Konjunktur

Chemie schafft starkes Finish

In der deutschen Chemieindustrie nimmt der Optimismus zu. Dank des kräftigen Aufschwungs im vierten Quartal hat die Branche im Coronajahr 2020 besser abgeschnitten als im Dezember erwartet.

Chemie schafft starkes Finish

hek Frankfurt

Nach der überraschend kräftigen Erholung im vierten Quartal 2020 wächst in der deutschen Chemieindustrie die Zuversicht. Für 2021 erwartet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) eine Ausweitung der Produktion um 3% und einen Umsatzanstieg um 5%.

Im Dezember zeigte sich der Verband aufgrund des neuerlichen Lockdowns noch vorsichtig. Der befürchtete Dämpfer sei aber ausgeblieben, sagt Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Angesichts leerer Eingangsläger und drohender Lieferschwierigkeiten hatten viele Kunden ihre Bestellungen erhöht.

So kletterte die Chemie- und Pharmaproduktion im vierten Quartal im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten um 7,4%. Die klassische Chemie, also ohne Pharma, legte sogar 9,2% zu. Gemessen am Schlussquartal 2019 expandierte die Fertigung um 4%. Die Kapazitätsauslastung nahm von 81,6% auf 85% zu. Alle Chemiesparten hätten zum Jahresende steigende Umsätze vermeldet, heißt es.

Das laufende Jahr sieht der Verband zuversichtlicher als bisher, was nicht zuletzt darauf zurückgeht, dass die Branche von einem höheren Niveau aus in das neue Jahr gestartet ist. Bisher hatte der VCI für 2021 einen Produktionszuwachs von 1,5% und ein Umsatzplus von 2,5% in Aussicht gestellt. Doch die Nachfrage zieht nun stärker an als gedacht, vor allem in China und den USA, und der Inlandsabsatz werde infolge der Belebung der Industriekonjunktur kräftig zulegen. Mit der nun erwarteten Ausweitung der Produktion im Vergleich zu 2020 um 3% würde ein drei Jahre währender Rückgang beendet. Bei geschätzten Preissteigerungen von 2% zeichnet sich ein Umsatzplus von 5% auf knapp 200 Mrd. Euro ab, was die pandemiebedingten Einbußen egalisiert.

Risiken durch Lockdown

Hauptgeschäftsführer Große Entrup hält aber starke Schwankungen für möglich und verweist auf den aktuellen Fertigungseinbruch der Autobauer, eine wichtige Kundenbranche. Der immer längere Lockdown werde nicht spurlos an der chemisch-pharmazeutischen Industrie vorbeigehen. Laut einer Mitgliederbefragung erwartet jedes zweite Unternehmen einen Dämpfer im ersten Quartal. Bei einigen Firmen kämen Materialknappheit und Logistikprobleme hinzu. Der VCI geht aber davon aus, dass die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte Fahrt aufnehmen wird, da Impfprogramm und das Thema Testen vorankämen.

Dank des Schubs im Schlussquartal fällt die Jahresbilanz besser aus als erwartet. „Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist im Coronajahr 2020 mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Große Entrup. So schrumpfte die Produktion lediglich um 0,8% im Vergleich zu 2019 statt wie im Dezember befürchtet um 3%. Beim Umsatz steht ein Minus von 4,4% auf 189,6 Mrd. Euro zu Buche, wozu gesunkene Erzeugerpreise beitrugen. Der Spartenaufriss zeigt Produktionseinbußen von 4,1% für die Hersteller von anorganischen Grundstoffen, von 2,1% für Fein- und Spezialchemikalien und von 1,8% für Konsumchemikalien, während die Herstellung von Petrochemikalien 1,4% zulegte und die Pharmaproduktion nahezu stabil blieb. Die Lieferketten seien nach wie vor gestört, vor allem bei Kunststoffen bestünden Produktionsprobleme. Die Logistik sei aufwendig, es fehlten Frachtkapazitäten.

Die Notfallplattform Corona ist laut VCI weitgehend in Betrieb. Sie soll die Versorgung mit Spritzen, Kanülen und Kochsalzlösungen für Impfungen sichern. Die Plattform schaffe Transparenz für Angebot und Nachfrage, so der VCI. Die Corona-Auseinandersetzungen unter Politikern brandmarkt Große Entrup als „Hahnenkämpfe“, die „verantwortungslos“ seien. Er fordert einen Coronapakt, Pandemie und Wahlkampf passten nicht zusammen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.