Der Dauerlauf der Sportartikelindustrie
Von Joachim Herr, MünchenUngerade Jahre sind nicht die ganz großen Sportjahre. Daran änderte auch die Fußball-WM der Frauen in Frankreich in diesem Sommer wenig. 2019 ist ein Jahr ohne Olympische Spiele, ohne eine Fußball-Welt- oder Europameisterschaft der Männer. Diese Mega-Ereignisse sind ein Schaufenster der Sportartikelindustrie für die ganze Welt. Marketing- und Werbekampagnen dafür haben allerdings ihren Preis, und der Effekt auf den Umsatz ist vergleichsweise gering. So läuft es 2019 auch ohne ein solches Turnier oder Olympische Spiele glänzend für die Sportartikelkonzerne. Und das schon seit Jahren (siehe Grafik). Auch an der Börse: Der Aktienkurs von Adidas hat sich seit Juli 2014 fast verfünffacht, der von Puma verdreifacht, und Nike steigerte den Wert immerhin auf mehr als das Zweieinhalbfache. Sogar Under Armour fasst nach dem zurückgeschraubten Wachstumsdrang und einer Neuordnung wieder Tritt. Die Marktwerte sind ein Spiegelbild des Wachstums der Unternehmen.Puma, deutlich hinter Nike und Adidas, aber wieder vor Under Armour die Nummer 3 im Markt, war in den ersten drei Monaten dieses Jahres so profitabel wie nie zuvor in einem Quartal: 10,8 % betrug die Umsatzrendite bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen und Steuern. Der Konzernerlös stieg in den ersten drei Monaten währungsbereinigt um 15 %. Das 2013 vom damals neuen Vorstandsvorsitzenden Bjørn Gulden gestartete Aufholprogramm bringt Erfolg. Aus dem zum Sanierungsfall abgestiegenen Unternehmen ist wieder eine begehrte Marke geworden – dank der Rückkehr zu klarem Design und einem gestrafften Produktangebot. Wie das Geschäft im zweiten Quartal gelaufen ist, gibt Puma am Mittwoch bekannt.Am 8. August folgt Adidas. Vergleichsweise moderat fiel das Umsatzwachstum im ersten Quartal aus: währungsbereinigt um 4 %. Der Vergleich mit Puma ist aber nicht ganz fair, da Adidas eine viel größere Basis hat. Allerdings brachte sich Adidas selbst um einen kräftigeren Anstieg: Ein Engpass in der Produktion von Bekleidung bremst das Geschäft in Nordamerika. Adidas arbeitet daran, die Lieferkette zu verbessern. Zudem reagierte der Konzern zu langsam auf neue Modetrends in Westeuropa, etwa Sportschuhe mit klobigen Sohlen. “In Kasper we trust”Den Gipfelsturm des Aktienkurses von Adidas konnten diese Schwierigkeiten aber nicht aufhalten. Das Unternehmen punktet vor allem mit einer höheren Rendite. Aktienanalysten kommen mit ihren Kurszielen kaum nach. Besonders optimistisch ist die Citigroup mit einem Kursziel von 325 Euro. Der Titel der jüngsten Studie der Bank sagt viel: “In Kasper we trust.” Kasper Rorsted, der dänische Vorstandschef, wird bisher seinem Ruf als Renditetrimmer gerecht.Zu Jahresbeginn übertrumpfte Adidas mit einer operativen Marge von 14,9 % Nike. Das war auch schon im dritten Quartal 2018 gelungen, als das Unternehmen einen Wert von 15,3 % auswies. Die Profitabilität von Nike verringerte sich dagegen zuletzt: Im letzten Dreimonatsabschnitt des am 31. Mai beendeten Geschäftsjahres lag die Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern bei 12,4 %. Mehr Ausgaben fürs Marketing und gestiegene Kosten für den Vertrieb drückten das Ergebnis. Für das Wachstum ist das Management von Nike weiterhin zuversichtlich. Für das Quartal bis Ende August stellte es ein Plus von 4 % in Aussicht – dieselbe Rate wie in den drei Monaten zuvor. Bereinigt um Währungseffekte soll der Konzernerlös nun sogar um 10 % zulegen.Wie Adidas kämpft Nike mit Lieferengpässen. Verglichen mit der aktuellen Nachfrageschwäche in Industriebranchen wie Auto und Chemie ist das freilich ein Luxusproblem. Sportartikel reagieren weniger sensibel auf Konjunkturschwankungen. Hinzu kommen seit Jahren stabile positive Trends: Zum einen ist sportliche Kleidung nicht nur für die Freizeit, sondern zunehmend auch für die Arbeit gefragt. Zum anderen wachsen das Gesundheitsbewusstsein und die Neigung, sich sportlich zu bewegen, besonders in der aufstrebenden Mittelschicht von Schwellenländern. An erster Stelle dieses Trends steht China. Für Nike, Adidas und Puma ist es die wachstumsstärkste Region. Puma-Chef Gulden berichtet von einem Umsatzplus von 40 bis 50 %. Hohe Preise in ChinaAuch die Profitabilität ist in China überdurchschnittlich hoch: Die begehrten Marken aus der westlichen Welt dürfen gern teuer sein. Und die Marketingkosten sind verglichen mit Europa und Nordamerika relativ niedrig: Lokale, aber international unbekannte Markenbotschafter sind viel günstiger unter Vertrag zu nehmen als etwa europäische und südamerikanische Mannschaften und Spitzenfußballer wie Cristiano Ronaldo, Messi oder Neymar.Den Handelskonflikt zwischen den USA und China beobachten die Sportartikelkonzerne gelassen. Sie lassen fast alle Produkte in Asien fertigen. China ist sowohl ein wichtiger Absatzmarkt als auch ein zentraler Produktionsstandort. Höhere Zölle für Waren in die USA hätten überschaubare Folgen, denn zumindest ein Teil der Produktion könnte in andere Länder wie Vietnam oder Kambodscha verlagert werden.