Kreditausfälle

Bei deutschen Unternehmen stehen 91 Mrd. Euro Schulden im Feuer

Die hohen Zinsen bringen verschuldete Unternehmen in Bedrängnis. Zur Mitte des Jahres 2023 standen allein bei den deutschen Unternehmen mit schlechtem Rating, deren Bonitätsnote bei "B" oder darunter liegt, 91 Mrd. Euro an Schulden aus. Das geht aus Daten hervor, die die Ratingagentur Moody’s für die Börsen-Zeitung zusammengestellt hat.

Bei deutschen Unternehmen stehen 91 Mrd. Euro Schulden im Feuer

Hochzins bedrängt verschuldete Unternehmen

Ratingagentur Moodys: Bei deutschen Firmen mit schlechter Bonität stehen 91 Mrd. Euro Schulden im Feuer

cru Frankfurt

Es ist noch gar nicht so lange her, da agierten Unternehmen in einer Welt des praktisch kostenlosen Geldes. Die Zeiten negativer oder niedriger Zinsen sind vorbei, insbesondere nachdem die zehnjährige Bundrendite in der vergangenen Woche zum ersten Mal seit 2011 die 3%-Marke überschritten hat.

Jetzt geraten hoch verschuldete deutsche Unternehmen, davon viele im Besitz von Finanzinvestoren, in Bedrängnis. Zur Mitte des Jahres 2023 standen allein bei den deutschen Unternehmen mit schlechtem Rating, deren Bonitätsnote bei bei "B" oder darunter liegt, 91 Mrd. Euro an Schulden aus. Das geht aus Daten hervor, die die Ratingagentur Moodys für die Börsen-Zeitung zusammengestellt hat. Die Summe umfasst geratete und ungeratete Bankschulden sowie Anleihen.

Neunfaches Operatives Ergebnis an Schulden

Schon heute steht so gut wie fest: Nicht alle diese Schulden werden zurückgezahlt werden. Die Kreditausfälle bei Unternehmen schlechter Bonität nehmen zu. Beim Druckereizulieferer Flint Group, dem Modediscounter Takko Fashion und dem Aufzugszulieferer Wittur mussten die Gläubiger bereits auf einen Teil ihres Geldes verzichten und übernahmen von den bisherigen Eigentümern Goldman Sachs, der Private-Equity-Firma Apax und Bain Capital ungewollt die Kontrolle.

Beim Industrieausrüster Arvos Group, der vollständig der Beteiligungsfirma Triton und dem Management gehört, könnte es als Nächstes so weit sein. Das Unternehmen, das 300 Mill. Euro Umsatz und 51 Mill. Euro Ebitda macht, war aus dem Alstom-Konzern ausgegliedert worden. Moody´s hat das Rating bereits auf "Caa2" mit negativem Ausblick abgesenkt. Der Grund: Die Schulden des Unternehmens werden 2023 voraussichtlich das Neunfache des operativen Gewinns (Ebitda) betragen. Und die Zinszahlungen fressen voraussichtlich den gesamten operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf.

Restrukturierung droht

"Arvos hat in keinem der vergangenen fünf Jahre einen positiven freien Cashflow erwirtschaftet. Die Kennziffern deuten auf eine nicht nachhaltige Kapitalstruktur, aus der Schwierigkeiten erwachsen könnten bei der Refinanzierung der Schulden des Unternehmens (Revolving Credit Facility und Term Loan B, TLB), die im Mai 2024 bzw. August 2024 fällig werden", urteilen die Moody´s-Analystinnen Svitlana Ukrayinets und Karen Berckmann. Dies erhöhe das Risiko einer Restrukturierung der Schulden.

Arvos ist kein Einzelfall. Viele Unternehmen haben das letzte Jahrzehnt damit verbracht, sich Barmittel zu wirklich günstigen Zinssätzen zu beschaffen, und ihre Geschäftsmodelle auf der Annahme aufgebaut, dass sie Zugang zu den Märkten haben würden, wenn sie mehr Geld benötigten. Das hat sich geändert, aber die meisten Unternehmen haben so viel Geld aufgenommen, als die Zinsen nahe null waren, dass sie die Märkte nicht anzapfen mussten, als der Zinserhöhungszyklus begann.

Das Problem ist jetzt, dass die Zinsen "länger höher" (higher for longer) bleiben. Schwächere Unternehmen, die sich auf ihre Liquiditätspolster verlassen haben, um diese Zeit höherer Finanzierungskosten zu überstehen, könnten gezwungen sein, die Märkte anzuzapfen, um die fällig werdenden Schulden zu bedienen. Und wenn sie das tun, müssen sie fast das Doppelte ihrer derzeitigen Fremdkapitalkosten dafür bezahlen.

Nagelprobe für Private Debt

Solche Belastungen könnten bedeuten, dass die Unternehmen ihre Investitionspläne zurückschrauben oder sogar nach Einsparungen suchen müssen. Das kann zu Arbeitsplatzverlusten führen. Derlei Maßnahmen hätten, wenn sie weit verbreitet sind, Auswirkungen auf die Verbraucherausgaben, den Wohnungsbau und das Wirtschaftswachstum.

Die veränderte Welt der Zinsen wird auch ein Test für einige der neueren Finanzierungsformen sein, wie etwa Private Debt – also Finanzierungen von nicht regulierten Kreditgebern –, die erst noch zeigen müssen, wie sie mit Kreditausfällen umgehen können. In den vergangenen eineinhalb Jahren haben sich die höheren Zinssätze bereits negativ auf die Bereitschaft der Banken ausgewirkt, große Fusionen und Übernahmen zu finanzieren, da die Kreditinstitute befürchten, dass sie Schulden in ihre Bücher aufnehmen würden, die sie nicht am Anleihemarkt an Investoren weiterverkaufen und streuen können.

Dies hat zu einem steilen Rückgang der fremdfinanzierten Übernahmen geführt, die vorher einen großen Teil des M&A-Geschehens ausgemacht haben. Wie Bloomberg-Daten zeigen, belief sich der Wert der weltweiten Transaktionen im Jahr 2023 bis Ende September auf 1,9 Bill. Dollar. Das ist das geringste M&A-Volumen seit 2013. Besonders betroffen sind Private-Equity-Firmen, deren Akquisitionsvolumen bis dato um 45% auf etwa 384 Mrd. Dollar gesunken ist. Das bedeutet den zweiten zweistelligen Rückgang in Folge. Gleichzeitig schrumpft laut Unternehmensberatung Bain das Private-Equity-Fundraising um 30%.

Bei höheren Zinsen geraten hoch verschuldete deutsche Unternehmen, davon viele im Besitz von Finanzinvestoren, in Bedrängnis. Zur Mitte des Jahres 2023 standen allein bei den deutschen Unternehmen mit schlechtem Rating, deren Bonitätsnote bei bei "B" oder darunter liegt, 91 Mrd. Euro an Schulden aus.

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