BaFin knöpft sich Gerresheimer vor
BaFin knöpft sich
Gerresheimer vor
Verdacht: Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften
ab Köln
Die Finanzaufsicht BaFin nimmt den jüngsten Geschäftsbericht von Gerresheimer genauer unter die Lupe. Basierend auf „konkreten Anhaltspunkten“ für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften leitet die Behörde eine anlassbezogene Bilanzkontrollprüfung ein, wie mitgeteilt wird.
BaFin-Wirtschaftsprüfer sollen dem Verdacht nachgehen, Gerresheimer habe im Abschluss 2024 (zum 30. November) möglicherweise Umsätze erfasst, die noch nicht realisiert waren. Sollte sich der Verdacht bestätigen, hätte der Spezialverpackungshersteller Umsatz und Kundenforderungen im vorigen Geschäftsjahr zu hoch ausgewiesen, mit entsprechender Folgewirkung auf das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) und das bereinigte Ergebnis je Aktie, heißt es.
Kurssturz
Die Nachricht schlug an der Börse gewaltig ein. In der Spitze stürzte der Kurs des MDax-Werts um fast 40% ab. Erst nachdem Gerresheimer zu dem Vorwurf relativierend Stellung nahm, grenzte sich der Kursverlust auf 14% ein.
Nach Darstellung des Unternehmens geht es um Bestellungen, für die im letzten Drittel des vorherigen Geschäftsjahres sogenannte „Bill-and-Hold“-Vereinbarungen abgeschlossen wurden. Bei diesen Geschäften wird für Waren bereits eine Rechnung ausgestellt, dann aber erst auf Abruf geliefert. Im Rahmen der Prüfung werde nun geklärt, ob Gerresheimer diese Umsätze im Geschäftsabschluss 2024 erfassen durfte oder nicht. Das Unternehmen sei unverändert der Auffassung, dass die Buchung der Umsätze und Gewinne im Einklang mit den entsprechenden Rechnungslegungsvorschriften stehe.
Gerresheimer hat den Abschlussprüfer erst im Geschäftsjahr 2024 aufgrund gesetzlicher Vorgaben gewechselt, in der Ausschreibung hatte sich KPMG gegen PwC durchgesetzt. Vor dem Wechsel zu KPMG als Abschlussprüfer hatte Deloitte die Gerresheimer-Berichte testiert.
Niedriger zweistelliger Millionenbetrag
Nach den Angaben geht es bei den fraglichen Umsätzen insgesamt nur um einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag, also um einen geringen einstelligen Prozentsatz des Konzernumsatzes. Für das im November 2024 abgelaufene Geschäftsjahr hatte Gerresheimer im Konzern Erlöse von 2,04 Mrd. Euro bilanziert.
„Wir nehmen die Prüfung durch die Aufsichtsbehörden sehr ernst“, wird Finanzvorstand Wolf Lehmann zitiert. „Transparenz, Compliance und Corporate Governance sind uns sehr wichtig.“ Gerresheimer werde vollumfänglich mit der BaFin kooperieren, verspricht Lehmann, der erst seit 1. September bei Gerresheimer an Bord ist. Der Beteiligungsmanager folgte auf Bernd Metzner, der auf Druck von Investoren gehen musste. Metzner wechselte zum Molkerei-Konzern Theo Müller.