Blockierte Baustelle
Willkommen auf der Baustelle.” Mit dieser launigen Begrüßung beschreibt Vorstandschef Guido Kerkhoff den Zustand von Thyssenkrupp nach dem Horrorjahr 2017/18 und vor der für das kommende Jahr geplanten Aufspaltung. Das Bild trifft auf die Lage zu: Mit Kartellrisiken in der Stahlsparte, hohen Mittelabflüssen, wenig Eigenkapital, Verlusten im Anlagenbau und Qualitätsmängeln in der Autosparte steuert der Konzern auf eine Konjunkturabschwächung zu, die nach der Hauptversammlung eine abermalige Kapitalerhöhung erzwingen könnte – auch wenn jetzt dazu noch keine Notwendigkeit besteht.Der Traditionskonzern ist heute mehr denn je ein unfertiges Unternehmen. Die gegenseitige Teilblockade der drei Machtzentren – IG Metall, Krupp-Stiftung und Cevian – hat sich nach den Rücktritten von Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner keineswegs aufgelöst. Am Dienstagabend hätte der Aufsichtsrat die Gelegenheit gehabt, mit der Berufung von Bodo Uebber als neuem Anteilseignervertreter und designiertem Aufsichtsratschef ein solides Fundament zu schaffen. Stattdessen blockierte die Arbeitnehmerseite die schnelle Berufung des Daimler-Finanzvorstands. Daraufhin hat Uebber nun vorerst abgesagt.Vordergründig ging es um Uebbers Forderung nach einer erhöhten Vergütung. Wenn es stimmt, was kolportiert wird, stand jedoch lediglich eine Verdoppelung von 200 000 Euro – was im Dax sehr wenig ist – auf die im Dax-Durchschnitt für Chefkontrolleure üblichen 400 000 Euro zur Debatte. Daran würde auch die IG Metall normalerweise nicht die Berufung eines industriell erfahrenen und angesehenen Hochkaräters wie Uebber scheitern lassen.Zu befürchten steht deshalb, dass der Dissens andere Ursachen hat. Vielleicht haben sich die IG Metall und Vorstandschef Kerkhoff unter dem amtierenden Aufsichtsratschef Bernhard Pellens, der dem Gremium seit mehr als 13 Jahren angehört und der die mit 8 Mrd. Euro Verlust verbundenen Stahl-Abenteuer in Amerika mitverantwortete, gut eingerichtet. Vielleicht wollen sie von einem vereinbarten Kurs, der mittels der über ein Jahr dauernden Aufspaltung bis 2020 jegliche größeren Portfoliotransaktionen vorerst verhindert, nicht mehr abweichen.Sicher wäre ein starker Aufsichtsratschef, der genau hinschaut, im Sinne des Großaktionärs Cevian – und wahrscheinlich auch im Sinne der Krupp-Stiftung. Auch die Beschäftigten, Kunden und kleineren Aktionäre würden davon profitieren. Der Aufsichtsrat sollte sich einen Ruck geben – sonst wird die Baustelle zum Dauerzustand.