China streckt Fühler nach US-Chipkonzern aus
Der staatlich kontrollierte chinesische Technologiekonzern Tsinghua Unigroup soll an einer Übernahme des amerikanischen Chipherstellers Micron interessiert sein. Die Spekulationen laufen auf eine Kaufofferte in Höhe von 23 Mrd. Dollar hinaus, was die mit Abstand größte Auslandsakquisition eines chinesischen Unternehmens bedeuten würde. Analysten räumen dem Unterfangen geringe Erfolgschancen ein.nh Schanghai – In der Halbleiterindustrie zeichnet sich die erste Megaakquisition unter chinesischer Beteiligung ab. Die chinesische Tsinghua Unigroup, die von einer Holding der staatlichen Tsinghua-Universität kontrolliert wird, habe ein Angebot für den US-Chiphersteller Micron in der Schublade, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider. Zuvor hatte das “Wall Street Journal” von den Übernahmeplänen berichtet. Kolportiert wurde eine Offerte mit einem Volumen von 23 Mrd. Dollar oder 21 Dollar je Aktie, womit Tsinghua Unigroup eine Prämie von knapp einem Fünftel auf den Micron-Schlusskurs vom Montag zahlen würde.Bis zum Redaktionsschluss der Börsen-Zeitung gab es von Micron keine Bestätigung einer Offerte, während von chinesischer Seite ein Interesse an Micron weder bestätigt noch dementiert wurde. Die Aktie des US-Konzerns legte in New York im frühen Handel um 10 % auf 19,40 Dollar zu. Seit Jahresbeginn hatte die Aktie bis zum Wochenanfang fast die Hälfte ihres Wertes verloren. Vor knapp drei Wochen war der Titel an einem Tag gleich um 18 % abgestürzt, nachdem der Ausblick auf das laufende Schlussquartal des Geschäftsjahres (per Ende August) ebenso enttäuscht hatte wie die Geschäftsentwicklung in den zurückliegenden drei Monaten.Marktteilnehmer geben denn auch zu bedenken, dass ein Angebot von 21 Dollar je Aktie trotz der scheinbar satten Prämie wenig Chancen hätte, vom Micron-Management unterstützt und von den Aktionären abgesegnet zu werden. Die kolportierte Offerte würde Micron nach Angaben von Bloomberg mit dem 3,9-fachen des erwarteten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bewerten. In den 81 von Bloomberg über die vergangenen fünf Jahre erfassten Übernahmen in der Branche lag die Bewertung im Durchschnitt beim 14-fachen Ebitda, bei Deal-Volumen jenseits von 10 Mrd. Dollar beim 25-fachen.Sektoranalysten in China wie auch in den USA halten es zwar für sehr wahrscheinlich, dass Tsinghua ein Auge auf Micron geworfen hat, hegen allerdings Zweifel daran, dass es zu einer raschen Offerte kommen wird. Sollte ein entsprechender Vorstoß erfolgen, sei es außerdem sehr ungewiss, dass die US-Regierung einem staatskontrollierten chinesischen Unternehmen wie Tsinghua in einem so sensiblen technologischen Bereich die erforderliche Genehmigung erteilen würden. Sollte es trotz aller Vorbehalte dennoch zu einer erfolgreichen Übernahme kommen, würde dies nicht nur wegen des Umfangs der Transaktion einen Meilenstein in den Bemühungen der chinesischen Regierung darstellen, den gegenwärtigen Reform- und Marktöffnungskurs mit einer Globalisierungsoffensive für staatsnahe Unternehmen zu flankieren. Speerspitze des StaatesBei Tsinghua Unigroup handelt es sich um ein Unternehmen mit Schwerpunkten in der Datentechnologie, das sich erst in den vergangenen Jahren als eine Art Speerspitze für solche Ambitionen im Reich der Mitte entpuppt hat. Die Gesellschaft gehört zur Tsinghua Holdings Company, einem weit verzweigten Konglomerat unter der Regie der Pekinger Eliteuniversität Tsinghua, die als die chinesische Nummer 1 im Naturwissenschafts- und Technikbereich gilt. Auch andere führende Universitäten des Landes sind in hauseigenen Unternehmenskonglomeraten engagiert, über die es allerdings nur äußerst wenige öffentliche Informationen gibt.Die bereits 1993 gegründete Tsinghua Unigroup hatte vor zwei Jahren damit begonnen, stärkere Ambitionen für das Halbleitergeschäft zu entwickeln. In der Branche verfügt China bisher über keinen führenden Player. Sie ist von der chinesischen Regierung aber als ein Schlüsselbereich von strategischer Bedeutung für die industrielle Aufrüstungsoffensive des Landes identifiziert. Tsinghua hat sich passend dazu 2013 als Langfristziel auf die Fahnen geschrieben, zum weltweit drittgrößten Chiphersteller aufsteigen zu wollen, und hat diese Ambitionen gleich mit der Übernahme von zwei heimischen Branchenadressen unterstrichen. So wurde im Sommer 2013 der chinesische Handychipdesigner Spreadtrum Communications für rund 1,4 Mrd. Dollar übernommen und wenig später auch die in den USA gelistete chinesische RDA Microelectronics für gut 900 Mill. Dollar eingekauft.Auf stärkere Tuchfühlung mit international führenden Hightech-Adressen ging Tsinghua Unigroup im vergangenen Jahr, als der Konzern dem US-Branchenführer Intel Corp. für insgesamt 1,5 Mrd. Dollar eine Beteiligung über 20 % an von Tsinghua kontrollierten chinesischen Mobilfunkchipherstellern anbot. Die Intel damit eingeräumte Möglichkeit, in den riesigen chinesischen Markt für Handytechnologie einzusteigen, ist in eine Kooperation eingebettet, bei der der US-Halbleiterkonzern seine Kapazitäten für die Förderung des Designs und der Entwicklung von chinesischen Chips einbringt. Der Marktforscher Gartner führt Tsinghua Unigroup mit einem Umsatz von 1,4 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr als Nummer 41 im globalen Halbleitermarkt. Zusammen mit Micron würde sich das Unternehmen in die Spitze katapultieren (siehe Grafik).Im Frühjahr folgte die 2,3 Mrd. Dollar schwere Übernahme von 51 % an H3C Technolgies, die zuvor von Hewlett-Packard (HP) gehalten wurden (vgl. BZ vom 22. Mai). Das Unternehmen wurde bei der börsennotierten Tsinghua-Tochter Unisplendour einsortiert, mit der HP schon länger eine Vertriebspartnerschaft unterhält. Unisplendour vertreibt als Systemintegrator neben Servern und Netzwerkausrüstung auch Software von HP.In der Zusammenarbeit mit Intel und HP hat sich Tsinghua als freundlich gesinnter Kooperationspartner bewährt. Die Widerstände gegen einen Kontrollwechsel bei einem US-Unternehmen in einem so sensiblen Technologiebereich, noch dazu wenn die Kontrolle nach China abgegeben werden soll, würde das aber wohl kaum schmälern.—– Personen Seite 16