Theranos-Prozess

Der tiefe Sturz einer Tech-Ikone

Eine Jury in Kalifornien hat Elizabeth Holmes, die Gründerin des ehemaligen Laborunternehmens Theranos, wegen Betrugs schuldig gesprochen. Ihr droht nun eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Das Urteil wird aber zugleich als Weckruf für Start-up-Unternehmen in der Tech-Industrie gesehen.

Der tiefe Sturz einer Tech-Ikone

det Washington

Lange Zeit war sie der Liebling des Silicon Valley, eine Senkrechtstarterin in der von Männern dominierten Tech-Hochburg Silicon Valley, nun muss Elizabeth Holmes, Gründerin des ehemaligen Laborunternehmens Theranos, mit einer mehrjährigen Gefängnisstrafe rechnen. Nach einem aufsehenerregenden Prozess wegen Betrugs wurde Holmes in vier Fällen für schuldig befunden, Investoren betrogen zu haben. Experten sprechen von einem Warnschuss, der andere Neugründungen wachrütteln wird.

Die Geschichte der 37-Jährigen liest sich wie das Drehbuch zu einem Hollywood-Wirtschaftskrimi. Mit 19 Jahren hatte sie das Studium an der Stanford-Universität abgebrochen, um ihrem Traum eines historischen Durchbruchs in der Gesundheitsindustrie nachzugehen. Die Geschäftsführerin von Theranos behauptete, dass ihr Unternehmen einen Blutschnelltester entwickelt habe, der mit wenigen Tropfen bis zu 240 Krankheiten nachweisen könne.

Vorbild Steve Jobs

Sorgfältig kultivierte Holmes das Image eines „weiblichen Steve Jobs“ und trug bei öffentlichen Auftritten selbst jene dunklen Rollkragenpullover, die ein Markenzeichen des legendären Apple-Gründers waren. Mit ihrem Selbstbewusstsein und unerschütterlichen Optimismus um­warb sie erfolgreich Investoren wie den Medienunternehmer Rupert Murdoch und Oracle-Gründer Larry Ellison. Auch konnte sie für die Ge­schäftsführung prominente Namen wie die ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger und George Schultz gewinnen.

2015 schätzte die Finanzpublikation Forbes ihr Vermögen auf 4,5 Mrd. Dollar und kürte Holmes zur reichsten Selfmade-Milliardärin in den USA. Das angebliche Vermögen beruhte auf der Annahme, dass Holmes die Hälfte des Theranos Kapitals besaß. Dem steilen Aufstieg folgte dann aber genauso schnell jener tiefe Sturz, den Analysten mit dem Untergang des Öl- und Gas-Handelsunternehmens Enron vergleichen.

Wirksamkeit übertrieben

In einer Serie von Artikeln Ende 2015 behauptete das „Wall Street Journal“, dass Theranos die Wirksamkeit des Schnelltesters übertrieben habe. Anstatt der behaupteten 240 Krankheiten könne dieses nur Herpes nachweisen, hieß es. Zudem hätte das Unternehmen Analysegeräte von Siemens und anderen Drittanbietern benutzt und somit Anleger ebenso wie Kunden irregeführt, die glaubten, dass Testerfolge ein Ergebnis der Forschung bei Theranos gewesen seien.

Bald danach beschleunigte sich der Niedergang des Unternehmens. Im Jahr nach den Enthüllungsgeschichten wurde Theranos von Forbes für wertlos erklärt. 2018 warf dann die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC Holmes Betrug vor und einigte sich mit der Unternehmerin auf eine Geldstrafe von 500000 Dollar. Auch wurde sie von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Der Prozess verzögerte sich aber, unter anderem wegen der Corona-Pandemie, und begann schließlich im August letzten Jahres.

Nach knapp fünf Monaten sowie sieben Tagen an Beratungen durch die Jury wurde Holmes in vier von elf Anklagepunkten wegen Betrugs schuldig gesprochen. Zu den Opfern zählte die Familie von Betsy Devos, die Bildungsministerin unter dem früheren Präsidenten Donald Trump war, sowie ein Hedgefonds, der auf die Gesundheitsindustrie spezialisiert ist.

Bis zu 20 Jahre hinter Gittern

Theoretisch drohen Holmes nun für jeden der Anklagepunkte bis zu 20 Jahre hinter Gittern. Experten rechnen aber schon deswegen mit einer deutlich milderen Strafe, weil sie nicht vorbestraft ist und kürzlich Mutter wurde. Nach Ansicht des Rechtsanwalts Michael Cardozo sendet das Urteil dennoch eine klare Botschaft an die Adresse von Neugründungen in der Tech-Industrie. „Macht keine Versprechen, die ihr nicht einlösen könnt, und stellt keine Behauptungen auf, die nicht wahr sind.“ Die Gerichte hätten nun bewiesen, dass sie derartigen Betrug nicht dulden werden, so der Experte.