IM GESPRÄCH: CHRISTOPH KLENK UND NORBERT BROGER

"Da sind wir alle momentan ratlos"

Wie Krones die Coronakrise trotzdem zu meistern versucht - Die Linie von Konzernchef und Finanzvorstand

"Da sind wir alle momentan ratlos"

Das Management von Unternehmen ist immer ein Entscheiden unter Unsicherheit. Die Coronakrise stellt Vorstände in der deutschen Exportwirtschaft jedoch vor Aufgaben, die seit dem Zweiten Weltkrieg ohne Beispiel sind. Der Fall Krones zeigt, wie ein Maschinenbauer die Herausforderung angeht. Von Michael Flämig, MünchenDie Coronavirus-Pandemie geht an das Herz des Wirtschaftens, gefährdet Nachfrage und Produktion zugleich, ändert täglich die Rahmenbedingungen und betrifft alle Beschäftigten auch im privaten Leben. Was also tun als Manager?Christoph Klenk ist einer jener Unternehmenslenker, auf deren Entscheidungen es jetzt für ihre Mitarbeiter ankommt. Der 56-Jährige führt Krones als Vorstandsvorsitzender und ist damit für mehr als 17 300 Beschäftigte beim Hersteller von Verpackungs- und Getränkeabfüllanlagen verantwortlich. Schon seit dem Jahr 2003 agiert er als Vorstand, und vor vier Jahren rückte er an die Spitze des Unternehmens. Erfahrung besitzt der hochgewachsene Diplom-Maschinenbauer also genug. Anders als FinanzkriseAllwissenheit schützt Klenk dieser Tage trotzdem nicht vor – dies darf als erster Schritt zum Meistern der Lage gelten. Im Gespräch lautet ein typischer Satz des Unternehmenslenkers: “Da sind wir alle momentan ratlos, wie das genau geht.” Obwohl man beispielsweise täglich kläre, wie lange die Verzögerungen von Projektentwicklungen andauern könnten, “ist keiner von uns in der Lage, eine echte Aussage zu machen”.Das Unwissen kommt nicht von ungefähr – schließlich hält Krones die Finanzkrise 2008 nicht für eine gute Leitschnur, um heute Entscheidungen zu treffen. Damals seien weder Reisen der Mitarbeiter eingeschränkt gewesen, noch hätten Werke geschlossen werden müssen. Auch hätten die Lieferketten gehalten und die Logistikprozesse funktioniert. Dies sei in der Coronakrise nicht sicher gewährleistet. Vor allem aber: In der Finanzkrise konnten Notenbanken und Politik der Wirtschaft den entscheidenden Schubs geben, um die Flaute schnell hinter sich zu lassen. Damit rechnet Krones heute nicht: “Finanzielle und strukturelle Hilfen der Regierungen können erst helfen, wenn sich die Ausbreitung des Virus signifikant verlangsamt.”Das Zugeständnis von Ratlosigkeit an manchen Stellen ermöglicht Klenk, sich neue Erfahrungen zu sichern, um seine Entscheidungen täglich neu zu justieren. Krones hat dabei einen gewissen Vorteil, weil der Maschinenbauer zwei Fabriken in den gesperrten Zonen Italiens und auch Aktivitäten in China hat. Diese Expertise wird angezapft. “Einmal in der Woche haben wir alle unsere Manager im Call, damit wir einen Erfahrungsaustausch machen”, berichtet Klenk. Dies betreffe nicht nur die Arbeitsorganisation, sondern beispielsweise auch die Kommunikation mit Gesundheitsämtern: “Das hat sich bisher super bewährt.” Lob für den BetriebsratDie Fürsorgepflicht für die Beschäftigten steht wie vielerorts an erster Stelle. Dies beschränkt sich nicht auf das Aufstellen von Desinfektionsmitteln. Am Mittwoch habe Krones etwa eine Rückholaktion gestartet, um alle deutschen Servicetechniker nach Deutschland zu bringen, berichtet Klenk. Man arbeite nun mit den einheimischen Beschäftigten in den jeweiligen Ländern.In der Verwaltung wird auf Arbeit zu Hause umgeschaltet. Aktuell sei die Hälfte im Homeoffice, in der nächsten Woche steige die Quote auf 90 %, berichtet Klenk. Vor allem die Engineering-Aufgaben ließen sich sehr gut aus der Distanz erledigen: “Ich bin da selber überrascht.”In der Produktion dagegen, die Krones in Deutschland aufrechterhält, ist Anwesenheit Pflicht. Wichtig ist für den Vorstandsvorsitzenden der enge Kontakt mit den Arbeitnehmervertretern. “Der Betriebsrat zieht mit”, berichtet Klenk begeistert: “Ich kann nur ein großes Kompliment machen, wie sich die Kollegen auch in Abstimmung mit der IG Metall verhalten.” Dies sei echtes Co-Management.Wenn das Virus massiv um sich greife, müsse man eine andere Diskussion führen, räumt Klenk ein. Aktuell habe man die Lage aber gut im Griff. Wenn ein Krankheitsfall auftrete, könne man ihn schnell isolieren. Eine Vorsichtsmaßnahme aus Sicht von Finanzvorstand Norbert Broger: “Wir haben Schichten getrennt, damit es keine Überlappungen mehr gibt.” Die Arbeiter lösten sich ohne persönlichen Kontakt ab, außerdem dürften sie nicht zwischen Früh- und Spätschicht wechseln. Lehren aus ItalienDas System beruhe auf Lerneffekten aus den beiden Betrieben in Italien, erklärt Klenk. Die Werke in der Region (südlich des Gardasees und westlich von Bologna) seien drei Wochen in der Entwicklung der Epidemie voraus: “Auch da funktioniert es relativ gut.” Es seien 80 % bis 90 % der Kapazitäten verfügbar, und auch in den vergangenen Wochen habe die Kapazität nie wesentlich unter diesen Werten gelegen.In China habe Krones früher als andere Betriebe hochfahren dürfen, weil man als systemkritisches Unternehmen klassifiziert worden sei, erklärt Klenk: “China war nach dem Neujahrsfest eine Woche zu, und dann ging es schon wieder los.” Die Krones-Servicetechniker sorgen schließlich dafür, dass die Produktion von Getränkeflaschen am Laufen bleibt. In China liege die Kapazität nun bei 90 %.Klar ist aber auch: Es gilt sich auf drastische Einbrüche vorzubereiten. Klenk registriert weniger Aufträge. Broger rechnet zwar kaum mit einer Auswirkung auf den Umsatz in den ersten drei Monaten, aber mit einem Rückgang beginnend im zweiten Quartal und deutlich im Folgequartal. Klenk lässt keine Zweifel an den Folgen: “Darum ist das Thema Kurzarbeit definitiv eine Option.” Broger rechnet damit im zweiten Quartal. Man wolle aber nicht wie die Automobilindustrie drei Wochen komplett schließen. Schließlich seien Kundenaufträge zu erfüllen.Broger warnt jedoch: “Wenn die Logistikkette zusammenbrechen sollte, dann sieht es anders aus.” Dies hält er vorerst für ein größeres Problem als einen Ausfall von Lieferanten. Die am 6. März bei Aufstellung des Geschäftsberichts formulierte Prognose – Stagnation des Umsatzes, Ebitda-Marge von 6,7 % bis 7,2 % – ist Makulatur. “Momentan ist das nicht einschätzbar”, erklärt Klenk.Ein wichtiges Element des Managements in der Coronakrise ist daher die Liquiditätsplanung. “Die eigene Liquidität ist gut”, ist Broger überzeugt. Kreditlinien von 950 Mill. Euro ständen zur Verfügung, für einen Teil würden die Laufzeiten verlängert. Außerdem überlege Krones, ob ein zusätzlicher Schutzschirm aufgenommen werden soll. Der Finanzvorstand deutet an, dass er Zahlungsausfälle bei kleineren Kunden für möglich hält. Krones hat 500 Mill. Euro Forderungen ausstehen.Die Dividende, die von 1,70 auf 0,75 Euro je Aktie gesenkt werden soll, stellt Klenk auch bei verschobener Hauptversammlung nicht in Frage: “Bei uns geht es darum, Wort zu halten.” Krones habe eine hohe Dividendensicherheit versprochen.