Dax-Konzerne erstmals seit 2020 im Rückwärtsgang
Dax-Konzerne erstmals seit 2020 im Rückwärtsgang
EY-Analyse: Gewinn der deutschen Börsenschwergewichte schrumpft um mehr als ein Zehntel – Wachstum nur bei Europa-Umsatz und Mitarbeiterzahl
cru Frankfurt
Die Rekordjagd vieler Großunternehmen ist vorerst vorbei: Im abgelaufenen dritten Quartal verzeichneten die Dax-Konzerne insgesamt einen Umsatzrückgang von 5% auf 436 Mrd. Euro. Der operative Gewinn (Ebit) schrumpfte im Zeitraum Juli bis einschließlich September 2023 sogar um 11% auf 39,2 Mrd. Euro - erreichte aber dennoch den zweithöchsten jemals in einem dritten Quartal erzielten Wert. Das sind Ergebnisse der Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY auf der Basis der Geschäftsberichte Dax-Unternehmen.
Demzufolge zieht die Abschwächung weitere Kreise: So verzeichneten jetzt 22 Unternehmen niedrigere Umsätze als im Vorjahreszeitraum – im zweiten Quartal hatte es nur bei 14 Unternehmen Umsatzeinbußen gegeben. Vor allem die Geschäfte in den USA und in Asien schwächelten. Nur in Europa kamen 6% Umsatz hinzu, weil mehr Neuwagen verkauft wurden. Zuletzt hatten die Dax-Konzerne im zweiten Quartal 2020, zu Zeiten weltweiter Corona-bedingter Lockdowns, Einbußen sowohl bei Umsatz als auch Gewinn registriert.
Am stärksten legte der Rüstungskonzern Rheinmetall mit einem Plus von 24,2% auf 1,8 Mrd. Euro beim Quartalsumsatz zu. Am tiefsten abgestürzt ist dagegen MTU Aero Engines mit einem Umsatzminus von 59% auf 560 Mill. Euro.
"Deutschlands Top-Konzerne bekommen zunehmend den weltweiten konjunkturellen Gegenwind zu spüren", analysierte Henrik Ahlers, Vorsitzender der EY-Geschäftsführung. "Wir haben einen gefährlichen Mix aus lahmender Konjunktur, hohen Energie- und Materialpreisen, Lieferschwierigkeiten, politischen Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen." Immer mehr Branchen haben zu kämpfen und stemmen sich mit Kostensenkungsmaßnahmen gegen die Krise.
Doch nicht alles ist düster. Beim Umsatz verbuchten 15 der 38 Dax-Konzerne, deren Zahlen in die Auswertung einflossen, zum Vorjahreszeitraum eine Steigerung - also nicht nur Rheinmetall. Beim operativen Gewinn verzeichneten 16 Dax-Konzerne einen im Vergleich zur Vorjahresperiode gestiegenen Wert. Spitzenreiter beim Gewinn war der EY-Analyse zufolge die Deutsche Telekom mit gut 5,4 Mrd. Euro. In der Rangliste folgen die Autohersteller Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW mit jeweils deutlich mehr als 4 Mrd. Euro Euro operativem Gewinn.
Immerhin vier Unternehmen verzeichneten hingegen ein negatives Ebit: Den größten Verlust verzeichnete Bayer mit 3,6 Mrd. Euro. Doch auch MTU Aero Engines, Siemens Energy und Zalando schrieben operativ rote Zahlen.
Trotz des insgesamt unsicheren Ausblicks bauen die Konzerne - im Kontrast zum Umsatz- und Gewinnrückgang - ihre Belegschaften im Durchschnitt leicht aus: In 28 Dax-Konzernen, von denen es hierzu Angaben gab, stieg die Zahl der Beschäftigten nach EY-Angaben im dritten Quartal zum Vorjahreszeitraum in Summe um 1,6% auf gut 3,3 Millionen.
In der für die deutsche Wirtschaft besonders wichtigen Autoindustrie mehren sich indes die Warnsignale, wie EY-Partner Mathieu Meyer, betont: „Zwar lagen die Gewinne der Top-Autokonzerne auch im dritten Quartal auf hohem Niveau", sagte Meyer. "Allerdings profitierte die Branche bis zuletzt noch von hohen Neuwagenpreisen und dem hohen Auftragsbestand des Vorjahres." Inzwischen spiele der Chipmangel aber kaum noch eine Rolle, die Kaufbereitschaft der Kunden sei deutlich gesunken, Bestellungen gingen zurück. Obendrein kämpft die Branche mit Problemen wie Materialknappheit und mangelnder Lieferfähigkeit von Zulieferern. „Es läuft nicht mehr rund in der Autoindustrie“, fasst Meyer zusammen.
Sein Kollege Ahlers rechnet für die kommenden Monate mit weiter sinkenden Gewinnen: „Derzeit deutet nichts auf einen Stimmungsumschwung bei Verbrauchern und Unternehmen hin – im Gegenteil", warnt Ahlers. "Zudem müssen die Finanzzahlen vor dem Hintergrund der bis zuletzt hohen Inflation gesehen werden: Real – also bereinigt um die Geldentwertung – sieht die Umsatz- und Gewinnentwicklung noch deutlich düsterer aus."
Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 schrumpfen derzeit wieder die Erlöse und Gewinne der Dax-Konzerne. Deutschlands gelistete Top-Unternehmen bekommen den weltweiten konjunkturellen Gegenwind zu spüren. Inflationsbereinigt sähen die Zahlen "noch deutlich düsterer" aus, warnen die EY-Berater.