Drohnen-Startups schwärmen nach Großbritannien
Drohnen-Startups schwärmen nach Großbritannien
Modernisierungspläne der britischen Streitkräfte entfachen Goldgräberstimmung unter europäischen Drohnenherstellern – Mehrere Fabriken geplant
Ob an Land oder in der Luft, ob auf oder unter dem Wasser: In der Ukraine sorgen Drohnen gerade für eine völlig neue Art der Kriegsführung, aus der der Rest Europas zunehmend seine Lehren zieht. In Großbritannien sollen unbemannte Kampfsysteme künftig zum Beispiel eine größere Rolle im Streitkräftemix spielen. Die Pläne der Regierung locken zahlreiche europäische Militär-Startups auf die Insel.
Von Karolin Rothbart, Frankfurt
Die britische Regierung will ihr Militär auf Vordermann bringen und entfacht damit eine Goldgräberstimmung unter jungen europäischen Drohnenherstellern. Ob Quantum Systems aus Gilching, Helsing und Arx aus München, Stark Defence aus Berlin oder Tekever aus Lissabon: Sie alle haben in den vergangenen Jahren millionenschwere Investitionen von Wagniskapitalgebern erhalten und machen sich mit den Mitteln nun auf, den britischen Markt zu erobern.
Für die Hersteller unbemannter Kampfsysteme sind die Aussichten auf der Insel derzeit schließlich besonders verlockend: „Großbritannien ist eines der wenigen Länder in Europa und in der NATO, das eine strategische Umstellung auf unbemannte und autonome Systeme schriftlich festgehalten hat“, sagt Vito Tomasi. Der ehemalige Offizier der Royal Marines ist seit Kurzem Leiter der neuen UK-Tochter von Quantum Systems. Das 2015 gegründete Drohnen-Startup will über die kommenden fünf Jahre bis zu 50 Mill. Euro in Großbritannien investieren und dabei Service-, Support-, Trainings- und Logistikzentren nach dem Vorbild seiner Ukraine-Aktivitäten errichten.
Auch andere Militärdrohnen-Startups nehmen viel Geld in die Hand: Arx Robotics, Entwickler von Bodendrohnen, will für eine Fabrik im Südwesten Englands eine ähnlich hohe Summe wie Quantum Systems investieren und dabei 90 Stellen schaffen. Stark Defence, die bislang etwa 100 Mill. Dollar eingesammelt hat, will das Geld in die deutsche Produktion und in eine Fabrik in Swindon in der südwestlichen Grafschaft Wiltshire stecken.

Wieder andere planen mit noch größeren Summen: Helsing kalkuliert für eine Unterwasserdrohnen-Fabrik im südwestlichen Plymouth mit über 400 Mill. Euro. Und Tekever aus Portugal lässt sich eine ebenfalls in Swindon geplante Überwachungsdrohnen-Fabrik umgerechnet sogar 460 Mill. Euro kosten und verspricht mehr als 1.000 neue Jobs. Das Startup, das wie Arx und Stark unter anderem von der Nato finanziert wird, ist erst im Mai dieses Jahres zum Einhorn aufgestiegen. Und auch nicht-europäische Rüstungs-Startups wie Anduril aus den USA haben zuletzt schon laut über Expansionspläne nach Großbritannien nachgedacht.
„20-40-40“-Regel lockt
Die zunehmende Konkurrenz auf der Insel scheint den jungen Rüstungs-Playern dabei nicht viel auszumachen. Zu groß sind offenbar die Aussichten der Branche, die sich durch das sogenannte 20-40-40-Konzept ergeben, das Teil der neuen Militärstrategie der britischen Armee ist. Demnach sollen sich die Streitkräfte künftig zu 20% aus bemannten Plattformen (also etwa Panzern), zu 40% aus wiederverwendbaren Plattformen (zum Beispiel Drohnen) und zu 40% aus Verbrauchsgütern wie Raketen oder Einmaldrohnen) zusammensetzen.
So steht es in der Anfang Juni vorgelegten „Strategic Defence Review“ des britischen Verteidigungsministeriums, das darin auch mehrfach auf die Lehren hinweist, die man aus dem Krieg in der Ukraine gezogen habe: Das Land habe „gezeigt, dass die Streitkräfte einer Nation nur so stark sind, wie die Industrie, die Innovatoren und die Investoren, die hinter ihnen stehen.“ Technologische Innovation sei „entscheidend, um unseren Gegnern voraus zu bleiben.“ Drohnen, Daten und digitale Kriegsführung müssten genutzt werden, „um unsere Streitkräfte stärker und sicherer zu machen.“
Das Land will sich auch finanziell besser für seine Verteidigung rüsten: Im Februar hatte die Labour-Regierung angekündigt, bis 2027 für Verteidigungszwecke 2,5% vom Bruttoinlandsprodukt auszugeben. Langfristig sollen es 3% sein.

Quelle: Quantum Systems
Der britische Schwenk hin zu autonomen Systemen sei „ein wichtiger Pull-Faktor für innovative Verteidigungsunternehmen wie uns“, sagt Tomasi. In Großbritannien gebe es zudem eine neue Offenheit bei der Zusammenarbeit mit kleinen und mittelgroßen Rüstungsfirmen und auch den Willen, Beschaffungsprozesse zu modernisieren.
Hoffnung auf Bürokratieabbau
Es ist gerade die Langwierigkeit und Komplexität von militärischen Beschaffungsprozessen, an denen junge Rüstungsfirmen oft scheitern. Ohne ausreichende finanzielle Mittel im Rücken und ohne umfangreiche Compliance-Abteilungen ist es für diese Startups oft schwer, an öffentliche Aufträge zu kommen.
In Großbritannien unterscheide sich die Lage diesbezüglich nicht allzu stark von Deutschland, sagt Tomasi. “Die Entscheidungsprozesse bei der Beschaffung können hier extrem langwierig sein, insbesondere, wenn es um große Summen geht", so der 37-Jährige. „Manchmal dauern sie mehrere Jahre, sodass die technologischen Systeme der Auftragsnehmer dann schon wieder veraltet sind.“
Bei Quantum Systems ist man dennoch optimistisch. Schließlich gebe es sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien „den Wunsch, die Beschaffungszyklen zu modernisieren und an das Innovationstempo anzupassen, das in der Welt junger Verteidigungsunternehmen wie unserem herrscht“, sagt Tomasi.
Quantum Systems kennt sich in Sachen Expansion bereits aus. Das Unternehmen hat neben Deutschland, der Ukraine und jetzt Großbritannien auch Standorte in den USA, Australien und Rumänien. Für die Internationalisierung hat das Startup zuletzt 160 Mill. Euro eingesammelt – hauptsächlich vom Londoner Startup-Investor Balderton. Zu möglichen Börsenplänen der Firma wollte sich Tomasi nicht äußern.