Die Chinesen kicken in Mailand
Fußball und Bürgermeisterwahlen stehen derzeit im Mittelpunkt des Mailänder Geschehens. Nicht nur die Fußball-Europameisterschaften, sondern das wirtschaftliche und sportliche Desaster der beiden traditionellen Mailänder Fußballvereine, AC Mailand und Internazionale, kurz Inter Mailand genannt, erregt die Gemüter.Laut einer jüngst veröffentlichten Studie der Beratungsgesellschaft KPMG sind die beiden Mailänder Vereine gemeinsam nicht einmal so viel wert wie der Turiner Rivale Juventus FC (Juve), dessen Unternehmenswert auf 983 Mill. Euro geschätzt wird. Juve wurde zum fünften Mal in Serie auch in dieser Saison italienischer Fußballmeister, obwohl die Turiner im Herbst 2015 den schlechtesten Saisonstart seit 1969 hingelegt hatten. Eine Serie von 15 Siegen in Folge brachte die Mannschaft wieder auf Platz 1. Kurz nach dem erneuten Gewinn der Meisterschaft sicherten sich die Turiner im Finale “Coppa Italia” gegen den AC Mailand das zweite Double hintereinander. Die beiden Mailänder Clubs fielen auch bei den Nationalmeisterschaften auf Rang Nr. 4 (Inter) und 7 zurück.Aber Juve hat nicht nur sportliche Erfolge aufzuweisen. Seit 15 Jahren notieren die Turiner an der Börse in Mailand. Rund 65 % des Kapitals werden aber weiterhin von der Fiat-Unternehmerfamilie Agnelli über die Beteiligungsholding Exor gehalten. Der Erlös des Börsengangs wurde in ein neues Stadion investiert. Es handelt sich um einen Komplex mit über 41 000 Zuschauerplätzen, ein Vereinsmuseum, Restaurants, Fanshops und ein Einkaufszentrum. Mit einem Umsatz von 324 Mill. Euro rangiert Juve an erster Stelle in Italien und an zehnter weltweit.Das sportliche Desaster einerseits, die wirtschaftliche Misere andererseits haben dazu geführt, dass die beiden Mailänder Fußballvereine zum Verkauf stehen. Bei dem vom ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi mehrheitlich kontrollierten AC Mailand dauern die Verkaufsverhandlungen bereits seit über einem Jahr an. Zwei asiatische Kandidaten, Mr. Lee und Mr. Bee, haben sich bereits aus dem Staub gemacht. Der Verkaufspreis von angeblich 1 Mrd. Euro (inklusive Schulden) war zu hoch. Nun soll Berlusconi nach eigenen Angaben mit einem chinesischen Finanzinvestor verhandeln, dessen Namen nicht genannt wird. Medien munkeln über einen Ausverkauf des AC Mailand. Fans hoffen auf einen baldigen Abschluss.Im Gegensatz zu AC Mailand konnte Inter zu Wochenbeginn nach kurzen Verhandlungen tatsächlich an den Mann gebracht werden. 70 % der Anteile gingen an den chinesischen Handels- und Industriekonzern Suning. Der indonesische Investor Erick Thohir, der erst vor drei Jahren den Verein übernommen hatte, reduzierte seine Anteile vorerst auf 30 % und wird bis 2017 auch die restliche Beteiligung abgeben. Der Mailänder Unternehmer Massimo Moratti, langjähriger Eigentümer und Club-Präsident von Inter, stieg ganz aus. Der Gründer des Elektronik-Konzerns Suning Commerce Group, der 53-jährige Literaturwissenschaftler Zhang Jindong, hat mit dem chinesischen Super-League-Fußballclub Jiangsu Suning FC einschlägige Erfahrung und versprach, in die Mannschaft zu investieren. Inter will in Asien punkten, Suning Group in Europa expandieren. *Ernüchternd für Regierungschef Matteo Renzi war der Ausgang der Bürgermeisterwahlen in Mailand. Während in Rom der Sieg der Kandidatin von der Fünf-Sterne Protestbewegung, Virginia Raggi, vorauszusehen war, ist das Ergebnis in der Wirtschaftsmetropole für Renzi beinahe noch bitterer. In Mailand glaubte der PD, mit dem Kandidaten Giuseppe Sala, dem früheren Manager der Expo Milano 2015, den Wahlsieg sicher zu haben. Sala hat aber seinen bürgerlichen Konkurrenten, den Unternehmer Stefano Parisi, nur um rund 5 000 Stimmen geschlagen und muss nun bei der Stichwahl auf die Wähler des drittplatzierten Fünf-Sterne-Kandidaten hoffen. Dass diese Rechnung aufgeht, ist mehr als unsicher: Mailand ist im Unterschied zu Rom eine strukturell bürgerliche Stadt. Linke Wahlsiege sind dort in der Regel nur möglich, wenn die Rechte einen schwachen Kandidaten präsentiert. Das war vor fünf Jahren der Fall, heute aber nicht.