China bleibt Wachstumstreiber
– Herr Schäfer, in den vergangenen Tagen sind wieder Sorgen aufgekeimt, dass das Wirtschaftswachstum Chinas enttäuschen könnte. Wird 2016 für Continental schwieriger als das abgelaufene Jahr?Nein, davon gehen wir derzeit nicht aus. Auch 2015 war ja schon kein Jahr mehr mit einem stabilen Wachstum in China. Die Wachstumsraten allein in der Automobilproduktion schwankten zwischen 8 % im ersten Quartal, 3 % im zweiten, minus 7 % im dritten und plus 8 % im vierten Quartal. Wir sind zuversichtlich, dass die Autoproduktion in China in diesem Jahr insgesamt um 3 % zulegen wird. Es ist aber auch 2016 mit größeren Schwankungen von Quartal zu Quartal zu rechnen- .Im vierten Quartal 2015 belebte ein Stimulus der chinesischen Regierung die Produktion. Wie wichtig sind solche staatlichen Impulse in diesem Jahr?Chinas Regierung hat im vierten Quartal die Steuern gesenkt mit Blick auf die Produktion kleinerer Autos mit Hubraumgrößen bis zu 1,6 Liter. Dieser Effekt sollte auch 2016 eine Rolle spielen. In diesem Jahr könnten auch Subventionen für den ländlichen Raum in China die Produktion stützen. Die Prognose für dieses Jahr geht aber auch auf die Erwartung zurück, dass die Zahl der Haushalte in China mit Einkommen von mehr als 10 000 Dollar weiter ansteigt. Das ist der Bereich, in dem sich Chinesen das Erstauto kaufen. Ferner wird es auch in den nächsten Jahren in den Tier-2- bis Tier-4-Städten Chinas noch erheblichen Nachholbedarf an Autos geben. Dort kann die Infrastruktur weitere Autos auch verkraften.- Das mit dem Börsenbeben und der Yuan-Abwertung angekratzte Vertrauen in die Wirtschaftsstärke China macht Sie nicht skeptischer mit Blick auf 2016?Nein. Die Erwartung von Mitte 2015, dass die Autoproduktion in China in den nächsten zwei bis drei Jahren noch um 5 % bis 6 % zulegen sollte, haben wir im dritten Quartal 2015 bereits korrigiert. An der Einschätzung hat sich seitdem nichts geändert.- 2015 hat Continental von dem Marktwachstum in Europa und Nordamerika profitiert, das Schwächen in anderen Regionen ausgeglichen hat. Wie stabil sind die gegenwärtigen regionalen Wachstumsstützen?Wir gehen davon aus, dass das letztjährige Rekordniveau von 17,5 Millionen produzierten Autos in der Nafta-Region 2016 wieder erreicht wird. Neben der guten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stützen vor allem die niedrigen Benzinpreise in den USA diese Erwartung. Die Amerikaner kaufen in kürzeren Abständen neue Autos – zudem mit besserer Ausstattung, was für uns positiv ist. Für den Produktionsverlauf in Europa spielt eine Rolle, dass die heute zugelassenen Autos inzwischen ein relativ hohes Durchschnittsalter erreicht haben. Sorgten die Verschrottungsprämien in der Finanzmarktkrise 2008/2009 für erhöhte Produktions- und Absatzzahlen, so fielen die Wachstumsraten in den Folgejahren anders als in den USA geringer aus. Das vergleichsweise hohe Durchschnittsalter spricht dafür, dass eine Erneuerung langsam in Gang kommt. Wir rechnen 2016 mit einem guten Wachstum in Deutschland, in Italien, Spanien und Portugal. Aus diesen Ländern sollte Rückenwind kommen, so dass Europa um 2 % wachsen kann.- Ist 2016 im Zuge der VW-Abgasaffäre mit Auswirkungen auf die Pkw-Produktion zu rechnen?Wir können derzeit nicht erkennen, dass sich die Strukturen in Europa, dem weltgrößten Dieselmarkt, nennenswert verändern. Auch 2016 dürften gut die Hälfte der produzierten Autos Dieselfahrzeuge sein.- Sie wollen den Umsatz in diesem Jahr um 5 % steigern. Woher kommen die Wachstumsimpulse?Die Automärkte in Europa, Nordamerika und auch China werden die wesentlichen Wachstumstreiber sein. Wir werden aber auch 2016 wieder zeigen, dass Continental schneller wächst als die zugrunde liegende Automobilproduktion, weil die Ausstattungsraten vor allem von Elektronikprodukten in Fahrzeugen steigen.- Welche Rolle spielen 2016 Währungseffekte?In unserer Prognose eines Umsatzwachstums von 5 % gehen wir von unveränderten Wechselkursen verglichen mit Ende 2015 aus. Wir erwarten, dass der Eurokurs, der sich im Verhältnis zum Dollar seit dem vierten Quartal 2014 verringert hat, sein gegenwärtiges Niveau in diesem Jahr in etwa halten dürfte. Sollten sich Wechselkurseffekte ergeben, würden wir unsere aktuelle Umsatzprognose von rund 41 Mrd. Euro für 2016 je nach Entwicklung entsprechend anpassen.- Wie viel des Umsatzwachstums von 14 % im abgelaufenen Jahr entfällt auf Wechselkurseffekte?Rund die Hälfte des Wachstums, das heißt knapp 7 % oder mehr als 2 Mrd. Euro, ist auf Wechselkurseffekte zurückzuführen. Akquisitionen, vor allem der Ende Januar 2015 vollzogene Zukauf von Veyance Technologies, haben den Umsatz zudem um rund 4 % steigen lassen. Organisch sind wir 2015 um etwa 4 % gewachsen. Mit diesen 4 % ist unser Wachstumsziel von 5 % in diesem Jahr zu vergleichen.- Wie beurteilen Sie das Winterreifengeschäft?Wir blicken auf ein starkes viertes Quartal zurück. Man sollte es nicht überbewerten nach dem schwachen Vorquartal, aber in Summe haben wir an das Rekordniveau von 2014 angeknüpft.- Die Contitech-Division verbuchte einen Sondereffekt von 102 Mill. Euro im vierten Quartal. Was ist 2016 zu erwarten?Wir haben insbesondere in drei Überseemärkten – in Australien, in China und in Kanada – Kapazitäten für das Minengeschäft angepasst. Wir werden noch weitere Anpassungen vornehmen im ersten Quartal 2016, weil die Betreiber-Investitionen in das Minengeschäft auch in diesem und womöglich im kommenden Jahr noch schwach bleiben werden. Anders ist unsere Erwartung für das Ölexplorationsgeschäft, in dem sich etwa ab dem vierten Quartal 2016 wieder eine Steigerung ergeben und 2017 insgesamt wieder positiv sein sollte. Das Minen- und Ölgeschäft steht für rund ein Viertel des Contitech-Umsatzes.- Für 2016 prognostizieren Sie eine bereinigte Ebit-Marge im Konzern von 10,5 % – nach 11,7 % im vorigen Jahr. Welche Rolle spielen geringere Rohstoffpreise?2015 hatten wir viel Rückenwind. Der Ebit-Effekt durch geringere Rohstoffkosten belief sich auf rund 250 Mill. Euro. Im ersten Quartal 2016 sollte die Rubber Group nochmals einen positiven Ergebniseffekt von rund 30 Mill. Euro verbuchen können.—-Das Interview führte Carsten Steevens.