Dieselabgasbetrug

BGH erleichtert Schadenersatz im Diesel-Skandal

Im Streit um Schadenersatzansprüche bei manipulierten Dieselautos hat der Bundesgerichtshof verbraucherfreundlicher geurteilt. Das oberste deutsche Zivilgericht sprach Klägern einen grundsätzlichen Anspruch auf Ausgleich auch bei fahrlässig eingebauten Thermofenstern zu.

BGH erleichtert Schadenersatz im Diesel-Skandal

BGH schwenkt im Diesel-Skandal um

Karlsruher Richter sprechen Autokäufern grundsätzlich Schadenersatz auch bei Thermofenstern zu

Im Streit um Schadenersatzansprüche bei manipulierten Dieselautos hat der Bundesgerichtshof (BGH) verbraucherfreundlicher bei der umstrittenen Thermofenster-Technik geurteilt. Das oberste deutsche Zivilgericht sprach Klägern einen grundsätzlichen Anspruch auf Ausgleich bei unzulässigen Abschalteinrichtungen zu.

sck München

In der juristischen Auseinandersetzung um Schadenersatzansprüche bei manipulierten Dieselabgasen hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechte betroffener Autokäufer gestärkt. In einem Grundsatzurteil entschieden die Karlsruher Richter, dass auch Thermofenster in Dieselmotoren eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen. Demnach müssen die Hersteller Schadenersatz für Dieselautos mit dieser Technik leisten, wenn diese nur in einem geringfügigen Außentemperaturbereich ordnungsgemäß den Ausstoß von Schadstoffen reinigt.

Urteile aufgehoben

Die Vorsitzende Richterin des zuständigen Senats, Eva Menges, hob Urteile von Oberlandesgerichten über drei ausgewählte Klagen gegen Audi, Volkswagen und Mercedes-Benz auf und verwies diese zurück (VIA ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIA ZR 1021/22). Zuvor hatten die Gerichte die Schadenersatzklagen abgewiesen. Von dem jüngsten Richterspruch sind in Deutschland Tausende Diesel-Kläger betroffen.

Das oberste deutsche Zivilgericht gewährt nun einen grundsätzlichen Anspruch auf Entschädigung, sofern die Autohersteller fahrlässig gehandelt haben. Die zuständigen Berufungsgerichte müssten die Frage um die Haftung klären, so Menges. Die Autohersteller seien gefordert, das ordnungsgemäße Funktionieren des Thermofensters nachzuweisen.

Das Urteil ist eine Kehrtwende in der Rechtsprechung des BGH in der Diesel-Affäre. Im Mai sprach der BGH-Senat in einer mündlichen Verhandlung erstmals von einem „Vertrauensschadenersatz“. Ein Verdikt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom März zwang den BGH zu einem Umdenken. Bisher war ein Thermofenster gemäß der Justiz keine bewusst eingesetzte Technik, um Fahrzeughalter über die Schadstoffemission zu täuschen. Deshalb bestand der Fall von Fahrlässigkeit. Aussicht auf Schadenersatz existierte aber nur bei Vorsatz, wenn also die Autobauer sittenwidrig handelten. Das war bei Thermofenstern oftmals nicht nachzuweisen.

Kaufpreis als Basis

Ausgangsbasis laut BGH zur Ermittlung des Schadenersatzes ist eine Bandbreite von 5 bis 15% des Kaufpreises. Es handelt sich also um einen Ausgleich des Wertverlusts des betroffenen Fahrzeugs. Es dient nach Vorstellung des BGH dazu, die Vertrauensschäden zu kompensieren.

Audi und Volkswagen reagieren kämpferisch, ebenso Mercedes-Benz. Nach Auffassung von VW und Audi liegen die Voraussetzungen für einen Schadenersatz in den obigen Fällen nicht vor. "VW und Audi gehen davon aus, dass die Berufungsgerichte einen Anspruch auf Erstattung des Minderwerts ablehnen werden, und erwarten daher eine erneute Klageabweisung zu einem späteren Zeitpunkt", sagte ein Konzernsprecher.

Die Entscheidung ist wegweisend für rund 2.100 Verfahren am BGH selbst und schätzungsweise fast 100.000 anhängige Klagen an unteren Gerichtsinstanzen. Weitere Klagen könnten hinzukommen. Für die deutschen Rechtsschutzversicherer sind die Prozesskosten im Zusammenhang mit dem Dieselskandal „der teuerste Schaden“ in ihrer Geschichte. Das erklärte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Nach Angaben des Verbands nahmen bisher fast 420.000 Kunden ihre Rechtsschutzversicherung in Anspruch. Das seien noch 7.000 Fälle mehr als im Oktober vergangenen Jahres. Die Versicherer hätten mittlerweile 1,52 Mrd. Euro an Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten beglichen. Zum Vergleich: Im Oktober 2020 waren es noch 806 Mill. Euro gewesen. Der Streitwert betrage im Schnitt 26.100 Euro pro Auto. Das BGH-Urteil könne die Fallzahlen und Prozesskosten weiter steigen lassen, erklärte der Verband.

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