Carillion geht unter, Outsourcing bleibt
Von Andreas Hippin, LondonDer spektakuläre Zusammenbruch der Nummer 2 der britischen Baubranche wird das Geschäft solcher Dienstleister der öffentlichen Hand nicht verändern. Bei den weltweit 43 000 Mitarbeitern von Carillion handelt es sich nicht nur um Bauarbeiter, sondern auch um das Reinigungspersonal von Krankenhäusern oder Hafenarbeiter. Das Unternehmen, das noch im Sommer einen Börsenwert von fast 1 Mrd. Pfund hatte, betrieb unter anderem fast 900 Schulen, hielt Gefängnisse instand und war der zweitgrößte Auftragsnehmer für die Wartung des Schienennetzes von Network Rail. Bei Aufträgen, die an Konsortien gingen, wie etwa der Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke HS2, dürften andere Mitgliedsfirmen einspringen.Aufträge der öffentlichen Hand könnten zwar auch vom Staat selbst ausgeführt werden, allerdings spricht einiges dagegen. Die Private Finance Initiative (PFI) – eine Form der Public Private Partnership – ist zwar in ihrer heutigen Form ein Kind der konservativen Regierung von John Major. Die darauf folgenden Labour-Regierungen unter Tony Blair und Gordon Brown sorgten jedoch für ein goldenes Zeitalter der Konstruktion, mit deren Hilfe sich, so die Hoffnung, staatliche Dienstleistungen in Zeiten knapper Kassen zeitsparender und kostengünstiger bereitstellen ließen. Und besser noch: Man konnte damit neue Schulden vermeiden und das Risiko zumindest teilweise an die privaten Partner übertragen. Die Vorteile von PFI haben allerdings ihren Preis. Beispiel GesundheitswesenDer National Health Service (NHS) führt alljährlich erkleckliche Beträge an die privatwirtschaftlichen Partner ab. Wie aus einer Studie des Centre for Health and the Public Interest (CHPI) hervorgeht, haben der NHS und englische Lokalverwaltungen zwischen 2010 und 2015 insgesamt 10,7 Mrd. Pfund für den Bau von Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen durch PFI ausgegeben. Der Vorsteuergewinn der privaten Partner habe sich in dieser Zeit auf 831 Mill. Pfund summiert. Im Kompetenzbereich des Gesundheitsministeriums gebe es 125 PFI-Verträge. Der Wert der gebauten Assets belaufe sich auf gut 12 Mrd. Pfund. Allerdings werde der NHS den privaten Partnern über die Lebensdauer der Assets hinweg knapp 81 Mrd. Pfund für deren Nutzung bezahlen. Gut ein Fünftel der zusätzlichen Gelder, die von der Regierung für den NHS bereitgestellt werden, dürften nach Schätzung des CHPI an private PFI-Partner gehen.Bereits 2011 stellte der Finanzausschuss des Unterhauses fest, dass die Finanzierungskosten eines PFI-Projekts doppelt so hoch liegen wie die Kosten der staatlichen Kreditaufnahme. Aber neue Schulden will man ja um jeden Preis vermeiden. Als sich zeigte, dass das Risiko solcher Projekte gar nicht so hoch war wie am Kapitalmarkt erwartet, sanken auch die Renditen, die damit erwirtschaftet werden konnten. Bei Carillion kam hinzu, dass das Management hauchdünne Margen akzeptiert hatte, um sich im Wettbewerb um Aufträge durchzusetzen. Und wichtige Großprojekte wie der Bau des Midland Metropolitan Hospital in Sandwell (350 Mill. Pfund) und des Royal Liverpool Hospital (335 Mill. Pfund) sowie einer Umgehungsstraße in Aberdeen (745 Mill. Pfund) wurden nicht rechtzeitig fertiggestellt. Schon im November hatte Carillion die Gewinnziele zum dritten Mal in einem Jahr gesenkt. Am Markt wurde damals auf einen Debt-to-Equity-Swap spekuliert. Die UBS setzte ihr Kursziel auf 1 Pence herunter.In der hitzigen Debatte darüber, wer für das Debakel verantwortlich ist, wird PFI nicht grundsätzlich in Frage gestellt, nur die Vergabe von Aufträgen an ein offenkundig marodes Unternehmen. Carillion geht unter, Outsourcing bleibt.