China setzt globalen Eisenbahnchampion aufs Gleis

Fusionierter Zugbauer CRRC darf an Börsen Schanghai und Hongkong wieder loslegen

China setzt globalen Eisenbahnchampion aufs Gleis

Von Norbert Hellmann,SchanghaiAn Chinas Aktienmärkten wird der aus der Fusion der staatlichen Zughersteller CNR und CSR gebildete neue Branchenriese China Railway Rolling Stock Corp. (CRRC) stürmisch begrüßt. In Schanghai zogen die CRRC-Titel, die die seit dem 7. Mai vom Handel ausgesetzten Aktien von CNR und CSR ablösen, vom Start um 10 % auf 32,4 Yuan an und stießen damit an die auf chinesischen Festlandbörsen geltende Grenze für handelstägliche Kursbewegungen. An der Hongkonger Börse, wo die beiden Gesellschaften ebenfalls notiert waren, kletterte der Nachfolger CRRC in der Spitze um 7 %. Schweres MarktgewichtMit einer Börsenkapitalisierung von nunmehr umgerechnet knapp 130 Mrd. Dollar (rund 119 Mrd. Euro) ist die CRRC weltweit die Nummer 2 im Schwerindustriesektor hinter der amerikanischen General Electric (GE) und soll dem chinesischen Staat einen noch wuchtigeren Wettbewerbsauftritt im globalen Markt für Eisenbahnprojekte beziehungsweise den Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen verleihen.Die chinesische Regierung sieht das Eisenbahnwesen als einen Schlüsselfaktor in den Bestrebungen an, China-geleitete Infrastrukturprojekte an Land zu ziehen und dabei großen Staatsunternehmen den Weg in die Globalisierung zu ebnen. Dies steht im Einklang mit den langfristigen Reforminitiativen Pekings, die auf eine industriellen Aufrüstung und die Eroberung von Exportmärkten mit technologisch anspruchsvolleren Gütern abzielen. Die Eisenbahninfrastruktur und -technologie gilt dabei als einer der Bereiche, in dem sich China einen besonders starken Weltmarktauftritt für die Zukunft verspricht. Technologische AufholjagdCNR und CSR waren in altkommunistischen Zeiten als China North Railway beziehungsweise China South Railway ähnlich wie auch Chinas Fluggesellschaften und Autobauer nach geografischen Kriterien aufgezogen worden, um dann allerdings landesweit tätig zu werden und im Wettbewerb zu stehen. CNR und CSR gelang es nach der Jahrtausendwende via Kooperationsprojekten mit ausländischen Herstellern von Hochgeschwindigkeitszügen wie Alstom, Bombardier, Kawasaki und Siemens von einem erheblichen Technologietransfer zu profitieren. Sie konnten sich zu eingeständigen Branchengrößen aufschwingen, die mit nunmehr “chinesischer” Technologie und sehr wettbewerbsfähigen Preisen im Weltmarkt und insbesondere in Schwellenländern mithalten.Allerdings waren CNR und CSR bei Projektvergaben in afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern immer stärker in einem direkten Preiswettbewerb gegeneinander angetreten, der nicht mehr nach dem Geschmack Pekings war. Im Abgleich von industriepolitischen Ambitionen und der Sicherstellung eines uniformen Auftritts von Staatsunternehmen im Auslandsgeschäft hatte die Regierung zu Jahresbeginn eine Fusionslösung von CNR und CSR angeordnet. Damit erhofft China nun erst recht, sich eine Sonderstellung bei großen Eisenbahnprojekten in Schwellenländern zu sichern. Sie werden typischerweise im Rahmen von chinesischen Staatsbesuchen angebahnt und mit Finanzierungspaketen durch chinesische Förderbanken unterlegt.Der neue chinesische Eisenbahnriese hat aber auch Ambitionen, sich schrittweise in westlichen Industrieländern als ernster Konkurrent der Branchengrößen wie Alstom, Bombardier und Siemens etablieren zu können. Im vergangenen Jahr hatte CNR erstmals einen Kontrakt in Nordamerika, nämlich den Bau von U-Bahn-Zügen für die Stadt Boston, an Land gezogen. Als Hoffnungswert gilt ein kommendes britisches Projekt für eine Hochgeschwindigkeitszuglinie im Norden Englands. Kürzlich hatte auch die Deutsche Bahn verstärktes Interesse an chinesischer Eisenbahntechnologie an den Tag gelegt und mit Blick auf Komponenten für kommende ICE-Generationen ein Einkaufsbüro in Peking eröffnet. ÜberperformanceIn China selber sorgt vor allem das von der Regierung ausgerufene Seidenstraßenprojekt, das einen gewaltigen Infrastrukturaufbau in zentral- und südostasiatischen Ländern zur Schaffung neuer Handelsrouten vorsieht, für Zukunftsmusik. Daran knüpft sich die Erwartung auf enorme Expansionschancen für Chinas Eisenbahnsektor, der die Kursfantasie für entsprechende Sektorwerte immer weiter antreibt. So hatten sich auch CNR und CSR an den sowieso stark haussierenden chinesischen Börsen als Überflieger erwiesen. Zwischen der Fusionsankündigung zum Jahresbeginn und der Kursaussetzung im Mai war der Marktwert von CNR und CSR um das 3,7fache beziehungsweise 4,1fache gestiegen. Allerdings betonen Analysten, dass das Potenzial für eine Überperformance der CRRC-Aktie gegenüber dem Gesamtmarkt nach einem anfänglichen Begeisterungsschub im Zuge der Wiedereinführung der Aktie nun bald ausgereizt sein dürfte.