Deutscher IPO-Markt im Schatten

J.P. Morgan rechnet für 2020 mit durchschnittlichem Volumen - Wackelkandidat Thyssenkrupp-Aufzüge

Deutscher IPO-Markt im Schatten

wb Frankfurt – Nach einem schwachen Börsengangsjahr wird auch 2020 kaum glänzen. Stefan Weiner, Leiter des Aktienprimärmarktgeschäfts von J.P. Morgan im deutschsprachigen Raum, geht davon aus, dass es sechs bis neun Initial Public Offerings (IPO) geben kann mit einem Volumen, das mit grob geschätzt rund 4 Mrd. Euro im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre liegt. Die US-Investmentbank, nach Zahl und Volumen 2018/19 führend in Equity Capital Markets (ECM) in Deutschland, hofft auf eine Normalisierung des Marktumfelds, so dass sich Banker Weiner “vorsichtig optimistisch” gibt.Dazu soll auch der Nachholbedarf aus dem laufenden Turnus beitragen, denn nach den Kursrückgängen im Herbst und Winter 2018 waren die ins Auge gefassten IPOs für die erste Hälfte 2019 auf Eis gelegt worden. Die Rechnung für 2020 dürfte ganz anders aussehen, wenn sich Thyssenkrupp für die Aufzugssparte in dem “Dual-Track”-Prozess gegen M&A und für die Börse entscheidet. Dies könnte das größte IPO seit dem von Innogy werden, die RWE im Volumen von 4,6 Mrd. Euro 2016 an den Markt gebracht hatte.Die Quelle für Kapitalmarktneulinge macht auch Weiner vorwiegend bei alten Bekannten aus: Carve-outs aus Konzernen. Dies wird außer von Thyssenkrupp auch von Continental für die Antriebssparte ventiliert. Siemens hat mit Öl und Gas und Gamesa viel vor, und BASF ist dabei, Wintershall auf die Börse vorzubereiten. Die Deutsche Bahn dürfte indessen Arriva – so dieses Verkehrsunternehmen nicht verkauft wird – an der Börse Amsterdam platzieren. Derzeit seien die Chancen generell für IPOs und M&A im Prinzip in etwa gleichgewichtet, meinen Weiner und Carsten Berrar, Partner der Kanzlei Sullivan & Cromwell.Hatten Banker nach dem Börsengang von Knorr-Bremse vor fast genau einem Jahr noch gehofft, dass mehr Unternehmen aus Familienhand den Kurszettel verlängern, so erkennt Weiner hier jetzt “keine große Welle”. Eher sollen ihm zufolge Private-Equity-Gesellschaften für Portfoliofirmen auf den Kapitalmarkt schielen. Sie müssen damit kalkulieren können, dass es nach dem Debüt genügend “Upside” gibt, um ihren Ausstieg profitabel zu gestalten. Mit der Kursperformance sieht es allerdings bei der ganz überwiegenden Zahl der Neulinge mau aus – lediglich Siemens Healthineers und Knorr sind noch im Plus. Traton und Teamviewer, die Neulinge 2019, notieren hingegen unter Wasser.Am Markt gebe es eine Verlagerung von Wachstumswerten zu “Value”, also Emittenten mit einer fundamental orientierten Bewertung. Gleichwohl macht Weiner unter den Branchen in Technologie und Gesundheit am ehesten Kandidaten aus. Aspiranten wie Auto1, Deutschlands größtes Einhorn, bei dem auch Softbank investiert ist, und Flixbus, der jüngst eine rekordhohe Kapitalspritze gesetzt wurde, können kommen, aber sie haben keinen Exitdruck. Das gilt auch für die Reiseplattform Getyourguide. Mit Blick auf Fehlschläge von US-Unicorns wie Wework oder Peloton plädiert Anwalt Berrar für Corporate Governance für Investorenentscheidungen. Darin haben deutsche Emittenten einen höheren Standard als US-Start-ups, die mit Mehrfachstimm- und Sonderrechten für die Altgesellschafter an den Markt gehen. Zunehmend wichtiger würden Ankerinvestoren, die Wochen vor dem IPO zusagen, Aktien über die gesamte Preisspanne zu zeichnen.