CORPORATE FINANCE AWARD (6): KATEGORIE M&A

Der smarte Weg zur "vierten Kraft"

United Internet steigt mit Drillisch-Übernahme als Telekomanbieter in neue Liga auf

Der smarte Weg zur "vierten Kraft"

Der Erwerb des kleineren Wettbewerbers Drillisch wurde von United Internet nicht nur lautlos vorbereitet, sondern auch praktisch geräuschlos durchgezogen, in einer komplexen Transaktion, die ein klassisches Übernahmeangebot vermied. Dieses wäre um ein Vielfaches kostspieliger gewesen, nicht zuletzt, weil es die stets auf der Lauer liegenden Hedgefonds angelockt hätte. Nun geht die “vierte Kraft” im Telekommarkt mit gut gefüllter Kasse ans Werk. hei Frankfurt – Als United Internet und Drillisch im Mai vergangenen Jahres ihren geplanten Schulterschluss verkündeten, zeigten sich die Aktionäre beider Unternehmen begeistert. Die Bündelung der Telekomaktivitäten versprach nicht nur erhebliche Synergien, die sich 2020 auf 150 Mill. und 2025 auf 250 Mill. Euro summieren sollen, sondern auch erhöhte Wachstumschancen für beide. Denn die nach Kundenzahl und Umsatz deutlich größere 1 & 1 Telecommunications erschließt sich durch den Zusammenschluss mit Drillisch ein Asset, das ihr im ersten Anlauf durch die Lappen gegangen war. Der kleinere Wettbewerber aus Maintal hatte den Zuschlag für 30 % der Netzkapazitäten von Telefónica Deutschland erhalten, die diese im Zuge der Übernahme von E-Plus abtrat. Drillisch hatte damit ein Pfund, mit dem sie wuchern konnte, was sich auch in der relativ höheren Bewertung der Gesellschaft in der Transaktion verglichen mit United Internet niederschlug (vgl. BZ vom 18.5.2017).Zugleich war damit klar, dass der wachstumsstarke und hochprofitable Discount-Anbieter auf dem Telekommarkt zum Objekt der Begierde wurde. Mit dem Erwerb von 20 % an Drillisch kam United Internet bereits 2015 anderen Interessierten zuvor. Der Konzern aus Montabaur warb für den Zusammenschluss schließlich mit dem Argument, dass beide Unternehmen zusammen besser als Drillisch allein in der Lage sein würden, die erworbenen Kapazitäten möglichst bald voll auszuschöpfen. Satte MehrheitDie Argumentation verfing bei den Aktionären, die auf einer außerordentlichen Hauptversammlung mit der ausdrucksvollen Mehrheit von 97,8 % der komplexen zweistufigen Transaktion ihr Plazet erteilten. Nachdem die 1 & 1 Telecommunications im Wege von zwei Sachkapitalerhöhungen in die Drillisch eingebracht wurde, hält United Internet nun gut 73 % an der neuen Drillisch AG, die damit eigenständig börsennotiert bleibt. Der neue Großaktionär hatte eine Komplettübernahme ausgeschlossen. Die Deal-Konstruktion bot daher Investoren wie Hedgefonds keine Angriffsfläche. United Internet konnte ihre alternative Barofferte an die Drillisch-Aktionäre so gestalten, dass das Interesse daran naturgemäß äußerst gering ausfiel. Der von einem Bankenkonsortium bereitgestellte Kredit über 2,5 Mrd. Euro blieb somit unangetastet, eine elegante Lösung, die auch die Jury des Corporate Finance Awards überzeugt hat und dem Internet-Konzern aus Montabaur den Preis in der Kategorie M & A einträgt. Für den Durchgriff bei 1 & 1 Drillisch sorgt nicht nur eine Fast-Dreiviertelmehrheit, sondern auch die personelle Neuaufstellung. Denn United-Internet-CEO Ralph Dommermuth, der noch 40 % an dem von ihm selbst gegründeten Unternehmen hält, hat den Chefposten der neuen größeren Telekomtochter übernommen. Während die Experten noch Beifall klatschen, ist allerdings bei den Anlegern Ernüchterung eingekehrt. Nach einer beeindruckenden Kursrally, bei der die Titel von Drillisch bis zu 40 % und die von United Internet bis zu 35 % gewannen, hat der frisch gestärkte Player im Telekommarkt der Börse kürzlich eine Schocktherapie verabreicht. In Montabaur will man nämlich – eigentlich wenig überraschend – nicht auf der nach wie vor gut gefüllten Kasse sitzenbleiben, sondern das geplante Wachstum mit einem üppigen Marketingbudget aggressiv vorantreiben. Die 1 & 1 Drillisch, die mit einem Umsatz von 2,81 Mrd. Euro nun für zwei Drittel vom Gesamtkonzern steht, will im laufenden Jahr rund 1,2 Millionen neue DSL- und Mobile-Internet-Verträge gewinnen. Einer Straffung des Markenportfolios und Synergien im Einkauf, die Ersparnisse von 50 Mill. Euro bringen sollen, stehen höhere Marketingausgaben, insbesondere der verstärkte Einsatz subventionierter Smartphones gegenüber, die sich auf 300 Mill. Euro summieren sollen. Discount-Segment im FokusDamit fällt die operative Ergebniszielsetzung von United Internet mit rund 1,2 Mrd. Euro nach 908 Mill. Euro im Vorjahr um rund 40 % geringer aus als von Analysten zuvor im Mittel geschätzt. Eine Kröte, an der die Börse schwer zu schlucken hat. Der Konzern setzt indes in der primär auf das Discount-Segment von Drillisch sowie auf die eigenen Kanäle Web.de und GMX fokussierten Wachstumsinitiative mit subventionierten Smartphones ein vielversprechendes Instrument ein. Denn die preissensitive Klientel dürfte ohne dieses Mittel schwerlich von der Konkurrenz wegzulocken sein. Der deutsche Mobilfunkmarkt gilt ohnehin als relativ festgefügt. Die weitere Ausdehnung der Kundenbasis trägt indes nicht nur die Wachstumsstrategie der Telekommunikationssparte von United Internet, sondern auch die des Gesamtkonzerns. Denn dabei setzt das Unternehmen auch verstärkt auf Cross-Selling-Effekte mit dem Bereich Applications. Die Sparte, die E-Mail-, Hosting- und Cloudlösungen für Privat- und für Geschäftskunden anbietet, hat auf dem M & A-Parkett im vergangenen Jahr ebenfalls nichts anbrennen lassen. Der in zwei Gesellschaften gegliederte Bereich wächst vor allem bei den Business Applications, der 1 & 1 Internet SE, an der Warburg Pincus zu einem Drittel beteiligt ist. Bei der Tochter, die über kurz oder lang an die Börse gehen soll, hat United Internet 2017 ebenfalls zwei Akquisitionen durchgezogen: den Erwerb des Webhosters Strato und den Kauf des Berliner Cloudanbieters Profitbricks. Für den Kapitalmarkt hat der Internetkonzern aus Montabaur also noch weitere Pfeile im Köcher.—-Zuletzt erschienen:- ICE und TGV fahren künftig gemeinsam (10. April)- Grüner Schuldschein für saubere Luft (4. April)- Wie CVC von Energiedienst- leistungen profitiert (30. März)