Serie IAA Mobility (5)Wachablösung

Chinas Autobauer auf der Erfolgsspur

Im weltgrößten Pkw-Markt geht eine Ära zu Ende. Nach jahrzehntelanger Dominanz verlieren ausländische Autobauer gegenüber chinesischen Markenhersteller rasch an Boden. Mit dem Vormarsch der Elektromobilität genießen sie nun klaren Heimvorteil.

Chinas Autobauer auf der Erfolgsspur

Chinas Autobauer auf der Erfolgsspur

Elektromobilität bringt neue Rangordnung im Heimatmarkt – Ausländische Marken verlieren den Anschluss – BYD findet zum Massenpublikum

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Im weltgrößten Pkw-Markt geht eine Ära zu Ende. Nach jahrzehntelanger Dominanz verlieren ausländische Autobauer gegenüber chinesischen Markenherstellern rasch an Boden. Mit dem Vormarsch der Elektromobilität können Firmen wie BYD technologischen Stärken konsequent nutzen und genießen klaren Heimvorteil.

Von einem Triumphzug zu sprechen ist sicherlich keine Untertreibung. Chinas Autohersteller finden nach Jahrzehnten dumpfer Verzweiflung über technische Rückständigkeit und unscharfe Markenprofile mit dem Aufkommen der Elektromobilität ein neues Wettbewerbsumfeld vor, in dem sie ganz anders punkten und gedeihen können.

Nach jahrelanger und sorgfältiger industriepolitischer Vorbereitung durch die chinesische Regierung ist auf der Nachfrageseite der sehnlich erhoffte Durchbruch gelungen. Das dynamischste Kundensegment im weltgrößten Pkw-Markt, nämlich eine junge aufstrebende Mittelschicht in Chinas führenden Großstädten, beginnt bei der Wahl des ersten selbsterworbenen Autos von vorneherein keinen Benziner, sondern ein vollelektrisches Fahrzeug in Erwägung zu ziehen.

Der Staat hat es mit kräftigen Subventionsgeschenken und Rationierungsregeln für Pkw-Neuzulassungen in Chinas Metropolen möglich gemacht, dass der Kauf eines Elektroautos die urbanen Mobilitätsbedürfnisse besser als ein Benziner abdecken kann. Damit wird der Griff zum Batterieauto abseits jeglicher persönlicher ökologischer Befindlichkeiten zu einer rationalen Zweckentscheidung.

Ist die Wahl grundsätzlich erst einmal auf ein Elektrofahrzeug entfallen, ist für die Mehrzahl der Kunden bei der Qual der Wahl für ein optisch ansprechendes und auch einem schmaleren Budget genügendes Fortbewegungsmittel der Griff nach einem chinesischen Markenfahrzeug anders als in früheren Zeiten schon quasi eine Selbstverständlichkeit.

Näher am jungen Käufer

Westliche und japanische Autobauer haben sich mit Blick auf ihre grundsätzlichen langen Entwicklungszeiten zunächst mit der Elektrifizierung von bereits bestehenden Benziner-Modellen beholfen, können damit aber nicht im Massengeschäft bestehen. Demgegenüber wissen chinesische Hersteller mit erstaunlicher Flexibilität eine umfangreiche Palette von extrem kostengünstigen wie auch anspruchsvolleren Batteriefahrzeugen in den Markt zu bringen, die mit zahlreichen elektronischen Gadgets auf die technologieaffine neue Käuferschicht besser zugeschnitten sind.

Das Ergebnis lässt sich sehen. Chinesische Markenhersteller angefangen mit BYD, GAC, Changan sowie den aus der Start-up-Szene kommenden Tesla-Konkurrenten Nio, Li Auto und Xpeng haben im breiten Kundenschwenk auf die Elektromobilität so rasante Absatzzuwächse verbucht, dass sie nicht nur das E-Auto-Segment völlig dominieren. Auch in der der Statistik für den gesamten Pkw-Absatz läuft man den ausländischen Massenherstellern nun den Rang ab. Zu Anfang der Dekade lag der Marktanteil chinesischer Markenfahrzeuge noch bei etwa einem Drittel, um Ende 2022 die 50-Prozent-Marke zu erreichen. Nun geht es auf der Überholspur flott voran.

Zur Jahresmitte haben die heimischen Adressen im Sog des E-Auto-Booms ihren Anteil auf bereits 54% steigern können. Chinas Pkw-Absatz hat sich konjunkturbedingt in der ersten Jahreshälfte zwar nur mäßig entwickelt, die E-Auto-Verkäufe konnten gegenüber Vorjahr dennoch stramm um 44% anziehen.

Da sich gegenwärtig in der Top-Ten-Liste der absatzstärkten Unternehmen im E-Auto-Bereich außer Tesla nur heimische Adressen befinden, muss mit Fortsetzung der Marktanteilsverschreibung gerechnet werden. Damit dürfte China Inc. in der Lage sein, binnen gerade einmal vier Jahren ihren Marktanteil glatt zu verdoppeln und für etwa zwei Drittel der heimischen Fahrzeugverkäufe aufzukommen.

Volkswagen bekommt als jahrzehntelanger Platzhirsch und Großverdiener im Reich der Mitte die Wachablösung im Massengeschäft besonders schmerzhaft zu spüren. Der Marktanteil ist wegen äußerst spärlichem Angebot an im chinesischen Markt wettbewerbsfähigen E-Auto-Modellen binnen zwei Jahren stark abgesackt. Das koinzidiert nicht ganz zufällig mit dem raketenhaften Aufstieg von BYD.

Im vergangen Jahr konnte BYD 1,8 Millionen Pkw verkaufen und liegt zur Jahresmitte 2023 bereits bei 1,2 Millionen Batteriefahrzeugen und Plug-in-Hybriden. Damit vereint BYD ein Drittel des diesjährigen Absatzes an New Energy Vehicles in China auf sich und avanciert an Volkswagen vorbei zum chinesischen Pkw-Marktführer mit 11,2% Anteil.

Mit BYD hat sich ein Konkurrent gefunden, dem es bei nunmehr ausschließlich auf E-Fahrzeuge beschränkter Produktion gelungen ist, die eigentliche Stärke der Wolfsburger zu kopieren: BYD kann mit einer sehr weit gespreizten Modellpalette in allen Preisklassen bei durchweg akzeptablem Qualitätsanspruch praktisch für jeden Kundengeschmack etwas bieten.

Der Autobauer aus Shenzhen feiert mit dem Einstiegsmodell Seagull, der ab 70.000 Yuan (ca. 9.000 Euro) zu haben ist, gewaltige Erfolge und positioniert sich mit der Marke Yangwang nun auch im Premium-Segment. Das frisch lancierte Luxus-SUV aus dem Hause BYD kostet als Chinas teuerstes E-Fahrzeug glatt 1 Mill. Yuan.

Serie IAA Mobility: Wachablösung (5)