Der Tunnel unter dem Ärmelkanal wird 20

Betreibergesellschaft Eurotunnel schreibt nach jahrelangem Überlebenskampf inzwischen schwarze Zahlen

Der Tunnel unter dem Ärmelkanal wird 20

Von Gesche Wüpper, Paris”Madame, wir haben eine Landgrenze” – so begrüßte Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand heute vor 20 Jahren die englische Königin Elisabeth II. und eröffnete damit den Tunnel unter dem Ärmelkanal. Die Verbindung hat nicht nur das Leben von Franzosen und Briten verändert, sondern auch das Hunderttausender Kleinanleger. “Sie haben uns zusammen mit Goldman Sachs über den Tisch gezogen”, schimpfte einer von ihnen gerade auf der Hauptversammlung der Betreibergesellschaft Eurotunnel. Denn deren Name steht noch immer für einen der größten Anlegerskandale, auch wenn das Unternehmen längst schwarze Zahlen schreibt. Hohe ErwartungenIm Turnus 2013 stieg der Umsatz von Eurotunnel um 12 % auf 1,09 Mrd. Euro. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) dagegen blieb mit 449 Mill. Euro unverändert, während das Vorsteuerergebnis von 27 Mill. Euro auf 20 Mill. Euro zurückging. Allerdings waren im Vorsteuerergebnis von 2012 auch 30 Mill. Euro an Versicherungsentschädigungen enthalten. Ziel von Eurotunnel-Chef Jacques Gounon ist nun, das Ebitda 2015 auf mehr als 500 Mill. Euro zu steigern. Die Analysten von Natixis glauben sogar, dass der Tunnelbetreiber das Vorsteuerergebnis in den nächsten drei Jahren versiebenfachen kann.Noch vor ein paar Jahren deutete nichts darauf hin, dass das Unternehmen je Licht am Ende des Tunnels sehen würde. Kritiker meinten damals, dass der Untergang des Betreibers quasi im Geschäftsplan festgeschrieben sei. Denn die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher hatte durchgesetzt, dass er keinen Penny aus Staatskassen erhalten sollte. Eurotunnel ging deshalb 1987 an die Börse und lockte Hunderttausende Kleinanleger, vor allem französische. Doch die Baukosten des Tunnels fielen mit 15,2 Mrd. Euro doppelt so hoch aus wie erwartet. Gleichzeitig verzögerte sich die Inbetriebnahme des Tunnels.Immer wieder musste Eurotunnel danach Passagierzahlen und Einnahmen nach unten korrigieren, da die konkurrierenden Fähren und die aufkommenden Billigflieger dem Unternehmen unerwartet große Konkurrenz machten. Obwohl die Zinszahlungen gestundet und die Schulden immer wieder umstrukturiert wurden, entkam Eurotunnel 2007 nur mit Hilfe eines ehrgeizigen Rettungsplans der Pleite. Damals wurde die Schuldenlast durch Restrukturierungen von 9,1 Mrd. auf 4,2 Mrd. Euro gesenkt und den Gläubigern wurden zahlreiche Wandelanleihen übertragen. Durch den Debt-to-Equity-Swap erhöhte Eurotunnel das Kapital 2008 um 1,75 Mrd. Euro.Nach der Wandlungsmöglichkeit von Schulden in Eigenkapital stiegen zwei Fonds von Goldman Sachs zu den größten Aktionären auf. Goldman Sachs hält so 26 % der Stimmrechte und knapp 16 % des Kapitals. Die vielen Kleinaktionäre wurden dadurch an den Rand gedrängt. 2004 zettelten sie eine Revolte an und setzten vor einem Pariser Gericht eine außerordentliche Hauptversammlung sowie die Absetzung der britischen Unternehmensführung durch.In den letzten fünf Jahren hat der Kurs der Eurotunnel-Aktie um 145 % zugelegt. Am Montag schloss das Papier unverändert bei 9,84 Euro. Das kurzfristige Ziel von Eurotunnel-Chef Gounon lautet, den Aktienkurs auf 11,50 Euro zu steigern. Zwar liegen die Passagierzahlen noch immer hinter den ursprünglichen Erwartungen, doch sie steigen stetig.Helfen dürfte Eurotunnel, dass Brüssel die neuen Mautgebühren für die Nutzung des Tunnels durch Züge billigte. Die französische SNCF, die am Zugbetreiber Eurostar beteiligt ist, war dagegen vorgegangen. Gleichzeitig wird mit der Deutschen Bahn ab 2016 ein zweiter Zugbetreiber im Tunnel erwartet, während Eurostar ab 2017 eine neue Verbindung von London nach Amsterdam anbieten will. Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC schätzt in einer Studie, dass die neuen Verbindungen 4 Millionen Passagiere zusätzlich bringen könnten, wodurch sich der Verkehr in den nächsten fünf Jahren um 40 % erhöhen dürfte.