Daimler verabschiedet sich vom Platooning
Autonom fahrende Lastwagen sollen den Warentransport effizienter und sicherer machen. Daimler nimmt nun viel Geld in die Hand, um hochautomatisierte Lkw binnen zehn Jahren zur Marktreife zu bringen. Vom Platooning verabschiedet sich der Konzern dagegen.igo Las Vegas – Der Autokonzern Daimler investiert in den kommenden Jahren 500 Mill. Euro in die Entwicklung hochautomatisierter Trucks. Ziel ist es, Lkw mit dem Automatisierungslevel 4 binnen eines Jahrzehnts zur Marktreife zu bringen. Am US-Hauptstandort der Sparte in Portland soll dafür ein neues Forschungszentrum mit 200 Arbeitsplätzen entstehen, in dem die Fahrzeuge entwickelt, geprüft und validiert werden sollen. Daimler will eine Automatisierungsstufe überspringen und verabschiedet sich auch aus diesem Grund vom sogenannten Platooning. Dabei werden mehrere Lkw per W-Lan miteinander gekoppelt.Daimler stellte auf der Technologiemesse CES in Las Vegas einen neuen Truck der US-Marke Freightliner vor. In den USA sei dies das erste serienmäßig erhältliche Modell mit Automatisierungslevel 2. Es entspricht technologisch dem Actros der europäischen Konzernmarke Mercedes. Bei Level 2 handelt es sich um weiterentwickelte Fahrerassistenzsysteme, durch die der Truck selbständig bremst, beschleunigt und lenkt. Level 3 will der Konzern in der Entwicklung überspringen. Die Vorteile gegenüber Level 2 stünden nicht im Verhältnis zu den Kosten, sagte Spartenvorstand Martin Daum auf der CES. Level 4 soll vollautomatisierte Fahrten in bestimmten Gebieten zwischen vordefinierten Orten ermöglichen. Das System gehe dann nicht mehr davon aus, dass ein Fahrer auf eine Aufforderung zum Eingriff reagiere, so der Konzern. Da Daimler auch für Pkw und Transporter autonome Systeme entwickelt, könne die Sparte auf vorhandene, skalierbare Lösungen aufbauen. Branchenweit ProjekteAutonome Fahrzeuge, deren Systeme mit künstlicher Intelligenz funktionieren, sollen dazu beitragen, Unfälle zu verhindern. Gleichzeitig sollen Warentransporte effizienter werden, da autonome Trucks theoretisch rund um die Uhr im Einsatz sein können. Für Transportunternehmen kann dies angesichts des zunehmenden Online-Versandhandels wettbewerbsentscheidend sein.Auch Wettbewerber wie MAN oder Volvo Trucks beschäftigen sich seit Jahren damit. MAN testet etwa mit der Hamburger Hafen und Logistik autonome Trucks in einem Container-Terminal sowie auf einer Teilstrecke der Autobahn A7. Volvo will ab 2019 mit dem schwedischen Bergbaukonzern Bronnoy Kalk ein bereits 2017 mit Begleitfahrern gestartetes Projekt weiterführen. Künftig sollen die mit autonomen Systemen ausgerüsteten Sattelschlepper auf einer öffentlichen Strecke von rund fünf Kilometern Kalkstein vollautonom zur Zerkleinerung fahren. Bronnoy kauft dabei keine Fahrzeuge von Volvo, sondern zahlt nach transportierten Tonnen Kalkstein.Im Bergbau sind autonome oder teilautonome Trucks bereits seit Jahren im Einsatz. Rio Tinto begann etwa 2008 mit ersten Versuchen und hatte bis 2013 bereits rund 100 Mill. Tonnen Rohstoffe in Westaustralien mit autonomen Fahrzeugen des japanischen Herstellers von Minen-, Holzbau- und Militärfahrzeugen Komatsu bewegt.Um Waren künftig über Einsparungen beim Kraftstoff günstiger transportieren zu können, forschen die Hersteller seit einigen Jahren auch am sogenannten Platooning. Daimler war 2015 einer der ersten Hersteller, die entsprechende Testfahrten begannen. Bei diesen Fahrzeugkonvois sind mehrere Trucks elektronisch miteinander gekoppelt, wodurch der Abstand zwischen ihnen auf 15 Meter verringert wird und sich die Aerodynamik verbessert.Daimler war bislang einer der treibenden Konzerne in diesem Bereich mit Projekten in den USA, Europa und Japan. Schwerpunkt waren dabei die USA, da Daimler davon ausging, dass sich Platooning vor allem auf langen Strecken lohnt. Das, teilte der Konzern nun mit, sei allerdings nicht der Fall. “Die Ergebnisse zeigen, dass die Einsparungen selbst unter optimalen Platooning-Bedingungen in der Praxis geringer ausfallen als erhofft”, so der Konzern. Ein Beispiel seien Beschleunigungsvorgänge, wenn die Trucks im Platoon voneinander getrennt werden. Etwa, wenn sich bei einer Autobahnausfahrt ein Pkw zwischen zwei Platoon-Trucks schiebt. Dann müssen die Trucks einzeln wieder beschleunigen, um aufzuschließen. Dieser zusätzliche Kraftstoffbedarf senke das Einsparpotenzial weiter. “Zumindest im Langstreckenverkehr in den USA ergibt sich daher kein Geschäftsmodell für Kunden”, so der Konzern. Bestehende Projekte zum Platooning würden zwar fortgesetzt, aber keine weiteren angestoßen.Andere Konzerne halten bislang an der Technologie fest. Auf der Autobahn 9 zwischen München und Nürnberg startete im vergangenen Juni der weltweit erste Praxiseinsatz von Platoons mit MAN-Lkw der Bahn-Tochter Schenker. Der Test lief bis Ende 2018. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte damals beim Startschuss, dass Platooning die Chance habe, zum Exportschlager zu werden.