IM GESPRÄCH: CARLO FUNK, STATE STREET GLOBAL ADVISORS

"Das sind keine Bagatelldelikte"

Vermögensverwalter filtert ESG-kritische Unternehmen aus den Portfolien heraus - Keine Abstriche am Risiko-Rendite-Profil

"Das sind keine Bagatelldelikte"

Von Sabine Wadewitz, FrankfurtDer Vermögensverwalter State Street Global Advisors versucht Nachhaltigkeitskriterien nicht nur in Abstimmungen auf Hauptversammlungen zu berücksichtigen, sondern auch in der Anlagestrategie. Dabei fällt es nicht immer leicht, die Spreu vom Weizen zu trennen, erläutert Carlo Funk, der in der Region EMEA für die ESG-Investitionsstrategie für State Street Global Advisors verantwortlich ist.”Für ein Haus wie unseres stellt sich die Frage, wie man Firmen aus einem auf nachhaltige Anlage ausgerichteten Portfolio herausfiltert, wenn sie zum Beispiel gegen die UN Global Compact Principles verstoßen” – zehn Prinzipien der Vereinten Nationen, die soziale und ökologische Mindeststandards für Unternehmen, Zivilgesellschaft, Organisationen und Kommunen festlegen. In Nachhaltigkeitsstrategien der Kunden des Vermögensverwalters stehen Unternehmen auf dem Index, die gegen eines oder mehrere dieser Prinzipien verstoßen. Auf den Negativlisten landen zudem Anbieter von international geächteten kontroversen Waffen, etwa Streubomben oder Blendwaffen. “In solche Unternehmen wollen viele Anleger nicht investieren”, sagt FunkState Street schließt diese Art von Firmen seit langem in einer Fülle von Mandaten und Produkten aus. In der Regel vollzieht sich das aber im Kontext von expliziten ESG-Mandaten oder wenn es der Kunde verlangt. Um dies in der Praxis umzusetzen, greift State Street auf die Daten spezialisierter Anbieter zu, die Unternehmen nach spezifischen Kriterien analysieren, um schwarze Schafe herauszufiltern. Diese Dienstleister arbeiteten oft mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, um Verstöße wie Kinderarbeit aufzudecken. Von Tabak bis zu NerzenIn der Datenbank von State Street sind eine Vielzahl von Geschäftsfeldern von Firmen und potenzielle Verstöße gegen bestimmte Normen gekennzeichnet und somit für jeden Portfoliomanager erkennbar. “Damit kann er spezifischen Kundenwünschen in der Vermögensanlage nachkommen”, erklärt Funk. Wenn ein Unternehmen die Defizite abgestellt habe, werde es wieder aus der schwarzen Liste gestrichen. “Das dauert in der Regel eine längere Zeit”, sagt Funk. “Das sind keine Bagatelldelikte”, stellt der Investorenvertreter klar.Im Fall der Hersteller kontroverser Waffen geht es um die Ablehnung des Geschäftsmodells an sich. Hier verschafft sich State Street ebenfalls von Analysehäusern die Information, welcher Anbieter kritische Rüstungsgüter wie Landminen im Sortiment hat oder Komponenten dafür herstellt. Ein Business Involvement Screening über die Wertschöpfungsketten hinweg kann sich auf viele Dinge richten: von Öl und Gas über Tabak bis zu Nerzen. “Wenn das rote Licht angeht, sind die Firmen nicht mehr investierbar.”Es fällt nicht immer leicht, alle Firmen zu finden, die Regeln verletzen. Sobald der Zulieferer einer Firma ein nicht notiertes intransparentes Unternehmen ist, fällt es im Screening nicht auf. “Wenn jedoch der Abnehmer des Zwischenprodukts an der Börse gelistet ist und daher gewissen Offenlegungspflichten unterliegt, kann trotzdem oftmals ein Zusammenhang im Hinblick auf die Lieferkette erkannt werden”, erklärt Funk. Es ist nicht so, dass State Street diesen Kreis kritischer Unternehmen aus allen Portfolios verbannt, räumt er ein. Das hänge an den Vorgaben des Kunden. Wenn eine Pensionskasse in der Mandatierung verlangt, einen bestimmten Index abzubilden, könne State Street zwar auf ESG-kritische Unternehmen hinweisen, deren Aussortierung aber nicht erzwingen.Für viele Kunden sind die großen Indexanbieter die Benchmark. So sei der Assetmanager in der Regel aufgefordert, bestimmte Indizes abzubilden, zum Beispiel den MSCI World oder den Euro Stoxx 50. “Die Indexanbieter haben das Mandat, in der gewünschten Zusammensetzung und für die jeweilige Region die größte Marktkapitalisierung abzudecken. Damit seien sie nicht in der Pflicht, bestimmte Unternehmen aus Standard-Indizes auszuschließen, wenn diese zum Beispiel bestimmte Umweltschutzanforderungen nicht erfüllen”, erklärt Funk.Mit Blick auf seine treuhänderischen Pflichten hat der Vermögensverwalter analysiert, ob es sich langfristig negativ auf die Rendite der Fonds auswirkt, wenn Firmen aussortiert werden, die gegen die UN Global Compact Principles verstoßen oder kontroverse Waffen verkaufen. Ergebnis: “Das Risiko-Rendite-Profil der von uns analysierten Portfolien leidet nicht”, sagt Funk. Das hilft State Street in der Argumentation mit Kunden in der Zusammenstellung der Portfolien – “und führte zu der Entscheidung, solche Firmen auch aus mehr und mehr Publikumsfonds zu streichen”, hebt er hervor. Regelmäßiger AustauschDie auf die schwarze Liste gesetzten Unternehmen werden nach den Erfahrungen von Funk nicht direkt bei State Street vorstellig, um den Vermögensverwalter von seinen Vorbehalten abzubringen. Der Kontakt werde eher zu denen gesucht, die das Screening durchführen. “Eine Firma beschwert sich ja auch nicht bei uns, wenn ihr Credit-Rating heruntergestuft wurde.” State Street Global Advisors tausche sich jedoch regelmäßig mit Unternehmensvertretern aus und thematisiere dabei auch die Leitlinien für die Abstimmungen in Hauptversammlungen. Auch hier spielen ESG-Kriterien eine immer wichtigere Rolle – Funk nennt es wie andere Investoren die “social licence to operate”. Wenn diesbezüglich Defizite zutage treten, ist die langfristige Wertbildung aus Sicht der Investoren gefährdet.