Brüssel nimmt Post in die Zange

EU-Kommission zieht im Beihilfestreit gezahlte 300 Mill. Euro in Zweifel - Risiko bis zu 1 Mrd. Euro

Brüssel nimmt Post in die Zange

Die EU-Kommission lässt im Beihilfeverfahren gegen die Deutsche Post wegen der Quersubventionierung von Beamtenpensionen nicht locker. Ein neuer Fragenkatalog aus Brüssel deutet darauf hin, dass sich die von der Post bestrittene, aber schon geleistete Rückzahlung der Beihilfe von knapp 300 Mill. Euro im ungünstigsten Fall auf gut1 Mrd. Euro summieren könnte.wf/fed Berlin/Brüssel – Der Deutschen Post drohen aus dem Brüsseler Beihilfeverfahren wegen Beamtenpensionen womöglich Risiken von bis zu 1,2 Mrd. Euro – und damit deutlich mehr als bisher erwartet und bereits gezahlt. Die EU-Kommission hat nach Informationen der Börsen-Zeitung aus Brüssel vor einigen Tagen einen Fragenkatalog zum Beihilfeverfahren nach Berlin geschickt. Darin verlangt sie weitere Informationen über die Abgrenzung des regulierten und nichtregulierten Bereichs. Dies legt nahe, dass Brüssel den zurückgezahlten Beihilfebetrag für zu niedrig hält.Nach der Beihilfeentscheidung der Kommission vom Januar hatte die Post pünktlich am 29. Mai insgesamt 298 Mill. Euro einschließlich aufgelaufener Zinsen an den Bund überwiesen. Brüssel hatte keinen konkreten Betrag vorgegeben, sondern Kriterien definiert, die zur Berechnung herangezogen werden müssen. Deutschland sollte die genaue Höhe – im Einvernehmen mit der Kommission – selbst errechnen.Dabei ging die Kommission von einer zu erwartenden Zahlung von 500 Mill. Euro bis 1 Mrd. Euro aus. In einer gleichzeitig veröffentlichten Musterrechnung kam sie auf einen Betrag von 911 Mill. Euro, der sich nach einer komplizierten Zinsberechnung – auf Basis der Musterberechnung – um schätzungsweise 200 bis 300 Mill. Euro erhöhen dürfte. Anhaltender RechtsstreitDas Verfahren ist eines von verschiedenen, die Brüssel in den vergangenen Jahren gegen die Deutsche Post betrieben hat (siehe “Die unendliche Geschichte”). Bei dem 2007 auf Beamtenpensionen ausgedehnten Beihilfefall ging es zum einen um staatliche Ausgleichszahlungen von 5,6 Mrd. Euro für Pensionen. Die Kommission stufte diese der Höhe nach als angemessen ein, um damit “gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen” abzudecken. Kritisch sah sie indessen “erhöhte Portoentgelte”, die zum Teil zur Finanzierung der Beamtenpensionen dienten. Daraus resultiert die Auflage an die Post, die “unzulässige Beihilfe” dem Bund zurückzuzahlen.Post und Bund – größter Aktionär des Dax-Unternehmens mit 30,5 % indirekt über die KfW – haben gegen die Beihilfeentscheidung geklagt. Sie teilen die Einschätzung Brüssels schon im Grundsatz nicht. Die Bundesregierung führt an, die als unzulässig eingestuften Entgelte seien von der Bundesnetzagentur genehmigt worden. Unabhängig vom Rechtsstreit werden Brüsseler Beihilfeentscheidungen sofort wirksam. Sofort zu leistende Zahlungen fließen gegebenenfalls zurück.Risikovorsorge hat die Post für die Rückzahlung nicht getroffen, da sie fest davon ausgeht, dass der Bund nach der rechtlichen Klärung den Betrag inklusive Zinsen erstatten wird. Vorstandschef Frank Appel hatte im Januar in einer Telefonkonferenz erklärt, das Unternehmen gehe angesichts der bereits in Brüssel vorgelegten Informationen von einem Betrag “am unteren Ende der Bandbreite” aus, den die Kommission mit 500 Mill. Euro bis 1 Mrd. Euro genannt hatte. Der Dax-Konzern stützt seine Erwartung darauf, dass Brüssel mit dem aktuellen Beihilfeverfahren einen Fall wieder aufgegriffen hat, in dem die Kommission bereits rechtlich in letzter Instanz unterlegen war. Weitere Beihilfeverfahren seien nicht anhängig. “Da die . . . Beihilfeentscheidung nach Ansicht des Konzerns einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten kann, wird die . . . zu leistende Zahlung im Jahr 2012 lediglich in der Bilanz erfasst”, hieß es in einer Erklärung des Unternehmens im Januar. Nur die Liquidität der Post wurde belastet.——Die unendliche Geschichte- 1999: Eröffnung erstes Beihilfeverfahren- 2002: Erste Beihilfe-Entscheidung: unzulässige Beihilfe- 2002: Klage Deutsche Post AG (DPAG) gegen Entscheidung vor Europäischem Gericht (EuG)- 2007: Eröffnung zweites Beihilfeverfahren- 2008: EuG entscheidet eindeutig für DPAG: Entscheidung 2002 nichtig- 2010: EuGH weist Rechtsmittel der Kommission eindeutig zurück- 2011: Ergänzende Eröffnungsentscheidung zum Verfahren von 2007; Fokussierung auf Pensionen- 2012: Entscheidung mit Feststellung einer unzulässigen Beihilfe bei den Regelungen zu Beamtenpension wb——