Flugzeugbauer

Boeing unter dem Brennglas der Ermittler

Die Reputation von Boeing erleidet den nächsten Schlag. Nach einem aktuellen Zwischenfall rückt auch die Langstreckenmaschine 787 Dreamliner in den Fokus. Derweil ist nach den Problemen um den Pannenflieger 737 Max ein Vergleich des Flugzeugbauers aus Arlington bezüglich früherer Abstürze in Gefahr.

Boeing unter dem Brennglas der Ermittler

Boeing unter Brennglas der Behörden

Ermittlungen um 737 Max gefährden Vergleich zu früheren Crashs – Probleme bei Dreamliner rücken in den Fokus

Die Reputation von Boeing erleidet den nächsten Schlag. Nach einem aktuellen Zwischenfall rückt auch die Langstreckenmaschine 787 Dreamliner in den Fokus. Derweil ist nach den Problemen um den Pannenflieger 737 Max ein Vergleich des Flugzeugbauers aus Arlington bezüglich früherer Abstürze in Gefahr.

xaw New York

Der Flugzeugbauer Boeing taumelt zunehmend tiefer in die Krise. Nach den jüngsten Problemen um den Pannenflieger 737 Max 9 gerät nun die Langstreckenmaschine 787 Dreamliner in den Fokus internationaler Ermittler und Regulierungsbehörden. Auf einem Flug der chilenischen Airline Latam vom australischen Sydney ins neuseeländische Auckland verlor ein Exemplar der Reihe nach einem „technischen Zwischenfall” am Montag plötzlich an Höhe, wie der Carrier mitteilte. Im Zuge der Turbulenzen sollen Passagiere durch die Kabine geschleudert worden sein – rund 50 Menschen wurden verletzt, darunter eine Person schwer. Nun untersuchen neuseeländische Ermittler den Fall mit Unterstützung chilenischer Kollegen.

Für die Reputation von Boeing bedeutet der Dreamliner-Vorfall den nächsten Schlag. Erst in der vergangenen Woche verlor eine Maschine des Modells 777 der United Airlines beim Start in San Francisco ein Rad. Besonders unter dem Brennglas der Aufsichtsbehörden stehen allerdings die Baureihe 737 und ihre Max-Varianten, seitdem Anfang Januar nach dem Start in Portland, Oregon, in 4.900 Metern Höhe ein Rumpfteil aus einer Max 9 der Alaska Airlines herausgebrochen war.

Schwerwiegende Folgen drohen

Dabei kamen die Passagiere weitgehend mit dem Schrecken davon, da die Sitze direkt neben der Öffnung zufällig frei geblieben waren. Allerdings hat das US-Justizministerium strafrechtliche Untersuchungen zu dem Beinahe-Unglück aufgenommen. Die Airline kooperiert nach eigener Aussage „vollständig” mit dem Justizministerium und sieht sich nicht als Ziel der Untersuchung.

Die Ermittlungen dürften auch in Prüfungen der Behörde dazu einfließen, ob sich der Flugzeugbauer an die Bedingungen eines 2021 geschlossenen, 2,5 Mrd. Dollar schweren Vergleichs gehalten hat, mit dem er Untersuchungen im Zusammenhang mit den Abstürzen zweier 737 Max 8 in den Jahren 2018 und 2019 beilegte. Die Unglücke auf Flügen der indonesischen Lion Air und der Ethiopian Airlines forderten 346 Menschenleben.

Sollte die Prüfung ergeben, dass der Flugzeugbauer gegen die Konditionen des Vergleichs verstoßen hat, könnte die US-Regierung die bisher dreijährige Bewährungsfrist verlängern, während der Boeing Washington über alle Compliance-Verbesserungen informieren muss. Allerdings wäre auch eine Aufnahme der ursprünglichen Anklage möglich – diese lautete auf Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten.

Frustrierte Regulatoren

Unterdessen laufen zivilrechtliche Untersuchungen weiter. Die Verkehrsbehörde NTSB zeigte sich im Rahmen ihrer Ermittlungen bezüglich des Alaska-Zwischenfalls zuletzt frustriert über einen Mangel an Kooperation seitens Boeing. Der Flugzeugbauer habe die Namen von 25 Mitarbeitern, die Informationen zum herausgebrochenen Kabinenteil besitzen könnten, sowie potenziell wichtige Dokumente nicht geteilt, monierte Jennifer Hormendy, die Vorsitzende des Regulators. Boeing dagegen betonte die eigene Kooperationsbereitschaft und reichte nach Hormendys Beschwerde Mitarbeiternamen nach. Allerdings zeigt sich das NTSB besorgt, dass die Ermittlungen des US-Justizministeriums auf der Auskunftsfreude der Beschäftigten des Flugzeugbauers lasten könnten.

Derweil hat eine sechswöchige Prüfung der Luftfahrtaufsicht FAA nach Berichten der „New York Times” Dutzende Probleme im Fertigungsprozess der 737 Max sowohl bei Boeing als auch beim wichtigsten Zulieferer Spirit Aerosystems zutage gefördert. In einem Fall sollen Spirit-Mitarbeiter Türversiegelungen mit einer Hotel-Schlüsselkarte geprüft haben. Boeing kündigte in Reaktion auf die jüngsten Zwischenfälle indes an, Mitarbeiterboni künftig stärker an Qualitäts- und Sicherheitsverbesserungen knüpfen zu wollen.

Kunden machen Druck

Bei Kunden wie Alaska und United Airlines, die ihre Max-9-Maschinen nach einem Flugverbot durch die Luftfahrtaufsicht FAA wochenlang aus dem Verkehr ziehen mussten, steht der Hersteller unter massivem Druck. Alaska konnte erst jüngst zum regulären Flugbetrieb zurückkehren und hat für die Ausfälle vom Hersteller aus Arlington bereits partielle Entschädigungen erhalten.

Daneben herrscht auch unter den Zulieferern Unsicherheit bezüglich der künftigen Auftragsvolumina. So kündigte die FAA zuletzt an, dass sie keine weiteren Produktionssteigerungen der 737 Max mehr zulassen werde. Historische Auslieferungsdaten legen indes nahe, dass die Nachfrage nach der wichtigsten Boeing-Cashcow bereits vor den jüngsten Zwischenfällen in Richtung Abschwung gedreht hatte. Nach Auswertungen von Visual Approach Analytics fielen Produktion und Lieferungen der gesamten 737-Reihe nach den Max-8-Abstürzen und dem Ausbruch der Coronakrise 2020 auf ihre niedrigsten Niveaus jemals, nur um sich in der Folge ungewöhnlich rapide auszuweiten. Den Zenit dürften sie gemäß Flottendaten von Ch-Aviation aber bereits im vergangenen Jahr erreicht haben.

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