IM INTERVIEW: JAN KEMPER

"Da sind zwei bis drei große Namen neu dabei"

Das Berliner Reiseportal Omio sammelt 100 Mill. Dollar bei Investoren ein - Convertible lockt mit Discount auf die nächste Runde

"Da sind zwei bis drei große Namen neu dabei"

Das Reiseportal Omio, das wie die gesamte Reisebranche stark von der Coronakrise betroffen ist, hat 100 Mill. Dollar bei bestehenden Investoren eingesammelt. Zwei bis drei neue Adressen, die künftige Runden anführen könnten, sind laut CFO Jan Kemper auch dabei. Das Thema Bewertung hat er mit einem Convertible gelöst, der einen Discount auf die nächste Runde verspricht. Herr Kemper, die Reisebranche ist von der Coronakrise besonders betroffen, die Investoren von Omio stecken trotzdem weitere 100 Mill. Dollar in die Firma. Wie beschwerlich war denn ihre erste Finanzierungsrunde während einer Pandemie?Es war wahrscheinlich der schwierigste Fundraise, den ich persönlich bisher mit einem Team verantworten durfte. Umso schöner, wenn es am Ende zusammenkommt. Wie kann man Investoren trotz anhaltender Reisewarnungen derzeit von einem Reise-Start-up überzeugen?Es gibt drei Punkte, die uns geholfen haben, diese Runde im wirklich schwierigsten Marktumfeld hinzubekommen. Erstens ist der Fundraise getrieben von bestehenden Investoren, die zum Teil schon mehrere Jahre mit uns zusammengearbeitet haben und weiter an das langfristige Potenzial der Firma glauben – selbst wenn eine Pandemie dieser Größenordnung uns jetzt für ein oder zwei Jahre beschäftigen wird. Zweitens haben die Investoren sehr zu schätzen gewusst, wie schnell und konsequent wir reagiert haben, als uns Anfang März die Umsätze innerhalb von zwei Wochen um 95 % eingebrochen sind. Und drittens zeigen die Zahlen seit Mai wieder in die richtige Richtung und unsere Planungsgenauigkeit war hoch, was gerade den neuen Investoren das nötige Vertrauen gegeben hat. Wer sind die Adressen, die jetzt neu eingestiegen sind?Da sind zwei bis drei große Namen neu mit dabei, die eine zukünftige Runde auch anführen könnten. Da sie aber nun mit einem kleineren Ticket eingestiegen sind, nennen wir sie nicht explizit. Mussten Sie bei der Bewertung gegenüber der letzten Finanzierungsrunde Abstriche machen?Das haben wir salomonisch gelöst und einen Convertible strukturiert, der den Investoren einen Discount auf die nächste Runde gibt. Dementsprechend steht die Bewertung der letzten Runde weiterhin. Klingt nicht nach einer Pauschalreise. Ist das ein bewährtes Instrument?In einem Marktumfeld mit hoher Unsicherheit ist das ein gängiges und auch sinnvolles Instrument, weil es zum einen den Investoren einen Anreiz gibt, aber auch das Management dahingehend motiviert, in den nächsten ein bis zwei Jahren das operative Geschäft so weit nach vorne zu bringen, dass dann die Bewertung in einer Folgerunde möglichst hoch ist und die Verwässerung durch den Convertible jetzt gering ausfällt. Haben Sie sich auch mit den staatlichen Hilfen beschäftigt, die mittlerweile angelaufen sind?Wir haben uns das sehr intensiv angeschaut, sowohl die Möglichkeit über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) als auch die Corona Matching Facility (CMF). Den CMF fanden wir sehr spannend. Wir mussten im Laufe des Prozesses aber feststellen, dass er für uns aufgrund einiger technischer Hürden nicht zugänglich ist. Das ist natürlich wirklich bedauerlich, da wir meines Erachtens genau in das Raster der Firmen passen, die durch die Gelder des CMF gestützt beziehungsweise gestärkt werden sollten. Wie bewerten Sie insgesamt die Hilfe der Bundesregierung für Start-ups in der Pandemie?Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite muss man der Regierung schon sehr zugutehalten, dass sie über das Instrument der Kurzarbeit die Substanz vieler Start-ups konserviert hat. Im angloamerikanischen Raum mussten Gründer zum Teil bis zu 50 % ihrer Mitarbeiter vor die Tür zu setzen. Das konnte hier vermieden werden. Was nicht gut funktioniert hat, war der Zugang zu den Mitteln im Rahmen von WSF und CMF. Hier gingen die öffentliche Kommunikation und die tatsächliche Verfügbarkeit der Mittel doch merklich auseinander. Viele Firmen mussten in der Zwischenzeit andere Wege finden und das ging nicht immer so gut aus wie bei uns. Wofür will Omio die Mittel der Finanzierungsrunde einsetzen?Erstmal holen wir unsere Mitarbeiter zum 1. September gesamthaft aus der Kurzarbeit zurück. Wir müssen unser Produkt weiter verbessern und vor allem an das veränderte Konsumentenverhalten anpassen. Zurück zum Pre-Covid-19 reicht nicht. Des Weiteren werden wir verstärkt in die Neukundenakquise investieren. Wie sieht es denn mit M&A-Gelegenheiten aus?Es gibt in der Reisebranche nicht so viele Unternehmen, die eine Finanzierungsrunde strukturieren konnten. Dies eröffnet sicher Möglichkeiten, wo wir Firmen unterstützen oder auch übernehmen können. Entweder mit Minderheitsbeteiligungen oder einer Brückenfinanzierung die uns den Weg zur Mehrheit sichert. Es gibt da einige Unternehmen, die wir schon länger auf dem Zettel haben. Die Umsätze von Omio liegen derzeit bei 50% des Vorkrisenniveaus, in Deutschland sogar schon etwas darüber. Wie geht es weiter?Wir werden jetzt sicher nicht leichtsinnig, sondern fahren weiterhin auf Sicht. Es gibt einzelne Bausteine, von denen ich nicht glaube, dass sie wieder wegbrechen, etwa der Binnenverkehr in einzelnen europäischen Ländern. Wir zeichnen aber keine gerade Linie von 50 auf 100 %. Wir fühlen uns auf diesem Level erst einmal ganz komfortabel, auch weil wir in der Krise kaum Geld für Marketing ausgegeben haben. Jetzt erhöhen wir die Ausgaben wieder und erwarten, damit stärker als der Markt wachsen zu können. Der Fokus liegt jetzt aber ganz klar darauf, das Produkt an die neuen Gegebenheiten anzupassen und somit besser zu machen. Das Interview führte Stefan Paravicini.