelfällen greifen wir ein." Als Beispiel nennt Wolf Anzahlungen. "Es ist keine große Welle", fügt er hinzu. Nur wenige klopften an die Tür und wendeten sich wegen Problemen an Vitesco.

Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 9 Mrd. bis 10 Mrd. Euro hat ein weit verzweigtes Netzwerk von Lieferanten, da Vitesco in allen großen Automobilregionen mit rund 50 Fertigungsstätten präsent ist. Allein mehr als 1.700 Quellen gibt es für Produktionsmaterial, für Material außerhalb der Produktion sind es sogar gut 15.000 Lieferanten. Es geht um rund 40.000 Teilenummern und ein Gesamtvolumen von mehr als 52 Milliarden Komponenten im Jahr allein in der Serienfertigung.

Mercedes-Benz leistet Hilfe

Wie wichtig funktionierende Lieferketten sind, zeigten spätestens die Engpässe auf, die wegen der stark erholten Nachfrage nach der ersten Phase der Corona-Pandemie Autos plötzlich zu einem knappen Gut mit langen Lieferzeiten machten. Auch die Fahrzeugproduzenten nehmen eine zuverlässige Versorgung verstärkt in den Blick. So hat Mercedes-Benz im vergangenen Jahr Lieferanten unter- und gestützt – mit einmaligen Zahlungen, wie das Stuttgarter Unternehmen hervorhebt.

| Quelle:

Nicht immer können sich Lieferanten mit solchen Hilfen retten. Das fränkische Familienunternehmen Dr. Schneider etwa musste im September 2022 einen Insolvenzantrag stellen. Dem Produzenten von Belüftungsanlagen, Verkleidungen, Mittelkonsolen und anderen Komponenten für den Innenraum von Autos war während der Sanierung das Geld ausgegangen, wie der Insolvenzverwalter Joachim Exner berichtete.

Indischer Käufer

Doch für das Unternehmen, das 1927 als Zigarrenfabrik gegründet worden war, geht es weiter: Im vergangenen Monat erwarb der indische Autozulieferer Samvardhana Motherson Group für 118 Mill. Euro die Firma mit 4.800 Arbeitsplätzen. Die Gruppe war schon zuvor in Deutschland präsent: Zu ihr gehören Peguform in Bötzingen bei Freiburg (Kunststoffteile) und Reflectec in Stuttgart (Rückspiegel) sowie SAS Autosystemtechnik in Karlsruhe (Montage- und Logistikdienstleistungen), deren Übernahme zu Beginn dieses Monats abgeschlossen wurde.

Finanzinvestoren zögern

Mit schwachen Umsatzrenditen kämpfen viele Zulieferer. Nicht allen gelingt ein Neuanfang, vor allem wenn das Verbrennergeschäft dominiert. Finanzinvestoren halten sich zurück, außer sie sind auf Sanierungsfälle spezialisiert. „Autozulieferer mit einer Marge von 4 oder 5% und mit ein oder zwei Großkunden und einem austauschbaren Produkt wie Spritzgussteilen sind billig zu bekommen“, berichtet Tobias Hoffmann-Becking. „Doch es ist sehr schwer, mit solchen Unternehmen Geld zu verdienen.“ Hoffmann Becking ist Vorstandschef der Münchner Beteiligungsgesellschaft Blue Cap.

Der europäische Branchenverband Clepa schlägt immer wieder Alarm. Zuletzt im Juni, als die Auswertung der Finanzergebnisse der Zulieferer im ersten Quartal dieses Jahres präsentiert wurde. Es gebe zwar positive Anzeichen, berichtet Clepa. "Dennoch kämpft die Hälfte der Unternehmen immer noch damit, ein Rentabilitätsniveau zu erreichen, das für langfristige Investitionen in den Wandel der Branche erforderlich ist."

Der Verband hält dafür eine operative Rendite von mindestens 5% für notwendig. In den ersten drei Monaten dieses Jahres erzielten die europäischen Unternehmen im Durchschnitt eine Marge von 6%, immerhin 0,26 Punkte mehr als ein Jahr zuvor. Doch etwa 50% müssen sich mit einer geringeren Profitabilität begnügen oder sogar Verluste hinnehmen.

Drei Hebel

Wie Clepa beobachtet, konzentrieren sich viele Zulieferer auf drei Hebel, um rentabler zu werden: die Weitergabe der inflationär gestiegenen Kosten an die Autohersteller, eine verstärkte Kostendisziplin und Veränderungen im Produktportfolio. Die Verhandlungen mit den Fahrzeugproduzenten sind ein entscheidender Ansatzpunkt. Das verdeutlicht das Beispiel Vitesco: Das Unternehmen steigerte nach neuen Abschlüssen mit den Kunden die operative Marge von 1,6% im ersten Quartal auf 3,1% im zweiten. Die Werte sind wie geplant relativ niedrig, da das stark wachsende Geschäft mit Produkten für Elektrofahrzeuge erst im nächsten Jahr die Gewinnschwelle erreichen soll.

Die Bandbreite, wie die Verhandlungen mit den Autokonzernen ablaufen, ist offenbar groß. Vitesco-Vorstandschef Wolf berichtet von "sehr konstruktiven und weniger konstruktiven Gesprächen" mit den Kunden. Diese hingen auch vom jeweiligen Produkt und dem Kräfteverhältnis beider Seiten ab. Mit den Ergebnissen zeigt er sich zufrieden. Vitesco habe sich vorgenommen, 80% des Kostenanstiegs weiterzugeben. "Und da sind wir auch rausgekommen", sagt er.

"Partnerschaftlicher Dialog"

Der Finanzvorstand von ZF, Michael Frick, spricht von einem "partnerschaftlichen Dialog" mit den Kunden über das Weiterreichen des Kostenanstiegs. Freilich halten sich die Manager der Zulieferer in ihren öffentlichen Kommentaren mit Kritik zurück, um die mächtigen Autohersteller nicht zu verärgern. Wie hart die Gespräche geführt werden, ist allenfalls als Hintergrundinformation zu erfahren. ZF nutzt auch die anderen beiden vom europäischen Branchenverband Clepa erwähnten Hebel, um die Profitabilität zu steigern: Kostendisziplin und Bereinigungen im Portfolio.

Für mehrere Konzernteile sucht das Unternehmen mit Sitz in Friedrichshafen Partner oder Käufer. Für das Airbag-Geschäft, das keine Synergien für die anderen Sparten liefert, prüft das Unternehmen mit Hilfe der Investmentbank Citi mehrere Optionen, darunter einen Börsengang. Im nächsten Jahr könnte die Entscheidung fallen, wie Frick andeutete.

Verschuldung ist Bürde

ZF geht es nicht nur darum, die operative Rendite von 4% im ersten Halbjahr auf die angepeilten 4,7 bis 5,2% in den gesamten zwölf Monaten zu steigern. Der bereinigte freie Cashflow soll von rund minus einer halben Mrd. Euro auf plus 1 Mrd. bis 1,5 Mrd. Euro steigen. Das Unternehmen will damit vor allem seine relativ hohe Nettoverschuldung verringern. Das ist die Bürde der zwei großen Akquisitionen TRW und Wabco. Mitte des Jahres lag die Nettoverschuldung bei knapp 11,5 Mrd. Euro, dem Dreifachen des Ebitda in den vergangenen zwölf Monaten.

Auch Continental arbeitet am Verbessern des Cashflows. Aus einem Mittelabfluss von 14 Mill. Euro in der ersten Hälfte soll ein Zufluss von 800 Mill. bis 1,2 Mrd. Euro im gesamten Jahr werden. Belastet wird der Cashflow von Conti und anderen Zulieferer vom relativ hohen Betriebskapital. Grund dafür ist vor allem, dass nach den Erfahrungen mit Engpässen die Vorräte an Material und Bauteilen erheblich aufgestockt wurden. Jetzt geht es um ein Herunterfahren auf ein normales Maß. Conti habe hier erste Fortschritte erzielt, berichtete Finanzchefin Katja Dürrfeld vor zwei Wochen. "Gleichwohl müssen wir die Lagerbestände weiter verringern."

Das gelte auch für das noch immer hohe Volumen an Forderungen, die ebenfalls den freien Cashflow senken.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.