BYD bläst zur Attacke in Europa
BYD bläst auf der IAA zur Attacke in Europa
jh/ste München/Hamburg
Erster Kombi vorgestellt – VW will mit Kleinwagenfamilie Marktführerschaft als E-Autohersteller in Europa festigen
Mit 13 Modellen und einem Werk in Ungarn greift BYD im europäischen Automarkt an. Auch das Verkaufs- und Servicenetz wird ausgebaut. Volkswagen will seinerseits mit Elektroautos im Einstiegssegment gegen die Konkurrenz punkten. Konzernchef Oliver Blume erkennt in dieser Größenklasse große Wachstumschancen.
Der chinesische Autohersteller BYD will seine Präsenz in Europa in den nächsten Jahren erheblich verstärken und weiter Marktanteile gewinnen. Auf der IAA Mobility präsentierte das Unternehmen seinen ersten Kombi – den Seal 6 DM-iTouring, ein Hybridfahrzeug. „Jetzt decken wir alle wichtigen Marktsegmente ab“, sagte Stella Li, die das Europageschäft von BYD leitet, auf der Messe IAA Mobility in München.
Mit diesem Fahrzeug konkurriert BYD auch mit dem Passat von Volkswagen. Das chinesische Unternehmen hat mittlerweile Tesla den Rang des größten Elektroautoherstellers der Welt abgelaufen. VW steht in diesem Segment in Europa an erster Stelle. Mit kleinen E-Autos für rund 25.000 Euro will der Wolfsburger Konzern diese Position festigen. Der Markt in diesem Segment habe ein riesiges Potenzial, sagte der Vorstandsvorsitzende Oliver Blume vor der Presse in München.
Werk in Ungarn
Die Ambitionen in Europa untermauert BYD mit einem ersten Werk in der Region. Ende dieses Jahres werde die Produktion in Ungarn beginnen, kündigte Li an. Den Anfang mache in der Fabrik in Szeged das elektrische Kompaktauto Dolphin Surf. Wie stark die Chinesen in Europa expandieren, verdeutlicht auch die Angebotspalette. Li erinnerte daran, dass das Unternehmen auf der IAA vor zwei Jahren sechs Modelle für Europa gezeigt hatte. Jetzt sind es 13.
Mit rund 84.400 neu zugelassenen Pkw von Januar bis Juli kommt BYD in Europa (EU, Großbritannien und Efta) auf einen Marktanteil von 1,1%: verglichen mit dem Vorjahr, als es 0,3% waren, eine kräftige Steigerung. Vorne lag mit 26,8% die Volkswagen-Gruppe.
Händlernetz wird aufgebaut
Um den Marktanteil in Europa und besonders in Deutschland weiter zu steigern, setzt BYD nicht nur auf die vergrößerte Produktpalette und die Produktion in Ungarn. Auch die Zahl der Verkaufs- und Servicestandorte nimmt zu. Lars Bialkowski, der Deutschlandchef von BYD, berichtete, die Autos seien hierzulande an 100 Stellen zu kaufen. Ende dieses Jahres seien es mindestens 120 Verkaufs- und Servicestationen. Ziel bis Ende des nächsten Jahres seien rund 300.
Allerdings wachsen auch für BYD die Bäume nicht in den Himmel. In diesen Tagen senkte das Unternehmen das globale Absatzziel für 2025 von 5,5 Millionen auf 4,6 Millionen Autos. Im Quartal von April bis Juni sank der Konzerngewinn um knapp 30% – erstmals seit dreieinhalb Jahren. Der Grund ist der erbitterte Preiskampf auf dem chinesischen Markt für Elektrofahrzeuge. Im Juli und August verringerte BYD die Produktion um knapp 1% und annähernd 4%.
Vier Modelle zum Einstiegspreis
Die deutschen Autohersteller kontern die Expansion von BYD und anderen chinesischen Produzenten mit neuen Modellen auf der IAA: BMW mit dem vollelektrischen SUV iX3, dem ersten Serienfahrzeug der „Neuen Klasse“, Mercedes-Benz in dieser Fahrzeugkategorie mit dem neuen GLC und im Einstiegssegment mit dem CLA.

Der VW-Konzern will den Markt für kleine Stromer von 2026 an mit zwei Modellen der Marke Volkswagen sowie jeweils einem der Marken Cupra und Skoda zu einem Einstiegspreis um 25.000 Euro erobern. Dieses Segment werde in Europa laut aktuellen Prognosen nach 2030 vier Mal so groß sein wie heute, sagte Konzernchef Blume. In dieser wettbewerbsintensiven Klasse soll künftig jedes fünfte Auto aus der „Electric Urban Car Family“ des VW-Konzerns kommen.
„Mit dieser neuen Fahrzeugfamilie greifen wir an in einer der volumenstärksten Fahrzeugklassen der Elektromobilität mit großem Wachstumspotenzial“, betonte Blume. Jedes Jahr wolle man mehrere 100.000 elektrische Kleinwagen verkaufen. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“ Die Kleinwagenfamilie sei „unser Beitrag für den Durchbruch der Elektromobilität, für eine nachhaltige Mobilität, die bezahlbar ist und wirkt“. Nun müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, „die sich flexibel an den Realitäten des Marktes orientieren“, und mit Augenmaß bei Zielvorgaben vorgehen.
„Meilenstein unserer Elektrostrategie“
Die Kleinwagen basieren auf dem weiterentwickelten Elektrobaukasten MEB+. Die neue Einheitszelle des VW-Konzerns, die verschiedene Chemikalien aufnehmen kann und über Marken und Regionen hinweg für bis zu 80% der Konzernfahrzeuge vorgesehen ist, soll erstmals in der Batterie der Elektro-Kleinwagen zum Einsatz kommen.

picture alliance/dpa/Sven Hoppe
Die Produktion der ersten Zellen soll der VW-eigene Batteriehersteller Powerco Ende dieses Jahres in der neuen Gigafabrik Salzgitter beginnen. An den geplanten Fabrikstandorten Valencia (Spanien) und St. Thomas (Kanada) werde die Produktion der Zellen später aufgenommen. VW stellt neben zusätzlichen Skaleneffekten und Synergien mögliche Reichweiten von bis zu 450 Kilometern in Aussicht.
Blume sprach von einem „Meilenstein unserer Elektrostrategie“ und unterstrich, die zu 100% in Europa entwickelten und produzierten Kleinwagen seien „preislich attraktiv und zugleich wirtschaftlich profitabel“.
Motorrad mit Feststoffbatterie
Während VW zu Beginn der IAA mit einem elektrischen Motorrad der italienischen Marke Ducati ein erstes Konzern-Testfahrzeug mit einer Feststoffbatterie des Technologiepartners Quantumscape enthüllte, wird der technolgische Wandel offenbar vor allem in der deutschen Autoindustrie als größte Herausforderung angesehen. 59% der deutschen Befragten hielten die technologische Disruption für das Hauptproblem, meldete die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG am Montag mit Verweis auf eine aktuelle Branchenstudie, für die weltweit 775 Führungskräfte hinzugezogen wurden.
International seien es 38%. Nur 15% der deutschen Unternehmen fühlten sich darauf vorbereitet, global seien es mit 20% etwas mehr. Der Untersuchung zufolge gehen 69 (international: 36)% der deutschen Automobilunternehmen davon aus, ihre Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse in den kommenden drei Jahren grundlegend neu ausrichten zu müssen.
Tesla verliert weiter
Unterdessen berichtete die Nachrichtenagentur Reuters mit Verweis auf Daten des Forschungsunternehmens Cox Automotive, der Marktanteil von Tesla im US-Heimatmarkt sei im August auf 38% gesunken – auf den niedrigsten Stand seit fast acht Jahren. Käufer griffen zunehmend zu Elektroautos der Konkurrenz, während die Modellpalette des von Elon Musk geführten Konzerns in die Jahre gekommen ist. Der Rückgang unterstreiche den wachsenden Druck von etablierten Herstellern, die ihre Anreize für E-Autos erhöhten.