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Der Weg von Siemens in die Welt der Software

Die Nachhaltigkeit von Gebäuden ist mit dem Streit in der Koalition über den Umbau von Heizanlagen zum Top-Thema geworden. Siemens hat schon im Jahr 2022 mit Brightly einen Spezialisten erworben, der mit Software das Management von Anlagen und Gebäuden effizienter und nachhaltiger macht. Mit der Transaktion, die die Jury des Corporate Finance Awards in der Kategorie Digital auszeichnet, ist Siemens der größte Anbieter in einem Teilsegment der Immobilien-Software.

Der Weg von Siemens in die Welt der Software

Corporate Finance Award: Die Preisträger (6)

Der Weg von Siemens in die Welt der Software

Mit dem Kauf des US-Unternehmens Brightly wollen die Münchner das Management von Gebäuden effizienter und nachhaltiger machen

Von Michael Flämig, München

Die Nachhaltigkeit von Gebäuden ist mit dem Streit in der Koalition über den Umbau von Heizanlagen zum Top-Thema geworden. Siemens hat schon im Jahr 2022 mit Brightly einen Spezialisten erworben, der mit Software das Management von Anlagen und Gebäuden effizienter und auch nachhaltiger macht. Mit der Transaktion, die die Jury des Corporate Finance Award mit dem Preis in der Kategorie Digital auszeichnete, ist Siemens der größte Anbieter in einem Teilsegment der Immobilien-Software.

Siemens ist ein Infrastrukturanbieter. Doch der Konzern ist mittlerweile auch eine Softwareschmiede. Aus gutem Grund: Strategisch haben sich die Münchner vorgenommen, die Welt der Hardware mit dem Digital-Universum zu verbinden. Konsequenterweise haben sie seit dem Jahr 2008 ein digitales Portfolio an Software und Services hinzugekauft. Bis zum Jahr 2022 wurden rund 13,6 Mrd. Euro in Unternehmen wie UGS, Mentor Graphics, LMS oder Mendix investiert.

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Den jüngsten derartigen Zukauf starteten allerdings nicht die Automatisierungsspezialisten der Sparte Digital Industries, sondern der Sektor Smart Infrastructure unter dem Siemens-Vorstand Matthias Rebellius. Finanzvorstand Ralf Thomas ließ im vergangenen Jahr 1,6 Mrd. Euro springen für das US-Unternehmen Brightly, das cloudbasierte Software für Anlagen- und Wartungsmanagement bietet und 12.000 Kunden vor allem im angelsächsischen Raum zählt. 1,14 Mrd. Euro wurden bar an den Finanzinvestor Clearlake Capital gezahlt, hinzu kamen langfristige Finanzschulden von 0,4 Mrd. Euro. Außerdem gibt es eine erfolgsabhängige Preiskomponente von maximal 0,3 Mrd. Euro, die vom Erreichen umsatzbezogener Kennzahlen Ende September 2024 und 2025 abhängig ist.

Scheinbar eine Menge Geld für ein Unternehmen, das im vergangenen Jahr mit rund 800 Beschäftigten rund 180 Mill. Dollar erwirtschaften sollte. Die Jury des Corporate Finance Award überzeugte der Ansatz dennoch. Schließlich hat Siemens mit Brightly den größten Player in jenem 2-Mrd.-Euro-Teilsegment der Immobilien-Software erworben, das für den Konzern relevant ist. Das zweitgrößte Unternehmen sei nur halb so groß, betont Rebellius: „Wir bewegen uns vom Management der Gebäude zu deren Betrieb.“

Ineffiziente Gebäude

Damit hat Siemens eine Schaltstelle der Gebäudetechnik besetzt. Denn ohne Softwarelösungen bleibt eine energetische Sanierung des Immobilienbestands nur Stückwerk. 40% des globalen Energiebedarfs beanspruchten Gebäude, rechnet Siemens vor. 75% dieser Menge würden während des Betriebs verbraucht, und davon werde ein Drittel verschwendet. Drei Viertel aller gewerblichen Immobilien weltweit seien ineffizient. Die Lösung aus Sicht von Siemens: smarte Technologien à la Brightly. Weniger als 10% aller Gebäude nutzten aktuell einen derartigen Softwareansatz. Die Schlussfolgerung von Henning Sandfort, der die Siemens-Einheit Building Products leitet: „Angesichts der aktuellen Herausforderungen des Klimawandels, der Energiekrise und des wachsenden regulatorischen Drucks müssen die Akteure im Gebäudebereich jetzt dringend die Weichen stellen, um den Gebäudebetrieb intelligenter zu machen.“ Immobilien sollen in intelligente Ökosysteme verwandelt werden.

Für den Siemens-Vorstandsvorsitzenden Roland Busch ist die Brightly-Akquisition eine Blaupause für das künftige Vorgehen: „Solche Zukäufe, die unmittelbar auf unser Geschäft einzahlen, planen wir auch in Zukunft.“ Denn mit Brightly habe Siemens zusätzlich Kompetenz erworben, wie ein Software-Abomodell auch in diesem Sektor funktionieren kann. Das US-Unternehmen erwirtschaftet rund 90% seiner Erlöse als jährlich wiederkehrende Umsatzgröße.

Derartige Software-as-a-Service-Angebote versucht Siemens aktuell vor allem im Automatisierungsgeschäft von Digital Industries zu etablieren. Per Ende 2022 hatten 5.450 Siemens-Kunden Verträge mit dem neuen Geschäftsmodell abgeschlossen. Der Anteil von Start-ups sowie kleiner und mittlerer Unternehmen steigt. 70% sind den Angaben zufolge Neukunden.

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Er sehe durch die Verknüpfung der Angebote von Siemens Xcelerator mit dem etablierten SaaS-Geschäft und der Kundenbasis von Brightly erhebliches Wertschöpfungspotenzial und Wachstumschancen, betont Rebellius. Im Durchschnitt steigern die Unternehmen in dem Markt ihren Umsatz laut Siemens um 13% jährlich. Einschließlich der Ergebniseffekte aus der Kaufpreisallokation und den Integrationskosten hätte Brightly im Geschäftsjahr 2022/2023 vom Closing im August bis Ende September 25 Mill. Euro erlöst und einen Nettoverlust in Höhe von 8 Mill. Euro erwirtschaftet.

Der Brightly-Kauf fällt in die Zeit erhöhter Energiekosten – und damit steigt auch der Anreiz, Gebäude effizienter zu bewirtschaften. Schließlich profitiert der Gebäudetechniksektor davon, dass jede nicht verbrauchte Kilowattstunde Strom mit den steigenden Energiepreisen wertvoller geworden ist. „Energetische Sanierung hat nun kürzere Payback-Zeiten“, ist Siemens-Vorstand Rebellius überzeugt.

Damit nicht genug der Bedeutung des Brightly-Kaufs. „Die Transaktion ist ein Schlüsselelement für das Portfolio von Siemens Xcelerator im Bereich Gebäude“, stellt Siemens fest. Hinter dem Namen Xcelerator steht eine im Juni vergangenen Jahres offiziell eingeführte offene digitale Business-Plattform. Sie soll nicht nur ein Portfolio unterschiedlicher Hardware für das Internet der Dinge umfassen, sondern auch Software von Siemens und zertifizierten Drittanbietern sowie einen Marktplatz für Interaktionen zwischen Kunden und Entwicklern. Das Angebot „Building X“ baut darauf auf. Es soll die Datensilos etwa in den Bereichen Energiemanagement, Sicherheit und Gebäudewartung aufbrechen. Modular, cloudbasiert und offen wird den Plänen zufolge die Smart-Building-Suite sein.

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