Boeing hat viele Problemkinder
lis Frankfurt
Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie und das lange Flugverbot für das Flugzeugmodell 737 Max haben dem amerikanischen Luftfahrtkonzern Boeing im vergangenen Geschäftsjahr einen Nettoverlust in Rekordhöhe eingebrockt – zusammen kamen 11,9 Mrd. Dollar nach –636 Mill. Dollar 2019.
Der Unglücksflieger ist am Mittwoch von der europäischen Luftfahrtbehörde EASA nach fast zwei Jahren Flugverbot wieder zugelassen worden, zuvor hatten bereits die USA, Kanada und Brasilien grünes Licht gegeben. Voraussetzung für den Neustart in Europa sind technische Verbesserungen an Hard- und Software sowie zusätzliche Trainings für die Piloten – es wird also noch eine Zeitlang dauern, bis die Flieger tatsächlich abheben. Doch es gibt neue Hiobsbotschaften für Boeing. Denn die erste Auslieferung für die Boeing 777X – die größere Version des Langstreckenflugzeugs 777 – wird sich weiter verzögern, avisiert ist nun Ende 2023, ein Jahr später als zuletzt geplant und drei Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Der Grund dafür seien verschärfte Anforderungen der Zulassungsbehörden, die nach der Absturzserie mit der Max genauer hinschauen, wie Boeing-Chef Dave Calhoun einräumte. Die Verzögerung verursachte im Schlussquartal 2020 eine Sonderbelastung vor Steuern von 6,5 Mrd. Dollar.
Wegen des 20 Monate währenden Auslieferungsstopps für die 737 Max war Boeing schon im Vorjahr in der Verlustzone gelandet. Hinzu kam dann die Pandemie, in der Fluggesellschaften weltweit um ihr Überleben kämpfen. Das Geschäft mit der Rüstung und der Raumfahrt sowie Dienstleistungen hat den Einbruch bei Passagierflugzeugen nur leicht abgefedert. Der Umsatz brach 2020 um 24% auf 58,2 Mrd. Dollar ein. Im vierten Quartal konnte Boeing den Umsatzrückgang zwar auf 15% eingrenzen, verbuchte aber wegen der Sonderbelastungen für die verzögerte 777X und die Beilegung eines Betrugsvorwurfs im Zusammenhang mit der 737 Max einen Nettoverlust von 8,44 Mrd. Dollar. Das drückte die Aktie um 2,3%.
Der Airbus-Konkurrent gibt derzeit noch keine konkrete Prognose für 2021 ab. In der Analystenpräsentation ist aber von „weiterhin ungewöhnlich niedrigen Produktionsraten“ die Rede, die 2020 und 2021 voraussichtlich rund 5 Mrd. Dollar an „außerordentlichen Kosten“ verursachen dürften, von denen 2020 gut 2,5 Mrd. Dollar verbucht wurden. Boeing rechnet also wohl mit weiteren Belastungen. Als ein ermutigendes Zeichen wertet es der Konzern, dass seit dem Ende des Max-Flugverbots in den USA im November mehr als 40 Jets dieses Typs ausgeliefert wurden und fünf Airlines das Modell wieder in Betrieb genommen haben. Das Kurz- und Mittelstreckenflugzeug ist für Boeing umso wichtiger geworden, weil vor allem der Langstreckenflugverkehr in der Pandemie darniederliegt und Airlines in diesem Segment eher weniger als mehr Flieger brauchen. Das belastet das Geschäft mit der Boeing 787, aber auch die Nachfrage nach der aktualisierten 777.
Boeing | ||
Konzernzahlen nach US-GAAP | ||
in Mill. Dollar | 2020 | 2019 |
Umsatz | 58158 | 76559 |
Operatives Ergebnis | –12767 | –1975 |
Operative Marge (%) | –22 | –2,6 |
Nettoergebnis | –11941 | –636 |
Ergebnis je Aktie (Dollar) | –20,88 | –1,12 |
Operativer Cash-flow | –18410 | –2446 |
Börsen-Zeitung |