British Angst

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 4.9.2013 Der Ausstieg des Mobilfunkers Vodafone aus dem lukrativen US-Geschäft hat in Großbritannien Ängste vor einer weiteren Deindustrialisierung geweckt. Analysten haben bereits eine Reihe möglicher...

British Angst

Von Andreas Hippin, LondonDer Ausstieg des Mobilfunkers Vodafone aus dem lukrativen US-Geschäft hat in Großbritannien Ängste vor einer weiteren Deindustrialisierung geweckt. Analysten haben bereits eine Reihe möglicher Interessenten für den nach China Mobile größten Mobilfunkbetreiber der Welt aufgelistet: den US-Giganten AT&T, die japanische Softbank und den mexikanischen Milliardär Carlos Slim (América Móvil). Käme es zu einer Übernahme, wäre das der größte Verkauf eines britischen Unternehmens, den es je gegeben hat. Der Verkauf des Schokoladenherstellers Cadbury an Kraft Foods vor drei Jahren war vergleichsweise leicht zu verkraften. Mit Vodafone verlöre das Land jedoch eines der wenigen weltweit tätigen Hightech-Unternehmen, die ihm noch geblieben sind.Der Telekomkonzern ist aus dem Rüstungskonzern Racal Electronics hervorgegangen. Deren damaliger Chef Ernest Harrison hatte ein Gespür für die Chancen, die der kommerzielle Einsatz der für die Schlachtfelder dieser Welt gedachten Mobilfunktechnologie bot. 1982 erwarb die Tochter Racal Strategic Radio eine von zwei Mobilfunklizenzen. Prompt ging Racal Vodafone an den Start – als Joint Venture mit Millicom (15 %) und Hambros Technology Trust (5 %). Schnell gehörte das Mobilfunkgeschäft zum Tafelsilber. Übernahmeversuche, etwa von Cable & Wireless (C&W), wehrte das Unternehmen ab. Den einstigen Verfolger C & W schluckte Vodafone im vergangenen Jahr – für heutige Verhältnisse ein kleinerer Deal. Attraktives ÜbernahmezielMit 59 Mrd. Dollar Cash aus dem Verkauf von Verizon Wireless in der Kasse ist Vodafone nun wieder ein schönes Übernahmeziel, auch wenn von den insgesamt 130 Mrd. Dollar, die der Verkauf der Minderheitsbeteiligung (45 %) am größten US-Mobilfunker eingebracht hat, 84 Mrd. Dollar an die Aktionäre ausgeschüttet werden sollen. Was mit dem Rest von Vodafone passieren soll, ist reichlich unklar. Analyst Jerry Dellis von Jefferies bewertet ihn mit gerade einmal 75 Pence je Aktie.Verizon Wireless herausgerechnet dürfte der bereinigte operative Gewinn für das laufende Geschäftsjahr 2013/14 (31. März) bei 5 Mrd. Pfund liegen, sagte Finanzvorstand Andy Halford in einer Telefonkonferenz. Inklusive des US-Geschäfts hatte Vodafone im Mai noch bis zu 12,8 Mrd. Pfund in Aussicht gestellt.Nach der zu erwartenden Sonderausschüttung dürfte die Abgabebereitschaft der bisherigen Aktionäre groß sein – ideale Bedingungen für einen strategischen Käufer. Möglich wäre auch ein schrittweiser Abverkauf der verbleibenden Geschäfte, gefolgt von weiteren Zahlungen an die Aktionäre.War zunächst spekuliert worden, Vodafone könne sich auf die Suche nach geeigneten Ergänzungen ihres Portfolios machen – etwa die italienische Fastweb, die brasilianische GVT oder die spanische Ono -, so ist in der Präsentation von CEO Vittorio Colao viel von organischem Wachstum die Rede. In den nächsten drei Jahren will das Unternehmen 6 Mrd. Pfund in Netzausbau und Vertrieb investieren – nicht viel in einer Branche, in der tiefe Taschen Zugangsvoraussetzung sind. Wer darauf gesetzt hatte, Colao werde ambitionierte Expansionspläne vorlegen, wurde enttäuscht. Unter anderem kursierten Gerüchte, Colao könnte nach der Übernahme von Kabel Deutschland auch am Kabelnetzbetreiber Liberty Global Interesse haben. Die deutschen Wettbewerbshüter würden einen solchen Deal wohl niemals abnicken, aber wenn das Übernahmefieber grassiert, schießen die Spekulationen ins Kraut.Organisches Wachstum ist in den gesättigten Märkten der Industrieländer nur noch schwer zu erreichen. Deshalb spricht viel dafür, dass sich die Akquisitionswelle in der Telekombranche fortsetzt. Ihre strukturellen Probleme lösen die Unternehmen so zwar nicht, aber das Management kann sich bei einem gelungenen Deal zumindest für seine Tatkraft feiern lassen.Ein Trost für die Briten: Ein Verkauf von Vodafone könnte die Wirtschaft weiter ankurbeln. Was das Unternehmen an seine Aktionäre ausschütten will, entspricht rund einem Viertel des Anleihenbestands, den die Bank of England im Zuge ihrer ultralockeren Geldpolitik zusammengekauft hat. Rund die Hälfte der Aktionäre hat ihren Sitz in Großbritannien. Bei einem Verkauf des Rests käme noch eine Schippe drauf.——–Am Kapitalmarkt wird über eine mögliche Übernahme des Mobilfunkbetreibers Vodafone spekuliert, der sich gerade von seinem US-Geschäft getrennt hat. In Großbritannien weckt das Ängste vor einer weiteren Deindustrialisierung.——-