Volkswagen

Aktionäre billigen Vergleich mit Winterkorn

In der Hauptversammlung haben die Volkswagen-Aktionäre die Vergleichsvereinbarungen mit Ex-Konzernchef Winterkorn, dem früheren Audi-CEO Stadler und mit D&O-Versicherern im Dieselskandal gebilligt.

Aktionäre billigen Vergleich mit Winterkorn

ste Hamburg

Die Aktionäre von Volkswagen haben in der Hauptversammlung am Donnerstag den im Juni bekannt gewordenen Vergleichsvereinbarungen mit dem früheren VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn, Ex-Audi-Chef Rupert Stadler (jeweils Mehrheit von 99,91%) sowie mit D&O-Versicherern (99,98%) im Zusammenhang mit dem Dieselskandal zugestimmt. Im März hatte der Aufsichtsrat beschlossen, Winterkorn und Stadler wegen Verletzung aktienrechtlicher Sorgfaltspflichten auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Die Ex-Manager haben Pflichtverletzungen bestritten.

Aktionäre stellen…

Zu Beginn der Hauptversammlung hatte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, stellvertretender Vorsitzender des VW-Aufsichtsrats, noch einmal um Zustimmung für die außergerichtlichen Vereinbarungen geworben. Minderheitsaktionäre hatten im Vorfeld des virtuellen Aktionärstreffens signalisiert, die Regelungen abzulehnen, die, wie etwa Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS kritisierte, einseitig die ehemaligen Vorstände begünstigten.

Hofmann bezeichnete den von den rund 30 D&O-Versicherern zu leistenden Beitrag von 270 Mill. Euro sowie die Eigenbeiträge von Winterkorn und Stadler von 11,2 Mill. bzw. 4,1 Mill. Euro als finanziell angemessen. Zwar übersteige der durch den Dieselskandal entstandene Gesamtschaden von bislang 32,3 Mrd. Euro die Beiträge deutlich, so der stellvertretende Chefkontrolleur des Konzerns. Der Schaden sei aber nur zu einem vergleichsweise geringen Teil Winterkorn und Stadler zuzuordnen. Zudem reiche die finanzielle Leistungsfähigkeit der beiden Ex-Vorstände, die sich in ihrer langjährigen Tätigkeit Verdienste um den Konzern erworben hätten, bei weitem nicht aus, den Schaden auszugleichen.

Die Alternative zu dem Vergleich, so Hofmann weiter, wäre eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche, die erhebliche Zusatzkosten verursachen und wohl viele Jahre dauern würde und auch mit Prozessrisiken verbunden wäre. Durch Abschluss der Vergleichsvereinbarungen werde hingegen erreicht, dass Ansprüche gegen Winterkorn, Stadler und die D&O-Versicherer „in beträchtlicher Höhe“ unmittelbar realisiert werden.

Hofmann betonte, der von Winterkorn zu leistende Eigenbeitrag sei mit Abstand der höchste jemals vereinbarte Eigenbeitrag zur Abgeltung eines Organhaftungsanspruchs in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Mit den Vergleichsvereinbarungen könne Volkswagen zudem unter die Prüfung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeiten der Organmitglieder einen Schlussstrich ziehen und die interne Untersuchung des Dieselskandals abschließen. Zwar liefen weltweit noch Verfahren im Zusammenhang mit dem Skandal. Diese Verfahren stünden dem Abschluss der Vergleichsvereinbarungen aber nicht entgegen – wobei der VW-Aufsichtsrat den Angaben zufolge gerichtliche Schritte gegen Berkshire Hathaway beauftragt hat, die sich nicht an den Vereinbarungen mit den D&O-Versicherern beteiligen will.

Angesichts der „umfassenden Untersuchungen“ der Ursachen und Verantwortlichkeiten der Krise seit Oktober 2015 sei, so Hofmann, nicht damit zu rechnen, dass sich in den laufenden Verfahren noch neue Erkenntnisse ergeben. Daher seien Aufsichtsrat und Vorstand überzeugt, dass es im Interesse von Volkswagen ist, die Vergleichsvereinbarungen jetzt abzuschließen. Der Konzern könne sich nun auf die großen operativen und strategischen Herausforderungen konzentrieren.

Herbert Diess, dessen Vertrag der Aufsichtsrat vor knapp zwei Wochen für weitere zweieinhalb Jahre bis zum 67. Geburtstag des Konzernchefs im Oktober 2025 erneuert hatte, zeigte sich in der Hauptversammlung zuversichtlich, dass Volkswagen den Wandel vom Fahrzeughersteller zum softwaregetriebenen Mobilitätsanbieter erfolgreich bewältigen werde. Er erläuterte erwartete Veränderungen wie den in den kommenden zehn Jahren um mehr als 20% schrumpfenden Verbrenner-Markt, denen VW mit der unlängst präsentierten Strategie für das Jahr 2030 begegnen will. Diess unterstrich, der Konzern werde „weiterhin hohe Cash-flows erwirtschaften, um die Transformation zu finanzieren“, und die Profitabilität weiter steigern. Für das erste Halbjahr, über das der Konzern am 29. Juli im Detail berichten will, hat Volkswagen bereits ein auf rund 11 Mrd. Euro stark verbessertes operatives Ergebnis sowie einen Netto-Cash-flow im Autogeschäft von rund 10 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. Man habe von der Markterholung profitiert, sagte Diess auch mit Blick auf die bis Ende Juni um 28% auf rund 5 Millionen Fahrzeuge gesteigerten Auslieferungen. Die Auswirkungen der Halbleiter-Engpässe würden sich eher im zweiten Halbjahr bemerkbar machen.

… 640 Fragen

In der gut neunstündigen Hauptversammlung, für im Vorfeld 32 Aktionäre und Aktionärsvertreter rund 640 Fragen eingereicht hatten, stimmten die Anteilseigner mit der Mehrheit der Eigentümerfamilien, des Landes Niedersachsens und des Emirats Katar auch dem von Fondsgesellschaften und Kleinaktionären kritisierten Vorschlag für die Wiederwahl von Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und von Aufsichtsratsmitglied Louise Kiesling zu. Ferner votierten die Aktionäre für die Weiterentwicklung des Vorstandsvergütungssystems, das, wie Aufsichtsratschef Pötsch betonte, allen aktiengesetzlichen Vorgaben und Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance-Kodex entspreche. Einer der Kernpunkte der veränderten Vergütung ist die Einführung konkreter Steuerungsgrößen für Nachhaltigkeitsziele beim Jahresbonus.