Bahn-Chef schielt auf Verkäufe

CEO Lutz: Könnten Pläne für Schenker und Arriva wieder aus der Schublade holen - Schuldengrenze soll mit 20 Mrd. Euro halten

Bahn-Chef schielt auf Verkäufe

Die Verschuldung der Deutschen Bahn steigt und die Aufgaben wie Qualitätsverbesserung und Digitalisierung erfordern Mittel. Richard Lutz, Chef des Staatskonzerns, bringt wieder den Börsengang von Töchtern ins Gespräch – es geht um Minderheitsanteile an der britischen Arriva und am Logistiker Schenker.wb Frankfurt – Die Deutsche Bahn erwägt angesichts steigender Verschuldung und Kapazitätsengpässe den Teilverkauf oder Börsengang der Töchter Arriva in Großbritannien und der Logistik, also Schenker. “Es kann durchaus sein, dass diese alten Pläne – jedenfalls von unserer Seite aus – wieder auf den Tisch gelegt werden”, sagte Bahnchef Richard Lutz im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Damit könne die Verschuldung gesenkt werden, die dieses Jahr auf die “magische” Marke von 20 Mrd. Euro netto zusteuert. “Beide Unternehmen sind sicherlich interessant und attraktiv, was die aktuelle Performance und die künftigen Wachstumsaussichten angeht”, sagte Lutz, dem mit Alexander Doll von 2019 an der frühere Investmentbanker und vormalige Chef von Barclays Deutschland als CFO zur Seite steht. Er bleibt Cargo- und Logistikchef. Börsenpläne für Arriva, in der die Auslandsaktivitäten im Nahverkehr gebündelt sind, und Schenker scheiterten vor zweieinhalb Jahren am Widerstand der Politik. Stattdessen zog der Bund eine milliardenschwere Finanzspritze auf, die erste seit 1994. Kaum Synergieeffekte Synergieeffekte zwischen Schenker und dem Schienengüterverkehr (DB Cargo) gebe es ohnehin kaum. Ohne Arriva und Schenker würde der Konzern auf etwa die Hälfte seines Umsatzes schrumpfen, der 2017 bei 42,7 Mrd. Euro lag. Dazu steuerte Arriva mit 5,3 Mrd. Euro mehr als der Fernverkehr (4,2 Mrd.) bei. Schenker, ein Wettbewerber der Deutschen Post DHL, ist mit 16,3 Mrd. Euro die mit Abstand größte Sparte der Gruppe. Arriva verdiente 2017 vor Zinsen und Steuern 301 Mill. Euro, Schenker 477 Mill. Euro, der Konzern kam auf 2,1 Mrd. Euro.Die Bewertung von Arriva wurde extern auf 4,0 Mrd. bis 4,5 Mrd. Euro taxiert. Schenker könnte noch darüber liegen. Es könnten ein Börsengang oder die Hereinnahme von Investoren in Frage kommen. Die Mehrheit will Lutz offenbar behalten. Allerdings gingen Ergebnisanteile von zwei soliden Ertragsbringern dann an Dritte. Dagegen hat der Konzern seit Jahren Probleme im angestammten Schienengüterverkehr hierzulande. Arriva wurde 2010 für 2,8 Mrd. Euro gekauft. Schenker hatte der Staatskonzern 2002 mit dem Erwerb von Stinnes für 2,7 Mrd. Euro zurückgekauft. Geld in die Hand nehmenLutz fordert von der Verkehrspolitik, Klarheit zu schaffen. “Denn wenn man etwas will, muss man auch Geld in die Hand nehmen.” Die Bahn sei mit Kapazitätsengpässen in Infrastruktur, Fahrzeugen und beim Personal konfrontiert, finde aber in der Regierung eine so große Unterstützung wie kaum je zuvor. Die Schiene, die derzeit auf einen Marktanteil aller Verkehrsträger von 7 bis 8 % komme, sei enorm wichtig für Klima, Umwelt und Zukunft der Gesellschaft insgesamt. Doch kann auch der CEO, wie er jüngst in einem Brandbrief deutlich gemacht hat, gegenwärtig nicht zufrieden sein mit Qualität, Performance und Pünktlichkeit. “Wir sind nicht so gut, wie es der Kunde verdient hat”, sagt er. Das “System kommt an die Belastungsgrenze”, was bedeute: “Wir müssen Kapazitäten schaffen.” Dies bedeute Investitionen. “Es ist erkennbar, dass wir weit mehr Geld in die Hand nehmen müssen für Qualität, für Pünktlichkeit, für die Zuverlässigkeit des Systems, für zusätzliche Fahrzeuge und auch für zusätzliches Personal.” Zudem hat er große Pläne für die Digitalisierung und will sich im Breitbandnetzausbau engagieren. Es ist geplant, das Glasfasernetz zu vermarkten. Mit den Einnahmen soll das Netz dann entlang des gesamten Schienennetzes erweitert werden. An den 33 000 Kilometern Streckennetz sind bisher 18 500 mit Glasfaser ausgerüstet. Hinzu komme die Elektrifizierung der noch ausstehenden 40 % des Streckennetzes.Doch wie finanzieren? Schließlich steht der Konzern noch immer tief in der Kreide. “Auf der Verschuldungsseite werden wir die 20 Mrd. Euro nicht überschreiten.” Allerdings waren es zur Jahresmitte schon 19,7 Mrd. Euro. Etwas mehr Klarheit erhofft sich der CEO aus den Diskussionen über die Mittelfristplanung in den nächsten Wochen. Die Situation habe sich nicht dramatisch zugespitzt, die Liquidität liege bei 4 Mrd. Hält gesenktes Ergebnisziel?Nach zwei Gewinnwarnungen sieht der Bahnchef das Unternehmen auf Kurs, das zurückgenommene Ergebnisziel zu erreichen. Derzeit laufe es einigermaßen stabil auf die angepeilten 2,1 Mrd. Euro vor Zinsen und Steuern zu, so dass sich eine erneute Gewinnwarnung nicht abzeichne. Eine erneute Wertberichtigung auf den schwächelnden und defizitären Güterverkehr erkennt Lutz momentan nicht. “Eine Abschreibung im Güterverkehr ist im Moment nicht erkennbar.” Vor drei Jahren hatte die Bahn den Wertansatz um 1,3 Mrd. Euro gesenkt. Lutz rechnet trotz der zahlreichen Verspätungen und den Klagen über die mangelnde Qualität der Bahn mit weiteren Passagierrekorden – nicht zuletzt wegen der Inbetriebnahme der Neubaustrecke zwischen Berlin und München. “Wir haben einen Fahrgastrekord nach dem anderen. Das wird auch so weitergehen.” Derzeit stelle die Bahn “auf Teufel komm raus” ein, insbesondere Lokführer.”Eisenbahninfrastrukturen sind träge Systeme”, weiß Lutz aus Erfahrung. So schlagen sich mit jahrelanger Verzögerung die Einschnitte nieder, die einst vorgenommen wurden, um den Konzern bei dem für 2008 avisierten IPO für Anleger attraktiver zu machen. Es dauere im Schnitt zehn bis 15 Jahre, bis eine Planung umgesetzt sei. Daher werde es Jahre dauern, bis sich erste Effekte der derzeitigen Offensive niederschlügen. Die Bahn will mit der Digitalisierung des Schienennetzes die Kapazitäten für den Zugverkehr um bis zu 20 % erhöhen und so tausende zusätzliche Fahrten am Tag ermöglichen.—– Personen Seite 16