BGH-Entscheid

Beschluss von Volkswagen-HV zu Diesel-Vergleich nichtig

Der Bundesgerichtshof hat den Beschluss der Volkswagen-Hauptversammlung 2021 zum Vergleich des Autobauers mit Managerhaftpflicht-Versicherern im Dieselskandal für nichtig erklärt. Vereinbarungen mit Ex-VW-Chef Martin Winterkorn sowie dem früheren Audi-CEO Rupert Stadler sollen überprüft werden.

Beschluss von Volkswagen-HV zu Diesel-Vergleich nichtig

Beschluss von VW-HV zu Diesel-Vergleich nichtig

BGH: Aktionäre nicht ausreichend aufgeklärt – OLG Celle muss über Vergleiche mit Managern neu verhandeln

Reuters Karlsruhe

Der Dieselskandal lässt Volkswagen auch nach zehn Jahren nicht los. Die Aktionäre des Wolfsburger Autobauers müssen nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) noch einmal über einen 270 Mill. Euro schweren Vergleich mit den Managerhaftpflicht-Versicherern der damaligen Manager um Vorstandschef Martin Winterkorn abstimmen. Der Beschluss auf der Hauptversammlung 2021 ist nichtig, wie die Richter am Dienstag in Karlsruhe entschieden. Und auch die Einigung mit Winterkorn selbst und Ex-Audi-Chef Rupert Stadler ist noch nicht unter Dach und Fach. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle muss erst noch entscheiden, ob bei den von den Managern geforderten Entschädigungen deren Vermögensverhältnisse ausreichend berücksichtigt wurden (Az.: II ZR 154/23).

Klage von Aktionärsschützern

Gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse hatten zwei Aktionärsvereinigungen geklagt. Ihrer Ansicht nach waren dort Bestimmungen des Aktiengesetzes nicht eingehalten worden. Die Klage scheiterte in zwei Instanzen, die Revision vor dem BGH hatte aber in wesentlichen Punkten Erfolg. Der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Markus Kienle, sagte nach der Urteilsverkündung: „Wir sind mit dem Urteil recht zufrieden.“

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH erklärte, VW habe die Aktionäre in der Tagesordnung nicht ausreichend darüber aufgeklärt, dass durch Einigung mit den D&O-Versicherern („Directors and Officers“) nicht nur Forderungen gegen Winterkorn und Stadler abgegolten wurden, sondern auch Ansprüche gegen etwas mehr als 100 andere Manager nicht mehr möglich waren. Deshalb sei die Zustimmung nichtig.

VW kündigt Gespräche an

Volkswagen kündigte Gespräche über die Folgen des Urteils mit den Beteiligten an den Vergleichen an. Vorsorglich sei vor allem mit den Versicherern vereinbart worden, dass etwaige Rückforderungsansprüche vorerst nicht geltend gemacht werden und dass die Gespräche nach Analyse des vorliegenden Urteils fortgesetzt werden. Der BGH sei der Auffassung, dass der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung 2021 zum Vergleich mit den D&O-Versicherern einem formalen Mangel im Zusammenhang mit der Einberufung der Hauptversammlung unterliegt. Den Inhalt beider Vergleiche habe der BGH nicht beanstandet. „Absicht von Volkswagen ist es, die 2021 getroffenen Vereinbarungen erneut abzuschließen“, teilte VW mit.

2015 war bekannt geworden, dass in Dieselmotoren von VW eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut worden war, sodass Grenzwerte für Abgasemissionen auf dem Prüfstand eingehalten wurden, nicht aber im Straßenverkehr. In einer vom Aufsichtsrat in Auftrag gegebenen Untersuchung kam eine Wirtschaftskanzlei zu dem Ergebnis, Winterkorn, Stadler und andere hätten dabei ihre Sorgfaltspflichten fahrlässig verletzt. Dadurch sei VW ein Milliardenschaden entstanden. Der Konzern schloss im Juni 2021 Haftungsvergleiche mit den D&O-Versicherern und den beiden Managern ab, die die Hauptversammlung kurze Zeit später mit 99% der Stimmen billigte. D&O-Versicherungen decken Schäden ab, die Top-Manager im Amt verursachen.

Neue Abstimmung?

Winterkorn sollte 11,2 Mill. Euro zahlen, Stadler 4,1 Mill. Euro. Auch dagegen hatten die Anlegerschützer geklagt. Laut BGH muss das OLG Celle darüber noch einmal verhandeln. Das OLG hatte es für ausreichend erachtet, bei der Berechnung nur die Gehälter der Spitzenmanager zugrunde zu legen. Auf deren Vermögen komme es nicht an. Das sah der BGH anders. Das OLG muss nun aufklären, ob auf der Hauptversammlung 2021 Fragen nach den Vermögensverhältnissen von Winterkorn und Stadler beantwortet wurden. Sollte das Fragerecht der Aktionäre hierbei beschnitten worden sein, wäre die Zustimmung auch dazu nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Dann müsste die Hauptversammlung auch hierzu neu abstimmen.